Wenn das Sozialamt drei Mal klingelt.



Unser Staatsgebilde nennt sich - so einfach, wie auch klar und unwahr - demokratischer Rechtsstaat und die hierin installierte Wirtschaftsform Soziale Marktwirtschaft. Okay, darüber lässt sich trefflich streiten. Ob es nun ein demokratischer Sozialstaat oder eine rechtsstaatliche Marktwirtschaft geworden ist, mag dahin gestellt bleiben. Was auf keinen Fall zutrifft, dürfte der sozialdemokratische Staat sein. Diesen wird es genauso wenig, wie den sozialistischen Bundesstaat geben. Aber, genug der Wortklauberei.

Wer den Sozialstaat erhalten möchte,der muss ihn gleichzeitig mit der Rechtsstaatlichkeit einher gegen lassen. Denn soziales Handeln durch den Staat kann nur in Form gesetzten Rechts ermöglicht werden. So weit, so schlecht. Schlecht deshalb, weil zwischen den Buchstaben des Gesetzes und der Wirklichkeit oft himmelweite Unterschiede existieren.

In einem " SPIEGEL " - Artikel las ich, dass die Stadt Rodgau, die bekanntlich im Umkreis von Frankfurt am Main liegt, von einer Bewohnerin einige Tausend Euro Kostenersatz sowie einen monatlich zu zahlenden Beitrag zur Heimunterbringung der erkrankten Mutter verlangt. Nach den von dort aus vorgenommen Berechnung sei die Rodgauerin aufgrund ihrer angegeben Einkommens - und Vermögensverhältnisse dazu in der Lage und dieses aufgrund der Vorschriften des SGB XII sowie des BGB verpflichtet.

Was war geschehen?

Die jetzt 55 Jahre alte Frau, von der das Amt für Soziales und Versorgung - auch besser bekannt als Sozialamt - zunächst eine vollständige Auskunft über ihre Einkommens - und Vermögensverhältnisse verlangte, wurde einige Monate nach ihrer Geburt in ein Kinderheim abgeschoben. Der Vater saß zu diesem Zeitpunkt wegen - angeblicher - Betrugsdelikte im Zuchthaus, Die Mutter war deshalb berufstätig und - wahrscheinlich - mit der Versorgung und Betreuung des Säuglings überfordert.

Weil sich einst in solchen Fällen das damalige Fürsorgeamt einschaltete und zumeist rigoros der Mutter das Sorge - und Aufenthaltsbestimmungsrecht entzog, zumal der Vater im Knast dieses nicht ordnungsgemäß ausüben konnte und durfte, verbleibt die Tochter in dem konfessionellen Kinderheim.

Was dieses für sie bedeutete, lässt sich aufgrund der vielen Schilderungen von Tausenden Heiminsassen, nur erahnen.
Nach einer entsprechend harten Kindheit, in der die Tochter einige Male schwer erkrankte, wurde sie in den 1970er Jahren aus dem Kinderheim entlassen.

Sie gestaltete ihr folgendes Leben beruflich durchaus erfolgreich. Kontakt zu ihren Eltern hatte sie in den Jahrzehnten nicht.
Ihre Mutter, inzwischen längst verwitwet und ein Pflegefall, lebt seit einiger Zeit in einem Seniorenheim.

Nun soll die Tochter für einen Teil der entstandenen und künftig entstehenden Kosten mit aufkommen. Der Gesetzgeber sieht es so vor, nein, er hat es bestimmt. Die allgemeine Unterhaltspflicht für Verwandte gerader Linie ergibt sich nämlich aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch ( BGB ).

Diese Regelung gilt allerdings nicht immer. Die Ausnahmen werden in den auf § 1601 BGB genannten Folgegesetzen bestimmt. Wer danach kein ausreichendes Einkommen und Vermögen hat, um der Unterhaltspflicht nachzukommen, wird als nicht leistungsfähig eingestuft und damit von der generellen Pflicht, den Eltern / Elternteil und umgekehrt dem Kind / Kindern Unterhalt zu zahlen, befreit.

Nun hat die Tochter der mittlerweile pflegebedürftigen Mutter ein ausreichendes Einkommen, um ihre Unterhaltspflicht gegenüber der Mutter nachzukommen. Doch die Tochter weigert sich und hat den Bescheid des Sozialamtes angefochten. Über ihren beauftragten Rechtsanwalt wird sie deshalb Klage erheben, denn das Amt besteht auf die Zahlung der errechneten Unterhaltsanteile für die monatlich entstehenden Pflegekosten im Seniorenheim. Sie beruft sich dabei auf  § 1611 BGB, in dem es heißt:

§ 1611. 
(1) Ist der Unterhaltsberechtigte durch sein sittliches Verschulden bedürftig geworden, hat er seine eigene Unterhaltspflicht gegenüber dem Unterhaltspflichtigen gröblich vernachlässigt oder sich vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen oder einen nahen Angehörigen des Unterhaltspflichtigen schuldig gemacht, so braucht der Verpflichtete nur einen Beitrag zum Unterhalt in der Höhe zu leisten, die der Billigkeit 



