Heidrun M. aus Heeßen, der Tannenhof und die mobile Disko " Peace In My Heart "


Vor einigen Tagen hörte ich eher beiläufig mal wieder bei meinem weiteren Lieblingssender " Radio Bremen Eins " hinein. Es lief die Sendung " Grüße und Musik ", die der Bremer Sender werktäglich ab 18.00 Uhr bis 20.00 Uhr Hörer - Musikwünsche ausstrahlt. An jenem Abend gehörte zu der Wunschliste ein Titel aus den frühen 1970er Jahren, der einst von der Pop - Truppe " The Sweet " veröffentlicht wurde: " Teenage Rampage ".  

Okay, wie nahezu alles im Leben, ist auch Musik Geschmackssache. Und meinen Musikgeschmack treffen jene Songs der Popgruppe " Sweet " noch immer nicht, obwohl die Band sich 1981 auflöste und ihre Hits damit mehr als nur Oldies sein dürften. Hinzu kommt, dass drei der vier Bandmitglieder längst verstorben sind https://de.wikipedia.org/wiki/The_Sweet  ).

Aber, dieses hier nur so ganz nebenbei.

" The Sweet "? Das erinnerte mich denn auch an eine Zeit in den frühen 1970er Jahren, als ich so meine ersten zarten Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht machen durfte. Die Truppe um den gebürtigen Schotten Brain Connolly warf nach dem Lied " Co - Co " ( beliebter Refrain zum Mitgröhlen auf der Tanzfläche war dabei: "  Hotchi - Ka - Ka O- Hotchi - Ka - Ka - O- Co - Co, Co - Co ! " ) eine Vielzahl von durchaus erfolgreichen Singles auf den Plattenmarkt, dass hieß natürlich schon damals, dass die sich sodann sehr gut verkauften. Okay, dass diese blondierten Buntspechte meiner Vorstellung von dem, was ich als Musik definierte, nicht einmal ansatzweise entsprachen, lasse ich jetzt hier als unerklärt stehen.

Connolly´s Mannen turnten mich wohl auch deshalb völlig ab, weil alle Jungmannen und Dorfschönheiten aus meinem Umfeld sie " toll " fanden. Ich hatte schon in jenen Tagen nicht die Ambitionen, mich im Strom der musikalischen Beliebigkeiten einzureihen, nach den tänzerischen Balzritualen eine Dorfpommeranze zu angeln, hiernach auf Weiblein und Männlein zu machen, mich dabei aus dem Disko - Dunstkreis zu verabschieden und irgendwann Heiratsgelüste zu aktivieren. " The Sweet " waren für mich keineswegs " süß "; schon gar nicht ihre poppige Musik.

Bei meiner erstmaligen Lebensabschnittsgefährtin, einer Heidrun M. aus Heeßen ( so wie ich auch ), war ich mir nie so richtig sicher, ob sie das auch so sah. 

Ich lernte sie ein wenig näher nach meiner Schulentlassung im April 1969 kennen. Genauer gesagt und soweit ich mich noch daran erinnern kann, könnte es im Sommer 1970 gewesen sein. Ich quälte mich im 2. Lehrjahr bei der Firma Herm. Altenburg, einem Eisenwaren - und Sanitätsgross - sowie - Einzelhandel in Bückeburg herum. Nee, die Lehre machte mir bereits zu dieser Zeit überhaupt keinen Spaß mehr. Aus der Ödnis des täglichen, eher werktäglichen ( von Montag bis Samstagmittag ) hervor gehenden Einerlei, traf ich Heidrun M. dann irgendwann in der Schulstraße der ehemaligen Residenzstadt. Sie war mit einer weiteren Auszubildenden der damaligen Rechtsanwalts - und Notariatskanzlei Pilz & Schraepler unterwegs. Auch sie ließ sich dort ausbilden und zwar zur Rechtsanwaltsgehilfin. 

Sie war - auf einen Nenner gebracht - eine Leidensgenossin, denn ihre Ausbildungsvergütung lag in etwa in dem Bereich, denn ich im zweiten Lehrjahr erhielt. Es waren so um 120 DM. Hiervon musste auch sie bei ihrer Mutter knapp die Hälfte als Kostgeld abgeben. Das war damals durchaus noch üblich, wenn das Elternhaus sich eher in bescheidenden sozialen Verhältnissen bewegte. Das traf für ihre geschiedene Mutter, die mit ihr in einer günstigen Wohnung an der Heeßer Hauptstraße wohnte, alle Male zu.

