Die geschmolzenen Musikkassetten in Fes´.


Der Sommer 1975 war nicht nur in den südlichen Ländern Europas besonders heiß; auch in Mitteleuropa wurden Temperaturen von über 30 Grad gemessen. Als ich mich in der 2. Juliwoche mit einigen Bekannten zu einem 14tägigen Spanien - Urlaub auf den Weg machte, herrschten solche Plusgrade. Auch in der Nacht waren beinahe 20 Grad und mehr keine Seltenheit. Da stellte sich auch die Frage, warum in den Süden fahren, wenn es in den heimischen Gefilden auch sommerlich warm bleibt?

Das Quartier and er Costa Brava im mehr als 1550 Kilometer entfernten L´Estratit war jedoch schon Monate vorher gebucht und einen Rückzieher wollte ich nicht machen, weil das in meinem damaligen Bekanntenkreis nicht so gut angekommen wäre. 

So fuhren wir denn Mitte Juli 1975 los und kamen nach zirka 14 Tagen wieder. Ein wenig frustriert war ich vom Urlaub in heißen Spanien schon, denn mit vier weiteren Jungmännern loszufahren, bedeutete auch, dass es hier und da Reibereien gab. Zumeist waren es Nichtigkeiten, doch es nervte bereits nach einer Woche.

Ganz anders erging es einem Bekannten aus dem Dorf Ahnsen,, das zur Samtgemeinde Eilsen zählt. Der in etwas Gleichaltrige Martin P., dessen Vater Lehrer in Bückeburg war, machte sich einige Tagen nach uns auch auf den langen Weg in Richtung Spanien. Allerdings hatte er ein anderes Reiseziel ins Auge gefasst. Er wollte mit seinem bereits betagten Opel Kadett Nordafrika bereisen.

Es vergingen noch einige Wochen nach unserer Rückkehr aus dem zirka 1.500 Kilometer entfernten L´Estratit als ich zufällig den Ahnser Lehrersohn wieder traf. Er setzte sich mit an unseren Tisch im " Minchen ", einer Kneipe, in der ich regelmäßig einige Schulkollegen traf. Wir tauschten einige Urlaubserlebnisse aus. Während der Plauderei hörte ich dann von jenem Martin P., dass er in Marokko und Algerien war. 

Warum er ausgerechnet in diesen nordafrikanischen Ländern einige Wochen verbringen wollte, war mir damals nicht so ganz klar. Später dann konnte ich mir einen Reim darauf machen. Er wählte diese beiden Länder aus, weil sie besondere Unwägbarkeiten während der mehr als 2.700 Kilometer langen Reiseroute mit sich brachten. Die Fahrt dauerte 2 Tage ( einschließlich der Fähre von Tarifa Hafen  / Spanien - Tanger Ville ( Marokko ).

Wie und wo er möglicherweise übernachtet hatte, erzählte mir P. nicht. Es schien ihm eher belanglos zu sein. Auch weitere Einzelheiten zu seinem Aufenthalt kamen, wenn überhaupt, nur bruchstückhaft von ihm herüber. Dass es sehr heiß in jenen Juli - und Augusttagen dort war, schilderte er mir aber schon. Es herrschten tagsüber Temperaturen von beinahe 40 Grad. Dieses war für mich ein immer unerträgliches Szenario. Zumal ich mir anhand meiner eigenen Urlaubserlebnisse lebhaft vorstellen konnte, dass solche Hitzetage den gesamten Aktionsradius eines Urlaubers einschränken.

Wie dem auch gewesen sei, damals, also in 1975 muss es auch dort der heißeste Sommer seit Jahren und danach gewesen sein. Erst 1984 wurden in Marokko ähnliche Temperaturen gemessen. Da macht nicht nur das Autofahren keinen Spaß mehr. Dennoch hatte P. einst den festen Plan bei dieser brüllenden Hitze weiter nach Fes´zu fahren. Dort parkte er dann irgendwo seinen Opel Kadett in der prallen Sonne. Als er nach Stunden zu dem weiß lackierten Opel zurück kam, waren die auf dem Cockpit in einem Halter eingelegten Musikkassetten allesamt geschmolzen. Er musste sie entsorgen. Und just darüber beklagte er sich in unserem Gespräch. Denn auf den Bändern hatte er Lieder und ganze LPs unter anderen von " Genesis " aufgenommen gehabt.

Ich tröstete ihn. Diese Platten hätte er auch bei mir wieder aufnehmen können. Doch dazu kam es nicht mehr. P. musste schon bald für die Abiturprüfung, die im Frühjahr des folgenden Jahres anstand, lernen. Wir verloren uns aus den Augen. Deshalb konnte ich ihn auch nicht weiter zu dem Grund für einen Marokko - Urlaub befragen. Von der Annahme, dass es dort billig " Shit " zu kaufen gab und er deshalb dort hin gefahren sein könnte, bin ich später zwar abgerückt, doch mehr als 46 Jahre danach bin ich längst davon über zeugt, dass er und sein Begleiter deswegen in den nordafrikanischen Staat gefahren sind.

Nun, heutzutage dürfte dieses wohl kaum ein Grund sein. Das Land ist eher dafür bekannt, dass die Urlaubermassen dort systematisch abgezockt werden. Zudem ist die all gegenwärtige Gefahr gegeben, Opfer eines dreisten Raubes, Diebstahls oder Einbruchs zu werden. Die Armut ist überall sichtbar. Die Kriminalität deshalb hoch. Aber, Musikkassetten werden dort nicht mehr in einem vollkommen überhitzten PKW dahin schmelzen, weil diese längst mit überwiegend funktionierenden Klimaanlagen ausgestattet sind. Und Autoradios mit Kassettenabspielgeräten gibt es nur noch in Newtimern.


JULIE DRISCOLL, BRIAN AUGER & TTINITY  -  Road To Cairo  -  1968:


 

     

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

" Eine Seefahrt, die ist lustig. " - nur nicht in den 60er Jahren zum AOK - Erholungsheim auf Norderney.

" Oh Adele, oh Alele, ah teri tiki tomba, ah massa massa massa, oh balue balua balue. " und die Kotzfahrt nach Wangerooge.

Was ist eigentlich aus dem Gilb geworden?