Fahrrad - Terror




Gestern war Mittwoch, der 22. September 2021. Bei so vielen Zweien hätte ein heiratsentschlossenes Paar doch glatt den Gang zu irgendeinem Standesamt in diesem, unserem, herbstlich gewordenen Lande, antreten können. Nur der 22.12. 2021 bietet hierfür noch eine Steigerung, denn in diesem Datum sind wahrhaftig fünf Zweien enthalten. Dieser Tag ist ebenfalls ein Mittwoch. Doch, wer schließt den Bund der Ehe schon so kurz vor Weihnachten? Keiner? Oder, wenn, dann nur aus steuerlichen Gründen? Weil alles Drumherum, einschließlich die liebe Verwandtschaft, längst auf das Weihnachtsfest eingestellt ist, könnte ein solches Paar mit hoher Wahrscheinlichkeit Gefahr laufen, weniger Hochzeitsgeschenke einzusacken. Wer will das schon? Wo diese Zeiten von vielen Mitleidenden so viel Entbehrungen abverlangen?

Der 22. 09. 2021 war das so genannte Bergfest in der letzten Woche des Darß - Urlaubs und es sollte noch mal ein recht sonniger und trockener Tag werden. Nachdem der davor liegende Dienstag uns beinahe Dauerregen beschert hatte. Ein Regenguss ließ den nächsten folgen. Dazu war es empfindlich kühl, obwohl nur ein mäßiger Wind ging. Der war dafür am Montag wesentlich kräftiger. Aber: Wir wollen uns nicht über das Wetter beklagen. Zumal dieses dem Urlauber an der See / Ostsee immer neue Überraschung bietet.

So entschlossen wir uns dennoch, einen weiteren Lauf von Prerow aus, über Teile des Darßer Waldes zum Weststrand in Richtung Leuchtturm zu starten. Dieses Mal waren wir mehr als eine Stunde früher dran. Früh genug also, um jene Invasion von Radlern, Wanderern und sonstigen Ausflüglern aus dem Weg zu gehen. Die Hoffnung, keine Beinahe - Zusammenstöße mit Fahrradfahrern riskieren zu müssen, weil diese auf den schmalen Waldwegen weder die eigene Geschwindigkeit, noch die Entfernung und schon gar nicht die Abstände zueinander erfassen konnten.

Bei den vielen Radlern hier ist es genauso, wie bei Autofahrern. Es gibt gibt darunter gute, weniger erfahrene sowie miserable Mobile. Radfahren ist eher eine reine Übungssache. Der Nutzer des Velos muss dieses nicht nur kennen, sondern auch beherrschen.  Auf die Mehrzahl der hier Radelnden trifft dieses wohl zu. Und gerade jene Erfahrenen unter ihnen nutzen dieses schamlos aus, um sich gegen die übrige Masse durchzusetzen. 

Da wird gnadenlos überholt, selbst wenn es die Situation nicht zu lässt. Da werden die simplen Vorschriften der Straßenverkehrsordnung bewusst missachtet, um sich gegenüber den anderen Fahrern und Fußgängern einen vermeintlich Vorteil zu verschaffen. Da wird hemmungslos geklingelt, wenn sich ein anderer Nutzer des schmalen Rad - und Wanderweges verdächtig unaufmerksam verhält. Solche so genannten " Rampen - Säue " gibt es überall. Ihr Auftreten ist dabei sehr unterschiedlich und es gibt sie in jeder Altersgruppe.

Dadurch sind Konflikte vorprogrammiert. Wird es dann auf den Straßen und Wegen noch richtig voll, steppt dort der Bär, fliegen nicht selten die Fetzen. Wenn Gleichgesinnte zeitgleich das Gleiche vorhaben, also eine Radtour starten möchten, weil das Wetter es zulässt, kann es richtig kuschelig werden.

Das ist auch hier in Prerow nicht selten der Fall gewesen. Dabei könnte jeder Sonnentag ein entspannter werden, wären die Radler und andere Urlauber bereit, ihren Plan von West nach Ost und von Süd nach Nord zu strampeln, um eine Stunde vorzuziehen. Doch: Hätte, könnte, wäre - Fahrradkette!

Wer in einer der zahlreichen Pensionen übernachtet und das hier angebotene Frühstück unbedingt mitnehmen möchte, um sich dann gestärkt auf die Tour gen Zingst, Weststrand / Leuchtturm, Ahrenshoop oder gar Dierhagen, aber auch umgekehrt, zu begeben, der wird mit dem großen Pulk der Radler mit zu strampeln haben. Dann heißt es Beine straffen, Pedale strapazieren und Lenker fest umklammern. Nein, diese diesjährige " Tour de Darß " wird bei so manchen Aktivurlauber einen bleibenden Eindruck hinter lassen haben. 

Auch wenn die reinen Sommermonate Juli und August vom Wetter her betrachtet, denn eher mäßig waren, so hat es die Urlaubssuchenden nicht davon abgehalten, ihren Aufenthalt wie geplant zu gestalten. Das hat die vielen Fahrradgeschäfte hoch erfreut, denn das Geschäft brummte. Nach den Einschränkungen im Frühjahr bis in den Mai hinein, gierten viele Bürger nach Erholung. Sie wollten einfach nur raus. Das ist verständlich, wenn Mann und Frau über Wochen zwangsweise aufeinander hocken mussten. 

