Der Hans aus Leipzig, die Pelletheizung aus Bergheim, das Nebelhorn aus Bremen



Mit jedem neuen Lebensjahr darf sich so mancher Erdenmensch neuer Herausforderungen stellen, Der homo sapiens ist als angeblich hoch entwickeltes Lebewesen dazu vorgesehen. dass er sich aber als lernfähige Einheit erklären kann, wenn es darum geht, aus Fehlern zu lernen, aus Schiete Geld zu mache und aus Erfahrung klug zu werden. Nun, ja, ich habe - selbst bei mir - dann und wann nicht völlig unbegründete Zweifel, ob es wirklich so ist.

Aber: Als wir vor mehr als 8 Jahren von dem schweine - teuren Heizöl auf Holzpellets umstiegen, war mein Enthusiasmus für die - überwiegend - umweltfreundlichen Energieträger nahezu grenzenlos. Inzwischen hat sich meine Begeisterung aus ein Normalmaß reduziert. Nicht, dass uns die Heizung mehr als eine andere Variante ihrer, zu oft in Stich gelassen hat. Auch nicht, dass die dann doch relativ teure Umrüstung auf diesen Brennstoff uns letztendlich nichts an geldlichen Vorteil gebracht hätte und auch nicht, dass ich meine Meinung über diese Heizungsalternative hätte gravierend ändern müssen, weil es eben auch Ärger gab.

Als Ende November 2009 der Leipziger Installationsbetrieb P. bei uns mit zwei Mann hoch aufschlug, um mit den Einbauarbeiten zu beginnen, stand uns noch kein milder Winter vor der Tür. Die Temperaturen waren zunächst eher im leichten Plusbereich, sanken dann aber auf zweistellige Frostgrade. Weil der Winter auch in unseren Gefilden oft nicht nur so heißt, sondern auch Frosttage mitsich bringen kann, hieß es einst für uns: sich sputen und den Heizungsumbau möglichst schnell über die Bühne bringen, bevor es wieder unangenehm kalt in den Zimmern wurde.

Dieses Vorhaben war leichter geplant als getan, denn der Heizungsbauer aus der konkurrierenden sächsischen Großstadt war eine Ein - Mann - Show. Der Meister P. hatte zwar einen Meisterbetrieb, jedoch keine Angestellten, sondern nur einen Freien Mitarbeiter oder, um es noch genauer zu sagen, der war derart freischwebend, dass dieser Mitarbeiter denn eher schon als eigenes Unternehmen, als Betrieb im Betrieb, als kleinste Zelle des Wirtschaftskreislaufes, als Ich - AG, zu sehen war.

Und diese Ich - AG begann also mit dem Einbau der Pelletheizung. Zunächst aber musste der ausrangierte " Wolf " - Kessel demontiert werden. Die vielen Einzelteile aus vielen Metallsorten lagen nach und nach vor der frei geräumten Garage. Von dort aus holte sie später ein Dresdner Schrotthändler franko frei ab.

Nach einem Tag hatte Hans B. genauer: Dr. (h.c.)  Hans B., denn es drehte, schraubte, hämmerte ein studierte Ingenieur an den Kesseleinzelteilen herum, die aus dem Nachbarland Österreich geliefert wurden.
Sein Sohn soll - so die Angaben des Ingenieurs B. - in Berlin als promovierte Richter am Amtsgericht tätig sein. Nur deshalb branzte Hans B. irgendwie herum. Er wollte aber vor allem damit kaschieren, dass er nach der so genannten Wende 1989 irgendwann zwar als Geschäftsführer einer Leipziger Fachfirma tätig war, diesen Job jedoch im Jahr 2003 aufgab. Warum auch immer?

Inzwischen war er zarte 60 Jahre alt. Ein Blueser, der Schlagzeug in einer Hobby - Band spielte, zum damaligen Zeitpunkt verheiratet war und sich als bekennender CDU - Freund outete. Letzteres kam bei uns überhaupt nicht gut an. Aber: Wichtig war vielmehr, dass er unsere Heizung einbaut und vor allem, sie zum Funktionieren bringt.

So schraubte Blueser - CDU - Hans aus Leipzig im Keller herum. Der Heizungsaufbau nahm langsam Konturen an. Aber auch die Langsamkeit des technischen Seins hat Vorteile. Ich konnte mich mit ihm zumindest über Bluesmusik unterhalten.
Beim Thema Politik gab es zwischen uns keine gemeinsamen Gesprächsebenen. Ich versuchte deshalb solche Themen auszuklammern. Nein, ein Fan der CDU, ein Akademiker und ein Blueser, auf eine solche Mischung kann sich kaum ein Andersdenkender einstellen.