Heidrun M. war zirka ein Jahr jünger als ich. Weshalb auch sie die Möglichkeit erhielt, nach ihrem Volksschulabschluss, umgehend eine Berufsausbildung aufnehmen zu können. Auch sie konnte sich die Fachrichtung dabei sogar auswählen. Freie Ausbildungsstellen gab es in Bückeburg zu genüge. Es herrschten nahezu paradiesische Zustände; selbst für diejenigen Jugendlichen, die nicht gerade die schulischen Überflieger waren ( so wie ich ).

So quälten sich nicht nur Heidrun M. aus Heeßen und auch ich durch drei Jahre Lehrzeit, die ja keine " Herrenjahre " sein durften, weil es Rechte nur für den Ausbildungsbetrieb gab und zudem eine andere Vorstellung von dem, was Über - sowie Unterordnung in der Gesellschaft vorherrschte, das Duckmäusertum unter uns Lehrlingen förderte. Zudem sind wir einst dank der präfaschistischen Erziehung in der Schule sowie dem Elternhaus mit einem minimalen Selbstbewusstsein ausgestattet worden. Ein Lehrling wehrte sich nicht gegen Unterdrückung, Schikanen und Erniedrigungen, sondern ließ dieses über sich ergehen. Er flüchtete eher in seine eigene Welt, in der er mit Seinesgleichen nach Abwechselung aus der Tristesse des Alltags suchte.

Die wenigen Freizeitmöglichkeiten in der Provinz machten dieses allerdings sehr oft nicht so einfach. So erbaute ich meine kleine Welt, mein Mini - Kosmos, in dem selbst eingerichteten " Beatkeller " bei den Eltern, in dem ich - nicht selten - allein meine Pop - und später Rockmusik hörte. Hieraus entstand irgendwann die Idee, eine eigene mobile Diskothek aufzubauen. Diese konnte ich dann in den frühen 1970er Jahren zusammen mit einem jüngeren Auszubildenden aus der Nachbarschaft verwirklichen. Er lernte in einem Bückeburger Betrieb den Beruf des Elektrikers uns wusste somit etwa über Technik und mutmaßlich über elektrische Geräte. Er baute diese aber nicht selbst zusammen, sondern luchste seinem Stiefvater, der einen Bauernhof in Bad Eilsen bewirtschaftete, über entsprechende Einflussnahme über seine Mutter, die erforderliche Kohle aus der Tasche. Zudem musste er nicht - so wie ich - Kostgeld an die Eltern abführen.

Nun, wie dem auch damals war, Wolfgang S. - so heißt der Lehrling - kaufte sich nach und nach zwei " Quelle Universum " - Verstärker, zwei Plattenspieler, ein Mischpult und ein Mikrophon und schuf hiermit die Grundlage für die " Mobil - Diskothek ". Ich hatte nüscht, steuerte aber die Platten ( zumeist Single mit Titeln aus den aktuellen Hitparaden ) bei. Wir nannten dann das Projekt in Anlehnung nach einem Lied der verstorbenen US - Sängerin Janis Joplin  " Piece of my heart ".  

Weil in der niedersächsischen Pampa, wozu auch der Landkreis Schaumburg zählte, damals für Jugendliche nix geboten wurde, tingelten wir mit unserer " Peace in my heart "- Mobil - Disko und spielten unter anderen in den Räumen der Evangelischen Kirchengemeinde Bad Eilsen auf.

Zwischenzeitlich kamen Heidrum M. aus Heeßen und ich uns näher. Tja, meine ersten zarten Anbandelungsversuche mit Mädchen aus der Schule verliefen zunächst eher ernüchternd. Das lag an vielen Dingen. Wohl auch daran, dass ich nach kurzer Zeit das untrügliche Gefühl hatte, eine solche Verbindung schränkte meinen Drang nach dem, was einst Leben und Erleben ausmachen sollte, zu sehr ein. Dass ein pubertierender Jugendlicher kein Mädchen vom Küssen schwängern konnte, wusste ich mittlerweile anhand der Aufklärungbeiträge aus dem Organ der Teenager der 60er ff., der " BRAVO ". Doch, was sonst noch aus einem zarten Annäherungsversuch heraus kommen konnte, war mir unbekannt.    

