Wann Katzenhalter haften
Gestern Nachmittag gab sich der Frühling von seiner sonnigen Seiten gezeigt. Eine willkommene Gelegenheit, um den Garten ein wenig aufzuhübschen. Deshalb hatten wir einige Frühlingsblüher aus dem Baumarkt mitgenommen. Die galt es nun einzupflanzen.
Während wir im kleinen, aber feinen Garten vor uns her werkelten, erschien der älteste Junge aus dem Nachbarhaus am Gartentor und erzählte mir eine wilde Geschichte über deren Kater " Fritzi ". Der sei von unserem jüngsten Kater gejagt worden. Auf der Flucht habe er sich in einem Gartenteich ein Bein gebrochen und sei dann in ihr Haus gelaufen. Dabei sah er mich mit einem besorgten Blick an.
Ich konnte ihn sofort beruhigen, denn bei einem gebrochenen Bein könne die Katze nicht mehr so schnell laufen, erklärte ich ihm. Er bedankte sich bei mir artig und fuhr mit seinem Rad weg.
Nachdem ich meiner besseren Hälfte diese Geschichte weiter erzählt hatte, waren wir uns einig, dass " Fritzi " kein gebrochenes Bein hat. Er wird sich auf der Flucht vor unserem größeren Kater " Malte " wohl eine Zerrung zugezogen haben.
Dennoch ließ mi diese Geschichte keine Ruhe. Am späten Nachmittag recherchierte ich ein wenig im Internet und wurde in meinem dazu vorhandenen juristischen Kenntnissen voll bestätigt.
Wenn frei laufende Katzen ihre Revierkämpfe oder wechselseitigen Abneigungen, die es - wie unter uns Menschen - zweifelsohne gibt, austragen und sich dabei verletzten, haften die jeweiligen Halter für die dadurch entstandenen Tierarzt - und Folgekosten.
Gleiches gilt zudem für den berühmt, berüchtigten Katzenbiss, die ein anderer oder fremder Mensch beim Streicheln davon trägt.
Die Tierhalterhaftung, die sich aus § 833 Absatz1 des Bürgerlichen Gesetzbuches ( BGB ) ergibt, erstreckt sich auch auf andere Schadensereignisse, die durch eine gehaltene Katze verursacht wird.
Das Internet gibt dazu eine Vielzahl von Beispielen:
https://www.engels-recht.de/tierhalterhaftung-bei-katzenbiss
https://www.fachanwalt.de/ratgeber/tierhalterhaftung-nach-katzenbiss
Im Einzelfall bleibt aber zu klären, ob ein Mitverschulden ( § 254 BGB ) oder eine Mithaftung vorliegt.
Das ist immer dann der Fall, wenn eine Katze als Freigänger eine andere, fremde Katze verletzt und dadurch deren Halter Tierarzt - und Behandlungskosten entstehen.
Einem solchen Fall beträgt die so genannte Mithaftungsquote, die sich aus § 840 Absatz 3 BGB ergibt, nach der hierzu ergangenen Rechtssprechung 50 %.
Das gilt auch für andere gehaltene Tiere.
Dieses Grundwissen im Hintergrund klingelte ich noch am selben Abend bei dern Haltern des Katers " Fritzi " und erkundigte mich dem Tier. Dabei erfuhr ich, dass die Nachbarn tatsächlich zu einem Tierarzt gefahren waren, weil " Fritzi " humpelte. Der Kater erhielt eine Spritze. Das war´s!
Solche alltäglichen Ereignisse können aber durchaus weiter reichende Folgen haben.
Während meines Jurastudiums erhielt ich von einem beisitzenden Richter der 2. Zivilkammer des Ladgerichts Bremen eine Prüfungsakte, die ich als Relation zu bearbeiten hatte. Dabei ging es um einen " Katzenbiss " und dessen durchaus schwerwiegende gesundheitliche Folgen.
Eine Katze hatte die Kundin im einem Autohaus in den Handrücken gebissen, als diese das auf dem Tresen liegende Tier gestreichelt hatte. Die Folgen waren fatal. Die Hand entzündete sich nach einer Infektion und einer zusätzlichen Blutvergiftung. Die verletzte Frau musste sich mehrfach in ärztliche Behandlung begeben; die Hand blieb danach stark bewegungseingeschränkt.
Nun klagte die Frau auf Schadenersatz sowie Schmerzensgeld in der Höhe von einigen Tausend Deutsche Mark. Das Landgericht Bremen sprach der Klägerin in erster Instanz einen Teilbetrag unter Berücksichtigung einer 25 % Mithaftung zu, im übrigen wie es die Klage ab.
