Nur zu Besuch

 





Seit einer Woche haben wir es hinter uns gebracht: Unsere gemeinsame, nachgeholte Geburtstagsfeier. Es war neben einem Restaurantbesuch, ein langsames Ausklingen des Tages in trauter Umgebung. Zu den geladenen Gästen zählte auch die Tante meiner besseren Hälfte aus Dresden. Jener Stadt, in der ich gut 15 Jahre gelebt habe.

Seit unserem Wegzug aus der sächsichen Großstadt an der Elbe hat sich auch dort sehr viel verändert. Vor allem in politischer Hinsicht.Vor knapp zwei Jahren erzielte die " Alternative für Deutschland ( AfD ) " bei der Bundestagswahl 2021 in den beiden Wahlkreisen nahezu traumhafte Ergebnisse ( https://www.dresden.de/de/rathaus/aktuelles/pressemitteilungen/2021/09/pm_118.php ).

Wenn in einem Jahr die Landtagswahlen anstehen, könnten die Braunen sogar stärkste politische Kraft in dem benachbarten Freistaat werden. So soll es zumindest nach einer " Insa " - Umfrage sein:

https://www.radiobielefeld.de/nachrichten/lokalnachrichten/detailansicht/dresden-afd-in-sachsen-bei-35-prozent-deutlich-vor-der-cdu.html

Keine guten Nachrichten also. 

Woran liegt es aber, dass im überalterten Nachbarland so viele den Faschisten ihre Stimme geben möchten?

In der vorletzten Ausgabe des Nachrichtenmagazins " DER SPIEGEL " befindet sich ein Interview mit dem Bundesbeauftragten für Ostdeutschland Carsten Schneider ( https://de.wikipedia.org/wiki/Carsten_Schneider ), der sich hierin dezidiert zu Fragen über den Zustand der so genannten Ost - Bundesländer erklärt. Bedarf es denn eigentlich noch eines besonderen Beauftragten im Range eines Staatssekretärs, um den mehrheitlich bestimmenden Wessis den annektierten Osten, also die DDR, näher zu bringen?

Vor einigr Zeit veröffentlichte der Sachse Dirk Oschmann ein viel beachtetes Buch mit dem Titel " Der Osten, eine  westdeutsche Erfindung ". 

https://de.wikipedia.org/wiki/Dirk_Oschmann

Ja, der einstige " Besser - Wessi " hatte von der DDR und den dortigen Gegebenheiten keine Ahnung. Er wusste nicht, dass ein ein Mecklenburger kein Thüringer und ein Sachse kein Sachsen - Anhalter und alle vier schon gar kein Berliner sein können; so wie ein Holsteiner kein Bewohner aus Württemberg und ein Bayer kein Niedersachse ist.

Doch der gemeine " Wessi " scherte alle Ex - DDRler über einen Kamm und sah in ihnen den Ostdeutschen als " Den Doofen Rest ". Das war, ist und bleibt möglicherweise ein fataler Irrtum.

Fakt ist aber auch, dass die von Kohl und Konsorten versprochenen " blühenden Landschaften " sich erst sehr langsam zeigen. Mehr als 30 Jahre nach der so genannten Wende sind - das war eigentlich nicht anders zu erwarten - weiterhin Unterschiede zwischen den ehemaligen Westdeutschen und den damaligen Ostdeutschern deutlich zu erkennen.

Vor allem in dem Umgang mit den auf Grundlage der längst gemeinsamen Verfassung eingerichteten Staatsstrukturen. 33 Jahre danach könnte eigentlich zusammen gewachsen sein, was zusammen gehört? Ist es aber nicht!

Die Unterschiede zwischen dem " reichen " Westen und dem ärmeren Osten sind immer noch und überall ersichtlich. Die Regionen jenseits der größeren Städte zeigen dieses besonders deutlich. Das beginnt mit der eher unzulänglichen Infrastruktur, setzt sich mit fehlenden Arbeitsplätzen fort ( womit die Einwohner zu Pendlern werden ) und manifestiert in der schwachen Finanzkraft der Städte und Kommunen.

Wenn bei einer solchen Gemengelage jenen Regionen weitere Aufgaben und damit Verpflichtungen aufgehalst werden, droht das mühsam konstruierte Gebilde eines einigermaßen funktionierenden Gemeinwesens zusammen zu brechen. Unmut macht sich breit. Gepaart mit - nicht selten bewußt gestreuten - Desinformationen, die von den Sozialen Medien noch verstärkt werden, entsteht eine Protesthaltung, die häufig in eine permanente Verweigerungshaltung gegen jedwede staatlichen Maßnahmen und Regeln mündet.

"So isser, der Ossi " titelte einst der " SPIEGEL " und zeigte ein Foto eines Anglerhutes ( Kopfbedeckung ) in den Farben der deutschen Flagge. 

Der provokante Titel führte - nicht nur - im so genannten Osten zu Kontroversen. Eine selbst kritische Stellungnahme, erfolgte sogleich in Gestalt des sich in Ostdeutschland durchaus auskennenden Mitarbeiters Stefan Kuzmany:

https://www.spiegel.de/politik/deutschland/so-isser-der-spiegel-kolumne-a-1283694.html

Weil - nicht nur - der " SPIEGEL " in schöner Regelmäßigkeit gegen Personen, Politiker, Parteien, gegen Trends, bestimmte Entwicklungen ,den Zeitgeist im allgemeinen austeilt,  empfand ich jenes Titelbild nicht als so provokant. Nachrichten sind Waren, die an den Mann /die Frau gebrachten werden müssen und zwar so, dass die Rezipienten sie auch einigermaßen verstehen können. Weil Nachrichten als Waren sich besser verkaufen lassen, wenn sie reißerisch aufgemacht werden, hat auch der " SPIEGEL " ein verzerrendes Titelbild gewählt.

Er wird als Lektüre in den Bundesländern, die unter Ostdeutschland zu verstehen sind, eh nicht viel gelesen. Daran hat sich in den seit 1990 nicht viel geändert. So kann er denn in der Ausgabe 35 / 2019 ordentlich vom Leder ziehen und den vermeintlich anderen Menschenschlag im Osten des Landes mal so richtig durch die Mangel nehmen.

Doch es gibt ihn nicht, den typischen Ostdeutschen, so wie es den typischen Westdeutschen auch nicht gibt. 

Und so stellte ich meine Ohren auf Durchzug als die 84jährige Tante aus Dresden zu unserer gemeinsamen Geburtstagsfeier in Eching aufschlug. Sie war mir willkommen, weil wir sie ja schließlich auch eingeladen hatten. Was sie im Laufe des Abends und des folgenden Tages dann so von sich gab, subsumiere ich im Nachgang als altersbedingte Gedächtnisschwäche und indoktrinative Auswüchse der ewigen Nörgeleien aus dem Dunstkreis der Mecker - Sachsen. 

Zu dem war sie ja auch nur zu Besuch!

🙉


GROWING SEEDS  -  New City  -  1997:





 



 


  

 

  

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