Irgendwann verbrachten Heidrun M. und ich dann mehr Zeit miteinander. Wir trafen uns ab und zu in den Mittagsstunden und regelmäßig an den Wocheneden. An einem jener Samstage hatte sie einen Disko - Besuch im " Tannenhof ", einer eher als Dorfschenke ausgebauten Gaststätte mit einem ehemaligen Tanzsaal, der an den Wochenenden zu einer Disko umfunktioniert wurde. Eine Arbeitskollegin, deren Freund längst einen Führerschein und ein eigens Auto besaß, kutschierte uns zu dem Lokal, dass in Uchtdorf, einst einem Dorf bei Rinteln, das inzwischen an die Stadt angegliedert wurde, liegt. Das Lokal existierte nach meiner Recherchen heute noch.

Nun, der Abend dort war ganz nett; die dort gespielte Musik aber eher nicht meinem Geschmack entsprechend (  https://lobster53.blogspot.com/2014/09/der-tannenhof-in-uchtdorf-marc-bolans-t.html ).

Die Wochen vergingen, wir hatten mit den Vorbereitungen zu unserem Projekt " Mobil - Disco " Peace in my heart " viel zu tun. Der Sommer verging.  Mit ihm entschwanden jene Lieder, die ich bei den regelmäßigen Besuchen bei Heidrun M. im Heeßer Oberdorf  aus dem Radio und einem Tonbandgerät zu Gehör bekam ( https://www.chartsurfer.de/musik/single-charts-deutschland/jahrescharts/hits-1971/top-100 .

Mit zunehmenden Aktivitäten für das eigene Disko - Projekt erkaltete die Zuneigung zu jener jungen Dame aus dem Wohnort ein wenig. Irgendwann trafen wir uns im Herbst 1971 zufällig morgens im überfüllten Bus von Bad Eilsen nach Bückeburg. Heidrun M. begann zu lästern und klopfte flotte Sprüche gegen mich. Das war´s!  

Bei unserem ersten Auftritt in dem Saal der evangelischen Kirchengemeinde war es rappelvoll. Auch Heidrun M. war anwesend. Ich beachtete sie nicht, schenkte ihr keinen Blick, wechselte mit ihr kein einziges Wort. Sie war geknickt und beschwerte sich später bei meiner Schwester über mich. Spätestens dann musste ihr klar gewesen sein, dass ich keinen Bock mehr auf sie hatte.

" Tannenhof " hin, erste feste Freundin her, ich hatte andere Pläne. Ich hörte andere Musik und ließ mir deshalb die Haare länger wachsen. Nix da, mit Neil Diamond, Waldo de los Rios oder " The Sweet ", " T - Rex ", " CCS " und wie sei alle hießen.

Wir verloren uns bald aus den Augen. Ich quälte mich durch das letzte Jahr meiner Einzelhandelskaufmannsgehilfenlehre und ging ab April 1972 zum Barras. 1974 begegneten wir uns dann ab April 1974 wieder. Die junge Dame aus Heeßen, inzwischen fest liiert, besuchte mit mir die Berufsaufbauschule in Stadthagen. Während ich den Fachschulabschluss ablegte, verließ Heidrun M. die Klasse wieder. Warum, kann ich heute nicht mehr sagen. Vielleicht hatte sie eingesehen, dass Schule dann doch nichts für sie ist?

Radio Bremen Eins dudelte den nächst Wunschtitel ab. Alles eher softige Stücke. Na, ja, bei der Vorbereitung für das Abendessen reicht es gerade so, um ein wenig unterhalten zu werden. Ich hätte lieber das Programm von " Krautrock World.de " eingeschaltet. Doch da macht meine bessere Hälfte nicht mit. Okay, muss auch nicht sein. Schließlich leben wir nicht mehr im Jahr 1971 und " The Sweet " gibt es auch längst nicht mehr. Die Süßen, die! 👻


TEN YEARS AFTER  -  My Baby Left Me "  -  Watt  -  1970:





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