Mit Anna Clauß maßlos in München
Ich bin ja bekennender " SPIEGEL " - Leser. Und dieses seit annähernd 48 Jahren. Einst, also so im Frühjahr 1974, kostete das Nachrichtenmagazin aus der Freie Hansestadt Hamburg 2,50 DM. Das waren im Monat mindestens 10 DM; im Jahr somit 130 DM. Nun, ich war Schüler mit einem von Seiten der Eltern beeinflussten BaföG - Satz, der allenfalls 160 DM betrug, denn die Differenz zu 310 DM Monatssatz musste ich zuhause abgeben ( das nannte sich Kostgeld ).
Demnach kaufte ich 52 " SPIEGEL " - Ausgaben zu einem Betrag, der in etwa einen Monat Rest - BaföG entsprach. Für mich viel Geld, aber es lohnte sich, denn der " SPIEGEL " war das " Kampforgan " der Linksliberalen und Linken ( hiervon partizipierten jedoch nicht alle, denn das Magazin wurde ja unter kapitalistischen Produktionsmethoden und durch bourgeoise Macher / Herausgeber angeboten ).
Okay, das ist nun sehr lange her. Aber nicht so lang, dass es mir nicht mehr in Erinnerung geblieben ist.
Inzwischen kostet der " SPIEGEL " als Einzelausgabe satte 6,10 Euro. Das sind umgerechnet - zirka - 12,10 DM; mithin das mehr als 4, 5 fache von anno 1974. Und...?
Alles wird ist und bleibt eben teurer und journalistische Qualität hat auch seinen Preis. Und doch frage ich mich manchmal, was aus dem Qualitätsmedium seit jenen Kampfestagen geworden ist?
Gab und gibt es nicht hier und da ein Qualitätsverlust, wenn ich in den frühen Morgenstunden mir gut ein halbes Dutzend Artikel zu Gemüte führe,; dabei mindestens eine Katze auf dem Schoss liegen habe und einen Pott frisch gebrühten Kaffee vor mir steht?
Ja, aber! Ja, ich sach´ma´, ich denke zu glauben, so einige Beiträge aus den Ausgaben der letzten 10 Jahre, in denen der " SPIEGEL " in schöner Regelmäßigkeit von Jahr zu Jahr teurer wurde, wirklich nicht das berühmte Gelbe vom Ei waren. Ich will nicht den geschassten Berufsschwafler Relotius wieder aus der Gruft holen, aber dann und wann las ich ähnliches Geschreibsel, über dessen Sinnhaftigkeit mir dann doch arge Zweifel kamen.
Auch schwarze Gedanken fanden sich seit vielen Jahren in einigen Artikeln wieder. Falsche Begrifflichkeiten wurden ebenso abgedruckt, wie auch Kritiken von nicht gerade feiner hanseatischer Art. Ist der " SPIEGEL " nun längst ein Blatt der Beliebigkeiten geworden? Eher, nein! Aber: Ausnahmen gibt es hier und da. Und zu den fragwürdigen Beiträgen des Qualitätsblatts zählen die Ergüsse einer Dame, die unter der Rubrik " Die Da Unten " ihrer geistigen Verwirrung freien Lauf lassen darf. Neben dem exzellenten Journalisten Markus Feldenkirchen ( " Der Gesunde Menschenverstand " und dem Pendant auf CDU / CSU naher Seite Alexander Neubacher, darf nun Frau Anna Clauß ihre Sicht der Dinge im Hamburger Nachrichtenmagazin darlegen.
Schön! Nur: Was will die Künstlerin uns mit ihrem Beitrag in der letzten " SPIEGEL " - Ausgabe eigentlich sagen?
Vielleicht, dass ein Münchner " Frühlingsfest " auf der Theresienwiese eben in den Zeiten des Mordens durch Putins Schergen in der Ukraine, eher als Kollateralschaden einzuordnen wäre, denn nach Feiern dürfte auch im Bier seligen Freistaat keinem Einheimischen bis Zugereisten zumute sein? Und auch das alsbald drohende Massenbesäufnis " Münchner Oktoberfest " droht angesichts der Kriegsgeschreie in Ost und West in eine Ecke der Bedeutungslosigkeit abgelegt zu werden. Was nichts anderes heißen könnte, dass der Bierpreis hier wie da nahezu eine Marginalie wird und zudem als Luxusproblem abzutun wäre?
Soweit kann ich der Frau Clauß noch gerade noch folgen. Doch, was sie hieraus an Rückschlüssen aufs glänzendem " SPIEGEL " - Papier abdrucken lässt, ist nicht nur hanebüchener Unsinn, sondern erfüllt für mich als " SPIEGEL " - Oldie den Tatbestand der Körperverletzung. Da schreibt die gute, immerhin schon 41jährige, Anna Clauß doch glatt:
" Den ukrainischen Kämpfern bringt es wenig, dass auch der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter seine Teilnahme am Frühlingsfest abgesagt hat. Wenn ein SPD - Bürgermeister lieber sein eigenes Volksfest boykottiert, weil " Menschen in diesem brutalen Krieg sterben ", statt den eigenen SPD - Kanzler zu mehr Panzerlieferungen zu drängen, wirkt das sogar heuchlerisch. Die Ukraine braucht Waffen, keine Betroffenheit.