Die beklagte Firma legte Berufung bei dem Hanseatischen Oberlandesgericht ein. Das hob das Urteil des Landgerichts Bremen auf und verwies die Streitsache mit der Begründung, dass eine unzureichende Beweiswürdigung vorgenommen worden sei, an das Landgericht zurück. Nun war die Frage, ob die Würdigung der mündlichen Angaben eines Zeugen, der vom Beruf Polizeibeamter war, anders zu würdigen sei als jene des Geschäftsinhabers und dessen Frau.
Eine knifflige Sache, denn der Zeuge hatte den Vorfall durchaus glaubwürdig, weil lebensnah, beschrieben. Letztendlich entschied ich mich für diese Formulierung bei der Beweiswürdigung. Dem Prüfer reichte das nicht aus. Er mäkelte an meinem Votum herum und war sogar der Auffassung, dass dieses so unzureichend wäre, um mich vielleicht durchfallen zu lassen.
Nun, ich bestand die Prüfung.
Mehr als 38 Jahre später hätte sich die Frage nach einer fehlerhaften Beweiswürdigung gar nicht mehr gestellt, denn der Bundesgerichtshof hat einem Urteil ( BGH Urteil v. 26.04.2022 - VI ZR 1321/20 - ) entscheiden, dass es auf den tatsächlichen Ablauf des Geschehens nur insoweit ankommt, wenn es um die Frage eines Mitverschuldens oder der Mithaftung geht.
Eine weiterer typischer Fall ist das ungewollte Decken einer läufigen Hündin durch einen Rüden. Auch dort wird eine 50 %iges Mitverschulden angenommen, wenn beide Hunde frei herum laufen und es dabei zu einem Deckakt kommt, der eine Schwangerschaft der Hündin sowie daraufhin einen Welpenwurf zur Folge hat.
So geschah es in den späten 1990er Jahre als der Rüde meines Neffen, der tagsüber im Garten des von meinem Bruder und der Familie gemieteten Einfamilienhauses in Atteln - Lichtenau ( Nordrhein - Westfalen ) eine Hündin eines in der Nachbarschaft wohnenden Mediziners deckte. Aus der ungezügelten Hundevermehrung wurde ein teurer Spaß, denn mein Neffe hatte keine Haftpflichtversicherung abgeschlossen. Für die tierärztliche Versorgung nebst Geburt per Operation musste mein Bruder einst satte 450 DM berappen.
Anders verhielt es sich in einem Fall, den ich Mitte der 1990er Jahre auf den Schreibtisch bekam.
Auf einem privat geführten Reiterhof bei Bremen wurde während des Weidegangs eine dort eingestellte Stute an der Fessel des rechten Vorderbeins verletzt. Für die tierärztliche Wundversorgung, einschließlich Röntgen und Medikation fielen mehr als 2.700 DM an. Der die Verletzung verursachende Wallach war angeblich der des Mandanten. Der Hergang hierzu war zunächst unklar.
Klar war nur, dass es bei der Halterin der verletzten Stute keine Tierkrankenversicherung ga; bei dem Halter des Wallachs allerdings eine Tierhaftpflicht. Und die trat in diesem Fall für den Mandaten ein. Allerdings nur für die Hälfte der nachgewiesenen Tierarztkosten.
Die Sache landete deshalb vor dem Amtsgericht Bremen. Und das entschied in einem ellenlangen Termin mit Beweisaufnahme durch Einvernahme von mindestens einem Dutzend Zeugen, dass der Mandant die Behandlungskosten im vollen Umfang zu tragen habe.
Die Sache hatte nur einen Haken. Das Urteil erging aufgrund einer rechtlichen Ausarbeitung eines dem Richter zugewiesenen Rechtspraktikanten. Und dieser hatte wiederum keine Ahnung und beging die gleichen Fehler wie ich damals. Er unterstellte, dass die einvernommenen Zeugen allesamt glaubwürdig seien, weil sie den Hergang lebensnah und schlüssig beschrieben hätten.
Tatsächlich aber war die umfangreiche Beweisaufnahme vollkommen unnötig gewesen, denn es galt schon damals die Mithaftung der Halterin der verletzten Stute, weil diese zusammen mit anderen Pferden auf der Weide stand und somit selbst die so genannte Tiergefahr verwirklichte.
Nun, das Landgericht Bremen, die 1. Zivilkammer, entschied dementsprechend. Es hob das erstinstanzliche Urteil auf änderte es ab. Die Stutenhalterin bekam nur die Hälfte der nachgewiesenen Tierarztkosten zugesprochen.
Genau das hatte die Tierhaftpflichtversicherung einige Monate davor der Anspruch stellenden Halterin des Pferdes angeboten.
Jenseits der juristischen Plänkeleien bleibt also festzustellen: Eine Privat - oder Tierhaftpflicht ist in jedem Fall sehr ratsam, sonst wird es extrem teuer.
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