Ausgenutzt


Können sich Verhaltensmuster nach vielen Jahren gleichen? Diese Frage stellte ich mir kürzlich. Ich hatte über Gespräche mit unserer Tochter erfahren, dass diese ihre Stelle als Geschäftsführerin eines mittelständigen IT - Vertriebs wegen des Verkauf an einen größeren Konkurrenten wieder aufgeben muss. Einfacher gesagt: Sie wird bis zum 01.09.2025 unter Beibehaltung ihres Gehalts dort noch arbeiten dürfen.

Diese Situation ist für sie nicht neu, denn vor mehr als 10 Jahren traf es unseren Schwiegersohn in ähnlicher Weise. Er war Geschäftsführer einer von ihm aufgebauten Firma für Browser - Spieleentwicklung in Dublin und stand von einem Tag zum anderen als Arbeitsloser vor der Tür. Neben einem in Bray bei Dublin neu gebauten Haus, dass noch abzuzahlen war, gab es drei Kinder und weitere finanzielle Verbindlichkeiten, die weiter bedient werden mussten. Sicherlich war da das Einkommen der Tochter, dass eine Zeit lang die laufenden Ausgaben abdecken konnte, doch es stellte sich die grundsätzliche Frage, ob und wie es weitergehen sollte.

Die Familie zog aus Irland weg und landete in Unterschleißheim, in der Nähe von München. Die finanzielle Durststrecke ist längst vorbei. Die Familie darf als gut situiert gelten. 

Nach mehr als 10 Jahren hat sich die einst durchaus prekäre Lage in das Gegenteil umgekehrt. 

Das Leben ist sehr oft eine Achterbahn?

Das musste mein verstorbener Bruder in den 1990er Jahren auch feststellen.

Er nahm einen gut dotierten Job bei einem mittelständischen Backwarenhersteller im der niedersächsischen Stadt Oldenburg an. Er zog deshalb mit drei Kindern, einem Hund sowie dem gesamten Haushalt vom baden - württembergischen Ort Flein nach Oldenburg und mietete dort ein Einfamilienhaus.

Der Umzug erwies sich als übereilt, denn nach sechsmonatiger Probezeit war in Oldenburg wieder Schluss. Den gut bezahlten Job war er wieder los. Und dieses auf eine rechtliche zwar zulässige Weise, die von der moralischen Seite allerdings mehr als fragwürdig eingestuft werden muss.

Nachdem er sich in dem - mutmaßlich in finanzielle Schieflage befindlichen Betrieb - mit seinem Wissen und der langjährigen Berufserfahrung ordentlich ins Zeug gelegt hatte, dadurch einen " billigen Jakob " als Quasi - Sanierer abgab, durfte er wieder seine " Sieben Sachen " packen und gehen.

Er fand eine Stelle in einem regional tätigen Backwarenhersteller in Nordrhein - Westfalen.

Zurück blieben allerdings Schulden im mittleren fünfstelligen Bereich. 

Als unsere Tochter die aktuelle Entwicklung in dem jetzt veräußerten Betrieb, den sie noch bis Ende Augustweiter führen darf, erklärte erinnerte ich mich an die durchaus vergleichbare Situation meines Bruders. 

Statt eine sündhaft teuren Sanierer zu beauftragen, wird eine wesentlich billigere Variante gewählt, um den vor der Pleite stehenden Betrieb aus dem Schlamassel zu ziehen. Das ist betriebswirtschaftlich und rechtlich legal, moralisch betrachtet jedoch hochgradig verwerflich. 

Merke also: Wo Geld das Sagen hat, bleibt die Menschlichkeit auf der Strecke.

Oder, um es mit Brecht zu formulieren: " Erst kommt das Fressen, dann die Moral ".

   


C:C. Cale  -  Money Talks  -  Live -  1983:




Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

" Oh Adele, oh Alele, ah teri tiki tomba, ah massa massa massa, oh balue balua balue. " und die Kotzfahrt nach Wangerooge.

" Eine Seefahrt, die ist lustig. " - nur nicht in den 60er Jahren zum AOK - Erholungsheim auf Norderney.

Will sehen, was ich weiß, vom Büblein auf dem Eis!