Aber: Schwamm drüber! Hans B. installierte - wenn auch unter gütiger Beihilfe seines Auftraggebers -, eines kräftig gebauten, ungarischen Handwerkers aus dem Haus schräg vor uns sowie meiner tätigen Nothilfe, unsere teure Pelletheizung. Von Montag bis Freitagabend monierte er an dieser herum. Dann musste er passen, denn die elektrische Abnahme durfte nur über einen Fachbetrieb vorgenommen werden. Da einige Häuser über uns ein Elektromeister wohnt, war dieses - wenn auch mit einigen, kleinen Schwierigkeiten verbunden - möglich.

Am Samstagmorgen ließ er uns dann, nachdem er am späten Freitagabend seine wenigen Habseligkeiten zusammen gepackt hatte, über eine E-Mail wissen, wie wir die neue Anlage anfahren sollten. Ich probierte mich anhand seiner schriftlichen Anleitungen und: Die Heizung ging!

Seit dem 3. Dezember 2009 ist viel Wasser die Elbe herunter geflossen. Die Heizung machte ab und an ihre Zicken, sie viel öfters, als uns lieb war, komplett aus. Aber nicht, weil sie technisch unzuverlässig ist. Nein, die österreichischen Nachbarn aus dem Städtchen Bergheim, dass in der Nähe des weltberühmten Salzburg liegt, sie ist solide konstruiert worden. Bis auf die Zündlanze, die wir für knapp 200 Euro auswechseln mussten, die Kohlenbürsten, die eher als Verschleißteile, zu ersetzen waren, gab es keine Reparaturen an dem Kessel.
Gut, der Mischregel gab vor knapp 1. 5 Jahren seinen Geist auf. Aber, der kam ja nicht aus Österreich.

Der schlimmste Feind wider unseres täglichen Bestrebens, im Winter wenigstens annehmbare Raumtemperaturen zu erreichen, sind immer noch die Pelletlieferanten.

Und diese unheimliche Macht aus den Untiefen der viel zitierten Marktwirtschaft, sie schlug erneut und gnadenlos zu. Bereits meine Holzpelletsbestellung im Oktober 2017 war - perspektivistisch betrachtet - ein Kardinalfehler. Ich kannte doch meine Pappenheimer. Es sind jene Hersteller, die leider mit ihren Kunden nicht ehrlich umgehen. In diesem Fall war der Dresdner Lieferant mir als Anbieter von minderwertiger loser Ware längst ein Begriff. Die Charge von angeblich knapp 5,2 Tonnen wurde zunächst durch den Tankwagen ohne Absaugvorrichtung eingeblasen. Dass bedeutet, dass sich ein zu hoher Staubanteil in der mit hohem Druck in das Silo gepressten Pellets befindet. Zu Beginn des Verbrauchs ist dieses überwiegend ohne großen Belang, wenn es um die Funktionsfähigkeit der Anlage geht.

Wird das Silo dann im Verlaufe der Tage, Wochen und Monate leerer, beginnen die Komplikationen. Die Ansaugtechnik vom Silosack über die in einem Metallkasten befindliche Schnecke funktioniert nicht mehr regelmäßig, weil der dortige Schacht völlig vermehlt, wenn sich zu viel Staub in dem Silo befindet. Mit jedem Ansaugvorgang wird dieser von den Silo - Innenwänden in den Ansaugstutzen gezogen. Dort bildet er einen mehligen Belang, durch den die Pellets nicht mehr in den Ansaugschlauch gelangen.

Die Anlage saugt, saugt und saugt, bis der Computer dem Motor den Befehl gibt: Es sind 20 Saugvorgänge abgeschlossen - genug! Obwohl der Pelletbehälter im Kessel nicht - wie zuvor einstellbar - die dort angegeben Menge vorweist, beendet die Anlage die Befüllung. Gleichzeitig meldet ein Sensor an den Kessel - Computer, dass das Pelletlager noch leer ist. Die Konsequenz daraus ist, dass die Heizungsanlage durch die jetzt blinkende, roten Warnleuchte, diesen Fehler anzeigt und nicht mehr anheizt.