Was hier eher wie ein Streit um den schnöden Mammon aussieht, dürfte indes tiefgründigere Ursachen haben. Die Tochter hat es nie verwunden, dass sie von der leiblichen Mutter in das Heim gesteckt wurde. In eine kirchliche Anstalt, deren Ziel es einst war, die so genannten Schutzbefohlenen so zu erziehen, wie die kirchlichen Dogmen es wollten. Genauer gesagt, das Kind wurde in seinem eigenen Willen gebrochen und gefügig gemacht, was Fronarbeit ohne Entgelt einher ging und bedeutete.
Dass die Mutter nie die Kraft besaß, ihre leibliche Tochter von diesem Horror zu befreien, mag auch in diesem Einzelfall viele Ursachen und Gründe haben. Fakt ist aber: Die Mutter hat sich - zumindest moralisch betrachtet - bei der staatlich unterstützen und kirchlich durch geführten Kindesmisshandlung - mitschuldig gemacht.

Nun soll die Tochter auch noch für den Unterhalt dieser Mutter bis zu deren Lebensende, sie ist inzwischen über 83 Jahre alt, sorgen.

Ob sie dazu verpflichtet ist, werden die Gerichte zu entscheiden haben.

Unabhängig hiervon verbleibt aber ein sehr bitterer Beigeschmack an diesem juristischen Melange. Dass der Staat sich nicht aus dem Leben eines Einzelnen, einer Ehe oder Lebensgemeinschaft, einer Familie insgesamt heraus halten kann, ergibt sich bereits aus dem Grundgesetz. Dass er aber in derartigen Fällen versucht finanzielle Aufwendungen für sozial Bedürftige von den Verwandten / Kindern erstatten zu lassen, ist eigentlich skandalös.
Warum diese Vorschriften auch in den Zeiten, in denen Millionen Bürger auf staatliche Transfers angewiesen sind, ein einst sinnvolles Gesetz derart exzessiv anwendet, obwohl das Sozialgesetzbuch ( SGB - hier XII Teil ) die Kostendeckung vorsieht, dürfte wohl so nicht mehr zeitgemäß sein.

Ein Sozialstaat hat auch für jene Bürger zu sorgen, deren finanzielle Bedingungen und deren Leistungsfähigkeit das Bestreiten von hohen Pflege - und Heimkosten nicht möglich machen. Die in dem Fall ( Vgl. " SPIEGEL " - Ausgabe 3 / 2018, S. 36 ff )  geschilderten Umstände, sind geradezu prädestiniert, um eine Unterhaltspflicht nach den gesetzlichen Vorhaben auszuschließen.
Schließlich hat der Staat einst selbst diese familiäre Situation verschuldet oder mindestens verschärft, indem er das Kind sofort in ein Fürsorgeheim verfrachten ließ,

Da es Zehntausend ähnliche Fälle gibt, kann nur  jedem einzelnen Betroffenen empfohlen werden, hiergegen juristisch mit allen zulässigen Mitteln vorzugehen. Sollte das Sozialamt an Verwandte - wie hier geschildert - heran treten, dann zunächst die Auskunft der Einkommens - und Vermögensverhältnisse verlangen, ist es bereits da denkbar, sich gegen eine solche Aufforderung zur Wehr zu setzen.
Errechnet das Sozialamt danach einen anteiligen Zahlbetrag, muss der Bescheid mit einem Widerspruch angefochten werden. Spätestens hier wäre es ratsam, einen Rechtskundigen zu Rate zu ziehen.
Wird der Widerspruch als Rechtsmittel abgebügelt, sollte der Betroffene in jedem Fall Klage beim zuständigen Sozialgericht zu erheben.
Bis dieses entscheidet könnten Jahre ins Land gehen und ein Bedürftiger vielleicht längst verstorben sein.
So hart dieses hier klingt, aber, dieser angebliche Sozialstaat möchte es eben so.

Vor einigen Tagen fabulierte der neue Ministerpräsident unseres Freistaates, der CDUler Kretschmer, in einem Anflug grenzenloser Dummheit, dass der Staat sich aus den wirtschaftlichen Abläufen heraus hält. Häh? Hat der Praddel da irgendwie ein anderes Land gemeint? Seit Dekaden unterstützt dieser Staat die Privatwirtschaft mittels Steuererleichterungen, Subventionen und sonstigen monetären Privilegien. Seit wann hält er dann Seinen da raus?

Kretschmer ist ein wahrhaftiger Polit - Troll, der irgendwie auftaucht, dumm Tüch sabbelt und wieder in der Versenkung der schwarzen Männer - Partei verschwindet.
Ob er zu einem solchen Fall wohl auch eine Meinung hätte?


Andrew (49 )   - " Age " - " Woops " - 1973:










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