Dierhagen im Herbst
Gestern haben wir ausnahmsweise das Auto zum Fortbewegen genommen. Nicht, weil wir auf die eher bequemere Weise von Prerow nach Dierhagen gelangen wollten, sondern weil der Tank des VW Buses, den wir uns von der Tochter ausleihen konnten, nahezu leer, war. Nach mehr als 900 Kilometern zurück gelegter Strecke, war demnach eine neue Diesel - Füllung angesagt. Bei einem angezeigten Preis von 147 Eurocent je Liter, kein günstiges Vergnügen. Aber: Urlaub 2021 gibt es nur ein Mal. So summierte sich der zu bezahlende Betrag locker, flockig auf satte 105 Euro. Boah, so viel hatten wir für einen vollen Tank noch nie bezahlt.
Von der Shell - Station aus fuhren wir mit der Karawane auf der L 21 weiter in Richtung Westen, dorthin, wo das Dreigestirn der Halbinsel Fischland - Darß - Zingst zunächst immer schmaler wird und nach zirka 40 Kilometern an das Festland andockt.
Hier liegt Dierhagen.
Das seit 1998 staatlich anerkannte Seebad zählt zirka 1.600 Einwohner. In den Sommermonaten, in der Hauptferienzeit, vermutlich mindestens das 2 bis 4 fache. Neben der Vermietung der üblichen Ferienwohnung, existieren hier einige Hotels, Pensionen sowie ein Zeltplatz.
https://de.wikipedia.org/wiki/Dierhagen
Seit unserem ersten Aufenthalt vor 10 Jahren hat sich der Ort ständig verändert. Es wurde auch hier sichtbar für die Haupteinnahmequelle, den Fremdenverkehr, gebaut. Weshalb nicht nur weitere Unterkünfte / Häuser entstanden, sondern auch neue Wege und Straßen.
Beim Fußmarsch zum Strandaufgang des Ortskernes, innerhalb dessen Verlauf sich die bekannten Geschäfte, Restaurants und Buden befinden. kamen wir gleich nach dem Queren der beampelten Straßenkreuzung an dem Zeltplatz Dierhagen vorbei. Die gesamte Anlage sieht im Vorbeigehen betrachtet arg herunter gekommen aus. Schon allein die Halbruine auf dem benachbartem Grundstück wirkt wie aus einer anderen Zeit. Interesse halber googelte ich zu jenem Platz im Netz und fand dabei unseren Eindruck mehr als bestätigt.
Wir gingen an der Ernst - Moritz - Arndt - Straße weiter und gelangten in die Nähe der Investruine, deren Aufbauten an eine Sport - und/oder Tennisanlage erinnern. Aus Artikeln der " Ostsee Zeitung " geht hervor, dass der ehemalige Eigentümer, ein Bauunternehmer aus Ribnitz - Dammgarten die seit den Nullerjahren herunter gekommene Anlage Zug um Zug gegen Rückzahlung des vormals entrichteten Kaufpreises von nur 185.000 €, lastenfrei zurückzugeben hat.
Nicht nur der aufgeblasene Wessi, der nach der so genannten Wende in die Gebiet der einstigen DDR einfiel, um sich dort auszutoben, zählt zu der Unzahl von Pleitiers, die in der Tat manch blühende Landschaft zurück ließ, sondern auch der Hasardeur aus den eigenen Reihen hat hierzu beigetragen.
Wir bewegen uns weiter in Richtung Dierhagen - Strand und kommen an dem " Sommerkino Blinkfeuer " vorbei. Auch jenes Gebäude hat wohl seine besten Tage hinter sich.
Nachdem wir die Straße in Höhe des ansehnlich angelegten Gebäudes der Kurverwaltung über quert hatten, wurden die bebauten Grundstücke entsprechend besser. Jener spezielle Charme aus den DDR - Zeiten, in denen noch die letzte Hundehütte an den Urlauber vermietet werden konnte, verflog alsdann.
Die mit den üblichen Verkaufsständen, kleineren Geschäften und Eis - sowie sonstigen astronomischen Einrichtungen versehenen Flächen bis zum Strandaufgang zeigten uns, worauf es auch hier ankommt: Der zahlungswillige Besucher soll für Umsatz sorgen. Der bleibt indes bei dem recht kühlen Herbstwetter überwiegend aus.
Der Strand war diesem Wetter entsprechend nahezu leer. Nur einige Strandkörbe standen mit, dem spürbare Wind Trotzenden, herum. Die Mehrzahl dieser gewichtigen Schutzeinrichtungen war längst hinter einander gestellt und zum Abtransport bereit, einige Meter neben uns im Sand.
Der Sommer kam, brachte Regen und ging auch hier sehr schnell vorbei.
Wir drehten um und traten den Rückweg an. Nach dem Passieren der - nochmals - wahrhaftig herunter gekommenen Gebäude und vermüllten Grundstücke, gelangten wir zum Parkplatz des Einkaufscenters. Wir entschlossen uns aus dem Fischgeschäft frischen Zander mitzunehmen. Die Preise für Ostseefisch haben sich seit unserem ersten Aufenthalt in Dierhagen beinahe verdreifacht. Fisch ist seit einigen Jahrzehnten längst kein " Arme - Leute - Essen " mehr, sondern eher ein hochpreisiges Edel - Nahrungsmittel geworden. Die Überbevölkerung des Planten und jene einher gehende Überfischung der Fanggründe zeigt sich anhand der Preisschilder. Immerhin waren wir mit 13€ bei zirka 700 Gramm Zander noch gut bedient. Vergleiche mit den Fischgerichten in der hiesigen Gastronomie sind zwar unredlich, führen jedoch unweigerlich dazu, festzustellen, dass bereits ein Fischessen mindestens 4 € mehr kostet und dabei nicht einmal die Hälfte des jetzt erworbenen Fisches auf dem Teller liegt. Aber, dieses sind nur Nebensächlichkeiten bei unserem Darß - Aufenthalt.
Eigentlich soll der Erholungsfaktor die Hauptrolle spielen, womit klar ist, dass es dieses nicht zum Nulltarif uns ebenso wenig auf der Basis der " All inclusive " - Philosophie geben kann. Wer hierher reist, möchte einen Teil der zur Verfügung stehenden Zeit als Aktivurlaub verstanden wissen. Dabei muss es nicht immer Radfahren sein, um sich in Bewegung zu halten. Ein längerer Gang entlang der Strandseite tut es jedoch auch. Und die kosten bekanntlich ein wenig Kraft, aber dafür kein Geld, denn der Kilometer lange Sandstrand ist nicht privatisiert.
Das trifft natürlich auch auf Dierhagen zu.
Wir schlendern zu dem Verkaufsstand des regionalen Erdbeerhofs. Eine ältere Frau, eine Verkäuferin aus der Nähe, freut sich über unseren Besuch. Das bringt zumindest einen kleinen Umsatz. Wer kauft schon Erdbeeren Mitte September für 7,50 € je Kilogramm? Wir wissen aber, dass diese äußerst lecker schmecken. Auch im vergangenen Jahr haben wir dort einige Male Erdbeeren gekauft und wurden nie enttäuscht.
Nach etwa 4 Stunden beenden wir unseren Dierhagen - Besuch und resümieren später, dass der Ort eben auch 10 Jahre älter geworden ist und sich deshalb verändert hat.
THE KINKS - Lost And Found - Think Visual - 1986:
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