Um dieses zu vermeiden, begab ich mich seit einigen Wochen in schöner Regelmäßigkeit morgens und abends in den Keller, um dort die Holzpellets mittel Ansaugschlauchs, einer geöffneten Revisonsklappe, einem Besen und einer Taschenlampe von dem vermehlten Sacksilo in den Vorratsbehälter des Heizkessels zu verbringen. Fluchend, wie ein Müller in seiner eigenen Mühle, über und über mit feinem Holzmehl überpudert, lag, hockte und stand ich neben, unter und vor dem Silo. Irgendwie schien mein Arbeitseinsatz noch von Erfolg gekrönt zu sein, denn die Heizungsanlage sprang zu mindest, wenn auch unregelmäßig an.
Im Vertrauen darauf, begab ich mich am letzten Mittwochabend in die wohl verdiente Nachtruhe.

Am folgenden Donnerstag wurde ich dann gegen 2.00 Uhr morgens durch ein nicht aufhören wollendes, mir seit vielen Jahren bekanntes, Geräusch geweckt. Es war die Brennerlanze und der mit ihr verbundene Lüftungsmotor, die diesen Lärm verursachten. Draußen herrschten bereits Minusgrade. Ich wuchtete mich aus dem warmen Bett und tapste, ein böse Vorahnung habend, die Kellertreppen herunter. Im Keller war es längst lausig kalt. Ich hatte das Kellerfenster aufgeklappt, weil der aus dem Siloraum herüber waberte Staub sich auch auf den Kessel, die Waschmaschine, den Trockner - eben alles -, wie eine Mehlschicht abgelagert hatte.

Als ich das Licht im Heizungskeller anknipst, auf den Boden sah und noch schlaftrunken die ersten Schritte in Richtung des Heizungskellers hinter mich gebracht hatte, traf mich der Schlag. Eine Keule, so, als habe gerade Mike Tyson einem seiner einst welt - berüchtigten Schwinger ins Ziel gebracht. Da lag auf dem Boden, unmittelbar vor dem Kesselgehäuse, ein Motor. Er summte intervallartig vor sich hin. Es war der Antriebsmotor der Pellet - Förderschnecke, wie ich später durch einen Blick in die mit gelieferte Bedienungsanleitung sicher feststellen konnte. Der Motor lag dort, der Brenner arbeitete und die Heizung war dennoch kalt. Was war also zwischenzeitlich geschehen?

Frustriert schaltetet ich die Heizung aus und begab mich zurück in mein warmes Bett. Am nächsten Morgen wollte ich dem Übel auf den Grund gehen,

Der Morgen nahte, er war genauso kalt, wie jener einen Tag zuvor und auch, wie die folgenden Morgen es noch weiter sein sollten. Arschkalt, eben! Nach dem Frühstück begann ich zu prüfen, wie nun dieser verdammte Schneckenmotor wohl plötzlich auf den Boden der Tatsachen gelangte. Ich öffnete zunächst die Verkleidung zum Kesselsilo und sah - nichts! Außer Pelletmehl, das sich wie eine Puderschicht über die im Silo liegenden Stäbchen gelegt hatte, erkannte ich zunächst nichts außergewöhnliches. Ich schraubte die Halterung auf, die die Pelletschnecke verbarg. Schon während des Lösens der ersten zwei Inbusschrauben rieselte es unaufhörlich Pelletmehl auf den Betonfußboden. Der gesamte Schneckenführungsschacht war dicht. Ich holte unseren Staubsauger und begann das Mehl abzusaugen. Dann versuchte ich, die Stahlschnecke zu bewegen. Es tat sich gar nichts. Sie ließ sich nicht einen Millimeter nach oben drehen. Auch rückwärts drehte sich das Teil nicht.

Ich begann die Pellets aus dem Metallsilo abzutragen. Nach und nach kamen Fragmente der Schnecke zum Vorschein. Nachdem ich diese schließlich freigelegt hatte, saugte ich das Mehl nach und nach von der Förderschnecke ab. Langsam konnte ich das lebenswichtige Geräteteil ein wenig bewegen.

Nach zirka zwei Stunden war ich mit dem Absaugen fertig. Ich hatte die Schnecke zwar freigelegt, aber sie ließ sich immer noch nicht vollständig bewegen. Ich war frustriert und verlegte die weiteren Arbeiten auf den Samstagmorgen. Das Haus blieb allerdings nicht völlig kalt, denn ich brachte beide Kaminöfen in Gang und stellte in das Badezimmer einen Ölradiator.

