Morgen! Morgen! Strandwetter?





Tag Zwei unseres Darß - Aufenthalts. Heute Morgen waren wir joggen. Leider kam unserer Einsatz zur Vermeidung eines Daueraufenthalts beim Arzt etwas zu spät. Als wir gegen 9.00 Uhr von der Fewo zur Deichkrone starteten, um den Fuß - Radweg in Richtung Zingst zu nutzen, waren wir längst nicht alleine. Mittlerweile hatten sich Hunderte aus der stark vertretenen Fraktion der Eisgrauen auf den selben Weg gemacht. Tja, da wurde es denn langsam ein wenig eng. Immerhin absolvierten wir die zirka 8,5 Kilometer lange Wegstrecke ohne Blessuren und dieses trotz der erdrückenden Übermacht der Rad fahrenden Gleichgesinnten, die ein wenig irritiert drein schauten. Okay, bei Kampfgewichten von mehr als 100 Kilogramm, fällt es schwer, an sich selbst zu glauben. Somit kommt bei jenen Aktivisten nur das Sich - Bewegen auf dem Drahtesel in Betracht.

Nach dem Brunch sattelten wir dann unser Rad und fuhren zum Strand.

Und, siehe da, es war die richtige Entscheidung, denn die Sonne lachte uns bei nahezu Wolken losem Himmel und 21 Grad sowie einer Wassertemperatur von - nur - 17 Grad, von oben an. Während wir auf den Campingstühlen sitzend, dabei die Seele baumeln ließen, erinnerte ich mich an einige Erzählungen meiner besseren Hälfte, die sich rund um den Ostsee - Urlaub zu DDR - Zeiten drehten. 

Die Schwiegereltern - inzwischen längst verstorben - zählten in jenen 1970er Jahren zu den Privilegierten der DDR - Gesellschaft. In der - entgegen der SED - Lesart - das Geld sehr wohl eine große Rolle spielte. Daneben waren es aber insbesondere Beziehungen, die dazu dienten, überhaupt einen der heiß begehrten Plätze und eines jener raren Unterkünfte an der Ostsee zu bekommen. Den Eltern gelang dieses indes mehrere Male. Und so zuckelten sie zusammen mit Hunderttausend anderen Urlaubern aus dem anderen, dem sozialistischen Vaterland, in Richtung Kühlungsborn, Darß, Rügen, Usedom bis Hiddensee. Hier verbrachten viele jene zwei bis drei Wochen unter eher bescheidenen Umständen. 

Die Einheimischen vermieteten das letzte Loch, um gegen Ostmark jene urlaubenden Landsleute

 unterzubringen. Besser Quartiere, wie beispielsweise jene " Finnhütten " der Ost - Berliner, konnten nur gegen Bares, viel DDR - Mark und Schlüsselübergabe in der Hauptstadt der DDR ergattert werden. Dennoch gelang es den verstorbenen Schwiegereltern immer wieder, eine derartige Unterkunft zu erhalten. Mit einem bis über das Autodach hinaus gehend, voll gepferchten " Trabbi " oder " Lada " ging es dann ab Anfang Juli in Richtung Ostsee.

Dort heile angekommen, bezogen die Dresdner Eltern das Quartier. Bereits am folgenden Morgen zelebrierte die Schwiegermutter ein nahezu identisches Schauspiel. Sie betrat den eher winzigen Raum, in dem sich die übrigen Familienangehörigen längst eingefunden hatten, um hier das Frühstück einzunehmen. Dabei kamen ihr beinahe jeden Tag die gleichen Worte über die Lippen: " Morgen! Morgen! Strandwetter? "


Schwiegermutter hatte es dabei nie kapiert, dass ein sonniger früher Morgen nie gutes Wetter am Tag versprach. Ganz im Gegenteil: Nach kurzer Zeit trübte es sich ein und aus einem Wolken verhangenen Himmel begann es über Stunden zu regnen. Mit dem begehrten Strandwetter war es nichts mehr. Enttäuscht zog sich Schwiegermutter zurück. Sie musste den Tagesplan radikal umändern.

Wenn aber tatsächlich Strandwetter vor herrschte, zog es Schwiegermutter sofort und über Stunden dort hin. Schließlich wollte sie, wie viele andere auch, braun gebrannt nach Hause ( nach Dresden ) zurückkehren, um dort bei den Verwandten, den Kunden der Annahmestelle einer chemischen Reinigung, glänzend dazustehen. 

Schwiegermutter war während des Ostseeurlaubs so gepolt, wie Hunderttausend andere DDRler auch. Sie fütterte die an den Stränden herum lungernden Möwen. Es waren einst Tausende. So hob sie bei den Ausflugsfahrten mit den DDR - Rostlauben auf dem Deck stehend ihren rechten Arm, um ein Stück Brot aus ihrer Hand gleiten zu lassen. Dabei stellte sie sich eher ungeschickt an, wodurch die gefräßigen Möwen, im Sturzflug auf sie zukamen und die übrigen Passgiere ihre Köpfe einziehen mussten.

Während eines Ostseeurlaubs geriet Schwiegermutter in eine heikle Situation. Sie hatte sich vom FKK - Strand aus, auf eine Gummi - Luftmatratze gelegt und ließ sich von dem seichten Wellengang treiben. Dabei schlief sie ein. Sie trieb mit der Luftmatratze unaufhaltsam in Richtung des Textilstrandes. Plötzlich wurde sie von der über leistungsstarke Lautsprecher unterstützten Stimme der Rettungswacht geweckt. Diese forderte nun Schwiegermutter auf, wieder an den textilfreien Bereich zurück zu schwimmen. Über dieses Missgeschick wurde von der übrigen Familie schallend gelacht.

So weckt der Darß bei meiner besseren Hälfte jedes Mal jene Erinnerungen, die sich auf die wenigen Jahre beziehen, in denen sie mit ihren Eltern gemeinsam den Urlaub verbrachte.

" Morgen! Morgen! Strandwetter? " 

Heute war es tatsächlich so und auch in den kommenden Tagen könnte es so bleiben. Schön!


BLAST FURNACE  -  First And Last  -  1971:





Kommentare

Octapolis hat gesagt…
Der Darß - immer eine Reise wert! ;o)
Viel Spaß noch!

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