Der Aufbruch des Olaf D.



Vorgestern Morgen hörte ich bei Radio Bremen 1 in den Nachrichten, dass der ehemalige Bürgerschaftsabgeordnete der " Bremer Grüne Liste " ( BGL ), die 1973 gegründet wurde (
https://de.wikipedia.org/wiki/Bremer_Grüne_Liste ) Olaf Dinne´ ( https://de.wikipedia.org/wiki/Olaf_Dinné ) eine Partei gründen wird, die sich von der derzeitigen Politik der Koalition zwischen der SPD und den " GRÜNEN ) auf Landesebene, klar abgrenzen möchte. Dinne´hält diese Politik für völlig verfehlt.

Im zarten Alter von 82 Jahren kann man es ja doch noch mal versuchen, oder etwa nicht? Olaf ist ja seit den 1960er Jahren durchaus kampferprobt, wie sich aus seinem Lebenslauf ergibt.
Schließlich schaffte er zusammen mit drei weiteren BGLern ab 1979 den Sprung in die Bremische Bürgerschaft. Bundesweit galt dieses als Sensation.
Nun, gut, das ist sehr lange her.

Inzwischen sind nicht nur die Bremer " GRÜNEN " zu einer festen Größe in der Politik geworden. Und damit lässt sich bekanntlich Geld verdienen. Das ist nicht nur heute so, sondern es galt auch für jenen Zeit, in der Olaf Dinne´zu den Vorkämpfern der grünen Politik in Bremen gehörte.

Dinne´, Olaf Dinne´, da war doch vor grauer Vorzeit mal etwas? Ja, tatsächlich. Olaf war so in den 1980er Jahren auch Vermieter einer Wohnung im so genannten Viertel, also dem Ostertor und Steintor. Hier hatte er auch eine Butze an eine damalige Mandantin vermietete. Claudia G., so hieß sie.

Claudia G. war eine Oberchaotin, eine junge Frau ohne festen Lebensplan, die sich mit irgendwelchen Jobs den Lebensunterhalt sicherte oder auch Sozialhilfe bezog. Eine der vielen Gestrandeten in einem dafür prädestinierten Viertel Bremens. G. wohnte in der Brunnenstraße 2, einem Altbau mit mehreren Einheiten und einer steilen Treppe, die in die obere Etage führte. Eigentlich waren es Löcher, die dort für relativ viel Geld vermietet wurden. Tatsächlich aber waren diese muffigen Wohnungen und Einzelzimmer sehr begehrt, weil sie eben mitten im Szene - Viertel lagen.

Claudi G. lebte hier alleine. Sie hatte vermutlich keinen festen Partner oder eine Lebensgefährtin. Letzteres nahm ich an, weil sie sich damals in den kurzen Gesprächen in unserer Kanzlei in der Brunnenstraße 5 eher verächtlich zu Männern äußerte. So auch über ihren Vermieter, Herrn Olaf Dinne´, den einstigen " GAL " - Abgeordneten und Aktivisten gegen den Bau der so genannten " Mozarttrasse " in Bremen, einem bundesweit bekannt gewordenen, regionalen Politikum, in dem es um die Verhinderung von Straßenbaumaßnahmen zugunsten des Individualverkehrs ging.

Damit hatte Claudia G. nix zu tun, sie saß wegen einer Mietsache in dem sehr spartanisch eingerichteten Büro im Hause Brunnenstraße 5 und erzählte mir irgendetwas von einem Wasserschaden. In der heutigen Zeit wäre dieser eventuell von der Hausrat - oder Privathaftpflichtversicherung reguliert worden. Der klassische Fall, der dazu immer wieder gerne erzählt wird, ist die während der Abwesenheit plötzlich auslaufende Waschmaschine, deren Wasserinhalt von mindestens 50 Litern bis zu 90 Litern - bei älteren Modellen -  sich wegen eines geplatzten Ab - oder Zulaufschlauch sodann in der Wohnung und noch weiter verteilt.