Am Samstagmorgen wollte ich es dann nach dem Frühstück in der ebenfalls nicht ganz kalten Küche, wissen. Ich begab ich in den Eiskeller und schraubte dort an der Halterung für den Förderschneckenmotor herum. Weil ich mich zuvor im Netz erneut kundig gemacht hatte, wusste ich, dass die Schnecke leicht gängig sein muss, ehe sie wieder in Betrieb genommen werden darf. Sonst droht der Elektromotor überlastet und dann beschädigt zu werden. Deshlab sprühte ich alle mechanischen Teile mit WT40 ein und drehte an der Schneckenspindel so lange herum, bis diese wieder leicht auf und ab lief. Dann überprüfe ich über die vorgesehene Handwartung die Funktion des Motors.

Als ich das Schneckengehäuse wieder mit dem Motor verbinden wollte, bemerkte ich, dass an dem Befestigungsring nur eine Inbusschraube vorhanden war. Trotz intensiver Suche mit der Taschenlampe war die zweite Edelstahlschraube nicht zu sehen. Ich suchte in meinem gesammelten Fundus nach einem passenden Ersatz und drehte diesen in das zweite Gewinde hinein. Dann fummelte ich einige Minuten lang an der Verbindung zwischen Elektromotor und Pelletschnecke herum. Schließlich gelang es mir, den Motor zu befestigen.

Nachdem ich die Schneckenfunktion überprüft hatte, füllte ich die inzwischen vom Baumarkt gekauften Pelletsäcke in das Metallsilo des Kessels und schloss die Abdeckeung hierzu. Dann stellte ich die Heizung wieder an. Mit kalten Füßen, schmutzigen Händen und verstaubter Kleidung, wartete ich, bis der Heizkessel seine Arbeitsgänge absolvierte. Doch: Halt!
Bevor er überhaupt ansprang, zeigte er mir auf dem Display das sattsam bekannte " Lambdasondenkalibrierung " an.
Ergo: Aufräumen, Mittagessen und Abwarten.

Knapp 1 Stunde später war es dann endlich so weit. Aus den Tiefen des Kellers hörte ich, wie der Kessel Pellets in die Brennkammer vor füllte. Voller Spannung spurtete ich in den Heizungskeller. Dann zündete der Heizungskessel über die Zündlanze. Ich drückte auf das Display und wartete. Bei der Ziffer 2, 8 war es dann soweit. Auf dem Display erschien die Meldung " Pufferladung ". Ich sprang beinahe unter die Decke. Ich wartete noch eine Minute, ehe ich die frohe Kunde zu meiner besseren Hälfte trug. " Die Heizung läuft! " Sie läuft! Ja, wirklich, sie läuft!" Dann behauptete ich vollmundig: " Es gibt nur noch ein Ereignis, dass bei mir größere Freundensprünge verursacht. Wenn in drei Stunden im Bremer Weserstadion das Nebelhorn ertönt!" 

Nun, ja, es erklang nur ein einziges Mal an diesem Samstagabend. Das reichte zwar für einen Werder - Sieg gegen den Erzrivalen aus der großen Hansestadt, aber dennoch war die Begegnung eher zum Abgewöhnen. Tja, so ist das nun einmal. Not gegen Elend bringt elendige Not hervor.

Und so schließt sich der Kreis zwischen dem Blueser Hans B., dem - mutmaßlich - angesetzten einstigen Geschäftsführer eines Leipziger Heizung - und Sanitärbetriebs, dem Pelletkesselhersteller aus Bergheim in Österreich und dem Nebelhorn im Bremer Weserstadion.
In der Not frisst der Teufel Fliegen, baut ein studierter Ingenieur deshalb auch eine Pelletheizungsanlage zusammen, vergisst dabei eine Befestigungsschraube für den Elektromotor der Pelletförderschnecke, so dass dieser bei dem Versuch, die fest gefressene Schnecke zu bewegen, aus der Verankerung flog statt durchzuschmoren und ersparte uns einen teuren Ersatzkauf, ein ausgekühltes Haus und brachte mich zu der Erkenntnis, dass Branzen des eingefleischten Ossis gegenüber dem technisch nicht versierten Wessi zum Handwerk gehört, wenn dieser bereits selbst kräftig auf die berühmte Flappe gefallen ist. Doch: Siehe Bremer Weserstadion an jenem Samstagabend. Herumtönen gehört zum Handwerk!


Das meinten einst auch: " Grand Funk Railroad " - " Are You Ready " / " Inside Looking Out " - Live - 1970:







Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

" Eine Seefahrt, die ist lustig. " - nur nicht in den 60er Jahren zum AOK - Erholungsheim auf Norderney.

" Oh Adele, oh Alele, ah teri tiki tomba, ah massa massa massa, oh balue balua balue. " und die Kotzfahrt nach Wangerooge.

Widerspruch zwecklos!