" Meine Damen, Sie sind hier auf Sylt!"



Zu Beginn der 1990er Jahre erkundete auch der gemeine Ostdeutsche, der Ex - DDRler, der Beigetreten, die Welt. Nicht nur nunder bis nach Bulgarchen, tat er de´Welt beschnarchen.
Sondern, er / sie durften jetzt die große, weite Welt bereisen. Sicherlich nicht hoch subventioniert in einem FDGB - Heim oder einer anderen Unterkunft der privilegierten Arbeiter und Bauern des einstigen Staates der Selbigen. Es gab auch zu diesem Zeitpunkt keinen Begrüßungsrabatt mehr, sondern die Preise für die vielen Reisemöglichkeiten waren identisch.

Wer nicht gerade abgewickelt worden war und weiterhin einen festen Job hatte, wer nicht von staatlichen Sozialtransfers lebte oder von den Eltern, die ihre Maloche behalten hatten, der konnte sich durchaus eine zweiwöchige Reise in irgendein europäisches Ausland leisten. Wer zudem noch Eigentum in Form von Immobilien oder Land verkloppen durfte, der hatte sogar genug Geld, um sich Urlaub auf einem der anderen vier bis fünf Kontinente zu leisten.

Also: So manchen Heimgeholten ging es durchaus gut, was das Reisen betraf. Und zudem waren auch Ziele in dem Gebiet des ehemaligen Klassenfeindes vor der Haustür beliebt. Dieses nicht nur, um mit der jetzt so heiß geliebten DMark sich Materialien für den Ausbau des Eigenheims zu besorgen oder westdeutsche Schrottkarren zu kaufen, die der TÜV eigentlich längst geschieden hätte, sondern so einige DDR - Bürger von einst bereisten die westdeutsche Nord - oder Ostsee oder den Schwarzwald, den Bodensee, die bayrischen Alpen.

Zu den Zielen mit Stil, mit Niveau, mit dem verkappten Charme der sich angeblich dahinter verbergenden reichen und Schönen, zählte damals auch die nordfriesische Insel Sylt. Das an der schleswig - holsteinischen Nordseeküste belegene Eiland lockte schon zu jener Zeit Hunderttausende Besucher an. Tendenz auch damals: stark steigend.

Nun kamen auch noch die Schwestern und Brüder aus dem Osten, Der Doofe Rest, eben, zu den Massen hinzu. Da wurde es richtig eng. Die Sylter mussten aufstocken. Sie taten es. Es wurden Unterkünfte aus dem Sandboden gezaubert. Nicht kleckern, klotzen!

Es kann durchaus sein, dass so manche Gepflogenheit auf der teuren Insel, dem gemeinen Gast aus der " Zone " etwas befremdlich vorkommen musste. Schließlich waren Sylt - Besucher, Sylt - Urlauber und Sylt - Stammgäste nicht irgendwer. Sylt - Touristen und Sylt - Erlebende ließen gerne Einen raus hängen. Und dieses nie zu knapp. Die Masse derer bevorzugte allerdings das Grundprinzip des Kängurus: Große Sprünge mit leerem Beutel.
Oder auch: Der Flug des Fesselballons = viel zu viel heiße Luft!

Wie dem auch sei: Sylt ist und bleibt das Synonym der Schauspieler in der Bretterbuden - Klasse. So mancher tolle Sportwagen, so mache " Rolex " bis " Cartier " - Uhr und auch die sündhaft teuren Fummel am Leibe der gestylten Dame neben ihm, waren geleast, geliehen und sonst wie fremd gesteuert.

Als ich vor mehr als 3 Jahrzehnten meine Eltern zu einem Kurlaub ( ja, das gab es einst auch und damals noch, bevor Renten - Blüm die große Heckenschere ansetzte ) auf die Insel der Protzer, Prahler und Pralinen - Proleten verschiffte, erzählten mir diese später, dass sie so einige lustige Erlebnisse auf Sylt hatten.

Als meine Mutter die Bankangestellte, eher neugierig geworden, nach der Herkunft der vielen teuren und tollen Autos befragte, antwortete diese ganz trocken: " Och, wissen Sie Frau W., die sind doch alle nur geleast! "
Ein anderes Mal stand ein Möchte - gern - Playboy mit grau melierten, wohl frisierten Haar, leicht gebräunt, eine kostspielige Sonnenbrille tragend, den hellroten Schal leger mit einer dreiviertel Umdrehung um den Haus geschlungen, in eleganten Jeans, einem höher preisigen Pullunder und einen " Burberry " - Trenchcoat anhabend, hinter ihr. Während meine Mutter, von proletarischer Abstammung und zudem ungelernt, von ihrem Konto locker den erwünschten Betrag in bar ausgezahlt erhielt, bügelte die Bankangestellte den Westentaschen - Gunter ( Sachs ) mit den Worten ab:
" Herr A bis Z, ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass ich Ihnen kein Geld mehr auszahlen darf! " Der so Niedergemachte verließ die Bank und schob sich wie ein geprügelter Hund an der langen Kundenschlange vorbei.

Sylt, also, die Insel der Schönen, verdeckt lebenden Reichen und Schaumschläger, sie wurde eines Tages das Ziel einer ehemaligen Kollegin meiner besseren Hälfte. Diese besuchte das - zweifelsohne, landschaftlich schöne - Eiland, so kurz nach den ersten Wendejahren. Die Chemnitzerin tat dieses allerdings nicht allein und - von ihrer Herkunft her, auch mit einer eher einfachen Struktur ausgestattet - wollte zusammen mit ihren Freundinnen die kulinarischen Genüsse der Insel kennen lernen.

Doch beim Durchsehen der Speisekarte eines dieser vielen, teuren Restaurants auf der Insel Sylt kamen dieser eher Zweifel, ob das dort Angebotene ihrem Geldbeutel entsprach. So bestellten die Chemnitzerinnen zunächst nur ein Getränk. Als der vorbei flitzende Kellner dann noch befragt wurde, ob die Gaststätte auch Bratwürste im Angebot habe, antwortete der perplexe Angestellte in einem Ton von gespielter Entrüstung sofort:
" Meine Damen, Sie sind hier auf Sylt! "

Die Damen vom Grill aus der Stadt mit den drei " O "s zitterten ab. Dieses war nicht für ihr Portemonnaie gedacht. Teuer, teuer und nochmals teuer; Sylt eben!

Die Welt: Eine große Bühne der Illusionen. Und Sylt zählt dazu.

Gut´s Nächtle mit:


" SBB " - " Nowy Horyzont " - 1975:













Bis nunder nach Bulgarchen, tut er de' Welt beschnarchen!
Und sin' die Koffer noch so schwer, und sin' zu voll die Zieche
und is' es Essen nich weit her, das kennt er zur Genieche.

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