Zu der damaligen Zeit wären es mindestens das Dreifache gewesen. Der Schaden könnte deshalb immens werden, sofern auch noch eine darunter liegende Wohnung betroffen wird. Da sind locker mehrere Tausend Euro für dessen Beseitigung zu berappen. Dazu gibt es eben die obigen Versicherungen, die sich dann als durchaus sinnvoll zeigen und - entgegen so mancher anderen Versicherungsart - kein heraus geworfenen Geld darstellen.

Claudia G. hatte jedoch weder das eine, noch das andere Risiko versichert. Sie konnte die Prämien für einen solchen Luxus nicht bezahlen. Dass später die Sozialhilfe diese übernehmen musste, war in den späten 1980er Jahren noch höchst strittig. Danach musste der Träger der staatlichen Leistungstransfers, also die Stadtgemeinde Bremen beispielsweise, die Prämien in der Berechnung für die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt ( HLU ) mit einrechnen.

Claudia G. war - wie gesagt - eine absolute Chaotin. Sie kümmerte sich weder um solche Dinge, noch schien sie ein derartiges Problem überhaupt zu tangieren. Sie lebte in den Tag hinein und nahm - mutmaßlich - zudem auch noch Drogen. Eine junge Frau, ohne Halt, Perspektive und Geld - so, what?

Der Kollege, der ihr in dem mir längst geläufigen Jargon einen freundlichen, aber sehr bestimmten Brief zugesandt hatte, er war irgendwo in Viertel tätig. So, wie mein Kompagnon und ich auch. Ich kannte ihn vom sehen. Er zählte - so, wie wir auch in den ersten Jahren der Berufsausübung - zu der nicht gerade kleinen Kategorie der " Hungerleider ". Was nichts anderes zu bedeuten hatte, dass er von seiner anwaltlichen Tätigkeit nicht leben konnte.

In dem Brief sülzte er geschwollen herum:

" Sehr geehrte Frau G.

gemäß der anliegenden Vollmacht, zeige ich an, dass mich Ihr Vermieter Herr Olaf D., wohnhaft...., mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hat.

Dieser Sermon variierte zumeist, je nach Größe des Büros. Deshalb bliebt einst strittig, ob die Vollmacht als Urkunde im Original oder nur als von dem Rechtsanwalt beglaubigte Fotokopie dem Schreiben beigefügt werden musste.

Diesem Brief, in dem der werte Herr Kollege, dann den Sachverhalt schilderte, lag die Vollmacht in beglaubigter Fotokopie an.

Danach ging es gleich ans Eingemachte:

" Sie haben am... durch grobe Fahrlässigkeit einen Wasserschaden im gesamten Haus verursacht, das Sie die Badewanne in Ihrer Wohnung unbeaufsichtigt befüllten, so dass die während Ihrer Abwesenheit überlief. Nach dem beigefügten Kostenvoranschlag der Firma ..X,Y, Z ..vom belaufen sich die Beseitigungs - und Reparaturkosten auf .... DM.
Sie haften hiermit gegenüber meinem Mandanten gemäß 823 .... BGB für den ihm entstandenen Schaden.

Ich habe Sie deshalb aufzufordern, den oben benannten Betrag sowie die Kosten meiner Beauftragung, die sich aus der gleichfalls beigefügten Gebührenrechnung ergeben, bis zum..... auf das im Briefkopf benannte Konto.... zu überweisen ( Zumeist kam noch der Hinweis, dass Geldempfangsvollmacht aus der anliegenden Vollmacht erkennbar ist ).

Nach fruchtlosem Ablauf der Frist bin ich den Auftrag, gegen Sie Klage zu erheben.

Mit freundlichen Grüßen

... / Rechtsanwalt ".


Die " sehr geehrte Frau G. " hatte aber weder eine Versicherung, die den Schaden bezahlen würde, noch hatte sie selbst das Geld. Also ließ ich mir zunächst eine Vollmacht unterschreiben, ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ausfüllen und schrieb dem " sehr geehrten Herrn Kollegen " im Auftrag der Mandantin G. einen Brief. Hierin antwortet ich ihm und machte klar, dass Frau G. den Schaden nicht bezahlen könne, der im Übrigen nur durch einen Kostenvoranschlag nachgewiesen worden sei und, dass Herr Olaf D. doch bitte schön seine eigene Gebäudeversicherung für die Regulierung in Anspruch nehmen solle.

