Juris spielt nicht mehr


Der Besuch der Prerower Strandbrücke dürfte für beinahe jeden Touristen ein absolutes Muss sein. Wer eine solche Visite vor allem in den Sommern vornahm, konnte - je nach Wetterlage - einen so genannten Straßenmusiker antreffen. Der groß gewachsene, bärtige Mann, der hier oft auf einer der Steinmauern seine Requisiten legte, mit denen er die vorbei schlendernden oder in unmittelbarer Nähe auf einer der Holzbänke sitzenden Gästemusikalisch beglückte, hieß Juris Rutkovskis. 

Juris wurde am 25. Juni 1963 in Riga, der lettischen Hauptstadt geboren. Zu jenem Zeitpunkt zählte dieses Land zu der UdSSR und war demnach eine der vielen Sowjetrepubliken, die zentral vom fernen Moskau aus gesteuert wurde. 

Als dieses Staatenkonstrukt nach 1989  implodierte und durch das vom einstigen Staatspräsidenten Gorbatschow voran getrieben politische Öffnen gegenüber der übrigen Welt, zu einer de facto Reisefreiheit führte, muss es Juris nach Deutschland verschlagen haben. Zu den näheren Umständen konnte ich im Netz nichts erfahren.

Möglicherweise hat seine Tochter sich dazu in einem Artikel der " Ostsee Zeitung " konkreter geäußert. Wohl auch zu den Umständen, die dazu führten, wann, wie und warum Juris zur Musik gelangte und sich als Straßenmusiker verdingte. 

https://www.ostsee-zeitung.de/Mecklenburg/Rostock/Rostocker-Strassenmusiker-Juris-ist-tot-Tochter-erinnert-sich-an-ihn

Ich bin dem gebürtigen Rigaer während mehrerer Aufenthalte auf der Halbinsel Fischland - Darß - Zingst einige Male begegnet. Mehrfach sah ich ihn, wenn er in Prerow vor der Strandbrücke seinen vielleicht angestammten Platz eingenommen hatte und dort auf einem schon in die Jahre gekommenen Akkordeon ( Schifferklavier ) sowie einer nicht mehr ganz so neunen Posaune seine eingeübten Lieder vortrug. Vor ihm lag auf den Steinplatten ein aufgeklappter Instrumentenkoffer, dessen Schutzverkleidung aus Samt deutliche Verschleißspuren aufwies. Hier warf ich ich in schöner Regelmäßigkeit Euro - Münzen hinein, denn auf jenes " Klimpergeld " war der Musiker nun einmal angewiesen. Ehe selten lagen dort kleine " Scheine ", die jene Passanten abgaben, denen seine Musik gefiel, weil sie sie an ihre eigene Jugend / Kindheit erinnerte.

Zu Juris Lieblingsstücken zählte " Lili Marleen ", jenes Lied, das ab 1938 von der Chansoniere Lale Andersen gesungen, im II. Weltkrieg berühmt wurde. Er spielte diesen Evergreen auf seine eigene Art und bekam dafür den Applaus der Feriengäste. Auch die anderen Lieder aus seinem Repertoire zählten zu den bekannten Stücken aus der deutschen Geschichte. Juris spielte sie aus Überzeugung. Das kam gut an. Juris hatte sich wohl auch deshalb die deutsche Ostseeküsten  als seinen Aufenthalts - und Arbeitsort ausgesucht. 

Als ich vor mehr als 9 Jahren diesen Beitrag in meinem Blog eingestellt hatte, war ich der Meinung, dass der Straßenmusikant Juris Rutkovskis aus Litauen gekommen sei. Inzwischen habe ich dieses im Blog korrigiert.   

https://draft.blogger.com/blog/post/edit/8221564797470254880/2696433906038808631      

Zirka 9 Jahre später las ich im Netz dieses:         



Ein Bekannter hatte in einer Ausgabe der " Ostsee Zeitung " für den lettischen Musiker einen Nachruf aufgegeben. Ein Straßenmusiker zu sein ist ein Beruf und wiederum auch nicht. Eine Berufung ist es wohl alle Male auf der Straße Musik zu spielen. Doch ein regelmäßiges Einkommen lässt sich damit nicht erzielen. Und so ging der Straßenmusiker Juris Rutkovskis wohl so, wie er auf die Welt gekommen war?

Ich schlenderte in Richtung der Prerower Seebrücke und blieb vor jenem Platz stehen an dem die Straßenmusik von Juris erklang, wenn im Westen die Sonne langsam unterging und von den Ständen der Duft der angebotenen Speisen herüber waberte. Dieses Erlebnis wird es nun nicht mehr geben. Juris spielt nicht mehr.

  

BEGGAR´S OPERA  -  Nimbus  -  Waters Of Change  -  1971:












Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

" Eine Seefahrt, die ist lustig. " - nur nicht in den 60er Jahren zum AOK - Erholungsheim auf Norderney.

" Oh Adele, oh Alele, ah teri tiki tomba, ah massa massa massa, oh balue balua balue. " und die Kotzfahrt nach Wangerooge.

Was ist eigentlich aus dem Gilb geworden?