Dass auch die Spätsommerzeit, somit das Hauptsaisonende und die Nachsaison eine derartige Masse von Touristen hier aufschlagen lässt, war bei näherer Betrachtung, eigentlich vorauszusehen. Gerade die älteren Urlauber scheuten jene, mutmaßlich zuvor favorisierten Ziele im Süden anzusteuern, denn dort wütete die Weltseuche unterbrochen. Die Reisebranche ächzte unter den daraus folgenden Beschränkungen. Deswegen ist sie über den diesjährigen Trend, den Urlaub im eigenen Land zu verbringen, hoch erfreut.

Doch was voll im Trend liegt, führt tatsächlich zu vollen Urlaubsorten. Weil viele Menschen den nur begrenzten Raum nutzen möchten und dabei noch das ansonsten eher stiefmütterlich behandelte Zweirad zum Hauptverkehrsmittel empor heben. Dadurch trifft Masse auf Minorität. Es gibt alsbald die üblichen Konflikte. Solche, die auch wir in den knapp 2 1/2 Wochen mehrfach erlebt haben.

Da sturmklingelte eine verbissen drein blickende, leicht übergewichtige Radlerin, so etwa in unserem Alter, einige - zugegebenermaßen - ungeschickt auf dem Deichradwanderweg sich bewegende Fußgängergruppe auseinander. Die brüllende Sturmklingel wurde von ihr binnen Sekunden gleich zwei Mal eingesetzt. Ich wich ein wenig auf den Rasen aus, der ja laut Vorschrift und Verbotstafeln nicht betreten werden darf. Aber, wohin soll ein so angeklingelter Passant denn noch ausweichen?

" Ist ja gut! ", rief ich. Ohne dass ich den  Radler / die Frau zunächst vor meine Augen bekam. Die schlängelte sich durch die Fußgängergruppe hindurch. Mit verbittertem, ja sogar bösem Gesichtsausdruck, im Vorbeifahren dieses zu mir hin gewandt, blaffte sie mich an.

" Sie sind gar nicht gemeint! Also, was regen Sie sich auf? ", lautete ihre Maßregelung. 

" Das hat da gar nichts mit zu tun! Wenn Sie hinter mir Sturm klingeln, kann ich Sie nicht sehen. Man kann hier die Durchfahrt auch nicht erzwingen, alte Tulpe! ", keifte ich wütend zurück. Ein Paar kurz hinter uns begann laut zu lachen. 

" So kenne ich dich ja gar nicht. ", gab meine bessere Hälfte zu bedenken. " Ist doch wahr! Was soll diese Bimmelei? " Wir schlenderten mit dem Pulk weiter in Richtung des Seebrückenwegs.

Einige Tage später befanden wir uns in vertauschten Rollen. 

Wir kamen von dem Aufgang 32 und hatten unsere Strandutensilien auf beide Fahrräder verteilt, mit Transportbändern gut auf den Gepäckträgern befestigt und waren dabei, auf den Sattel zu steigen. Vor uns bog ein älteres Paar vom rechtsseitig gelegenen Waldzeltplatz auf den Sandweg ein.

" Warte noch einen Moment! Die Alten da unten nehmen den ganzen Weg ein. Du warst eben zu langsam! ", sagte meine bessere Hälfte. Sie ahnte, dass der weißhaarige Mann irgendwie auf Krawall gebürstet war. 

Nachdem das Paar außerhalb unseres Sichtfeldes war, fuhren wir langsam los. Die abschüssige Strecke kann sowieso nur mit angezogenen Handbremsen befahren werden, weil der Sandboden keine Griffigkeit der Reifen zulässt. So dauerte es ein wenig, ehe wir den Scheitelpunkt der Kurve erreicht hatten. Vor uns ging das Paar. Der Knilch ging demonstrativ links an der Seite der Frau und versperrte so den Weg. Meine bessere Hälfte klingelte nur kurz. Er bewegte sich jedoch nicht. Wir mussten deshalb erneut abbremsen. Kurz vor dem Passieren des Paars blaffte der Kerl uns an: 

" Nun mal langsam hier! ", ging er meine bessere Hälfte an.

Die antwortete ihm sogleich mit: " Soll ich etwa über Sie hinweg fahren? "

Der Krawallo keifte zurück: " Dann muss man eben absteigen! "

" Wie soll ich dann wissen, wohin Sie gehen, wenn Sie mir den Rückenzeigen? ", antwortete meine bessere Hälfte. Das war ihm dann zu viel. Er brüllte uns an: " Immer dieser Fahrrad - Terror hier! "

Dann platzte mir der Kragen. Ich antwortete ihm laut stark: " Sie haben uns doch kommen gehört. Dann geht man ein Stückchen weiter rechts und nicht nebeneinander. Sie hat nur auf sich aufmerksam gemacht mehr nicht! "

" Fahren Sie einfach weiter! ", empfahl der Krawallbruder uns.

" Dass machen wir auch, alter Gipskopf! ", gab ich ihm noch mit auf seien Weg. 

Seiner Begleitung war der Auftritt des Mannes eher peinlich. Sie lachte ein wenig verlegen, als sie seitwärts des Sandweges weiter ging.

" So ein Arsch! Ich habe doch nur geklingelt, weil der wissen sollte, dass wir vorbei fahren wollen! ", rechtfertigte sich meine bessere Hälfte.

" Klar! Der hatte wohl Frust. Vielleicht wegen der Masse an Radlern hier. ", antwortete ich ihr.

So ist es also, wenn selbst ein rücksichtvoller Radfahrer auf einen genervten Spaziergänger trifft oder umgekehrt, ein frustrierter Radler versucht, sich seine freie Fahrt zu verschaffen und alles was vor ihm geht, steht und sich bewegt, weg zu klingeln versucht. 

" Fahrrad - Terror " pur, eben?   



DAMENBART  -  Bring´uns Frieden  -  Impressionen 71   -  1971:



         

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