Die Leichtigkeit des eigenen Seins kann einem manchmal erträglich ungerecht vorkommen. Letztendlich ist meine fehlende Freude am Frühlingsfest aber ein Luxusproblem, das vermutlich jede nach München geflüchtete Ukrainerin liebend gern gegen ihre Sorgen eintauschen würde. "
Boah, ey! Das ist starker Tobak. Selbst dann noch, wenn die Journalistin all jene aktuellen Vorkommnisse vom " Frühlingsfest " über die längst erfüllten Waffenlieferungen Deutschlands an die Ukraine bis hin zu dem Seelenzustand der nach München geflüchteten ( eingereisten ) Ukrainerinnen als ein, mit einem gerüttelt Maß an Lokalkolorit behaftetes Sammelsurium von Beliebigkeit aus dem Umfeld der extrem grellen Boulevardpresse abzutun sein dürften.
Was SPD - OB Reiter mit Bundeskanzler Scholz gemeinsam hat, ist lediglich die Parteizugehörigkeit. Ansonsten trennen die beiden Herren mindestens zwei Sonnensysteme voneinander. Aber, das ist Frau Clauß wohl völlig egal. In ihrem blau - weiß angetünchtem Schreibstil mischte sie alsdann alle Unwägbarkeiten des Politikerlebens ordentlich durch und erhält dabei die Farbe Schwarz.
Die Schwarzen waren es indes, die dem Schlächter aus dem Kreml über 16 Jahre nahezu die Treue gehalten haben, weil diese Lobbyisten - und Wirtschaftspartei eben ihre Interessen ( die der Wirtschaft ) in den Vordergrund jedweden Handels stellten. Putin gab Gas, Öl, Rohstoffe zu Ramschpreisen. Das war gut für die Großindustrie und jene Unternehmen, die angetreten sind, um Profite zu generieren. Merkel hat deshalb still gehalten; selbst dann noch als Putin in Tschetschenien Menschen umbringen ließ, und als er sich die Halbinsel Krim einverleibte sowie in Luhansk und dem Donbass über Jahre hin militärisch wütete. Als Merkel und Konsorten aus der CDU / CSU - Riege abgewählt waren, schlug die große Stunde des Stalin - KGB - Imitators im fernen Moskau. Er ließ angreifen. Geübt hatte er ja bereits vorher; zuletzt auch in Syrien, wo er seine moderneren Vernichtungsgerätschaften ausprobieren durfte.
Nun soll die SPD und ihr Kanzler an jenen politischen Fehlern aus 16 Jahren Merkelei gemessen und dafür abgestraft werden? Clauß sieht das zu weiß - blauäugig; als Söder - Versteher - und Kennerin eben. Und da hört mein Grundverständnis für jedwede Form von Lokalpatriotismus auf. Bei OB Reiters Absage an den Müchner " Frühlingsfest " - Klamauk mag ein Hauch von Populismus - der durch die Lokalpresse unterfüttert wurde - umwehen, mit der von Frau Clauß dazu konstatierten Heuchelei hat das reinweg nichts zu tun.
Und auch bei der von ihr gezogenen Trennlinie zwischen dem relativ sorgenfreien Leben einer Münchner Journalistin und dem der hierher eingewanderten Ukrainerinnen handelt es sich um ein Hirngespinst. In den sicheren Gemeinschaftsunterkünften leben inzwischen überwiegend geflüchtete Roma aus Transkarpien. Die noch vor oder unmittelbar nach Kriegsbeginn nach Deutschland eingereisten Ukrainerinnen ind es wohl kaum, die sich mit Alltagsproblemen und erkennbarer Diskriminierung herum schlagen müssen.
Hätte Frau Clauß hierzu recherchiert, sie wäre mit Sicherheit zu einem ähnlichen Fazit gelangt. Doch: Sie verkauft ihre eher kruden Gedanken an den " SPIEGEL " und der druckt diese auch noch ab.
Schade um die verlorene Zeit, die ich beim Lesen des Clauß´schen Beitrags aufgewandt habe. Es wäre besser gewesen, ihre Kolumne einfach zu ignorieren und sich jener " SPIEGEL " - Redakteure zu erinnern, die wirklich journalistische Qualität verkörperten. Als da wären:
Hellmuth Karasek, Cordt Schnibben, Dieter Wild ...... - lang, lang, ist´s her!
Circus 2000 - Must Walk Forever - 1970:
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