Danach geschah zunächst nichts. Einige Monate später erschien Claudia G. erneut in unserem Büro. Sie legte mir den typischen, mir seit Jahren bekannten, gelben Umschlag auf den Tisch und erzählte mir, dass sie diesen zwei Tage zuvor von dem Postamt, dass sich damals noch in einer der Nebenstraßen - nach meiner Erinnerung war es die Wielandstraße - befand, abgeholt hatte.
Der " werte Herr Kollege " hatte gegen Claudia G. Klage erhoben und forderte von ihr die gesamte Summe in Höhe des auch in der Klageschrift beigefügten Kostenvoranschlags. Nun, selbst damals galt bei Schadenersatzprozessen, dass der Anspruchsteller mindestens drei Kostenvoranschläge einzuholen hat.

Ich erklärte dieses der Frau G. und bat sie, den Sozialhilfebescheid noch mitzubringen, den ich dann in unserem Büro fotokopierte. Ich antwortete zunächst auf die Klage des Olaf D. und zeigte dabei die so genannte " Verteidigungsabsicht " an, wie es in der Zivilprozessordnung  ( ZPO ) vorgeschriebenen ist. Spätestens Tage danach reichte ich eine Klageerwiderung ein. Darauf antwortete die Klägerseite, Zum Schluss erhielt ich noch einmal Gelegenheit zu der Klage " vorzutragen ". Das war´s zunächst.

Es vergingen weitere Wochen, ja Monate, die Sommerferien waren in Bremen bereits beendet, als das Amtsgericht eine  Ladung sandte. Ich notierte mir den Termin und dackelte zu diesem zu Fuß in das Gerichtsgebäude. Die Parteien waren persönlich geladen ( " Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts ", wie es in der ZPO vorgesehen ist und so auch in dem Ladungsschreiben stand  ). Somit traf ich Claudia G. und auch Olaf D. vor dem Sitzungssaal im 2. Stock des Amtsgerichtsgebäudes an der Ostertorstraße. Der Richter, mit dem Nachnamen B., war mir natürlich bekannt. Er hatte einst in einem Mietprozess, dass der Justitiar des vormaligen Sozialwerks der Universität Bremen, ein inzwischen - dank SPD - Parteibuch - dann zum Staatsrat aufgestiegener Peter H. ( https://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Härtl ), der mich damals wegen Mietrückständen, die aufgrund einer Mietkürzung und aus einer Differenz von der vertraglich vereinbarten Festmiete und einer Mieterhöhung, die H. jedoch gerichtlich nie durchgedrückt bekam, entstanden war, verklagt. H. sah seine Tätigkeit als Sport, hatte vom Mietrecht jedoch null Ahnung und verlor beinahe jeden Prozess gegen Hunderte von Wohnheimbewohner. So auch jenen gegen mich. Doch auch meine Widerklage aufgrund einer Mietminderung wegen einer klopfenden Heizung, bügelte Richter B. rigoros ab.

B. war damals - mindestens - so um die Ende 40. Hatte schon fast keine Haare mehr auf dem Kopf. War im Verlaufe der Jahre auseinandergegangen wie ein Hefekloß und wollte sich keinen großen Stress mehr machen. Er blieb Amtsrichter, hatte somit mit einer Karriere in der bremischen Justiz nichts am Hut und war eher ein Typ des " gutmütigen Onkel " von nebenan. Er thronte auf seinem Richterstuhl und ließ die Verhandlung eher so dahin plätschern. In der Sache selbst, war er jedoch eisenhart. Hatte er sich bereits ein Urteil gebildet, dass ja aufgrund der in der Akte vorhandenen Schriftsätze durchaus möglich ist, ließ er kaum davon ab.

Also B. hatte prozessual verfügt, dass die Parteien zur Aufklärung des Sachverhalts angehört werden sollten. Eher wahrscheinlich war jedoch, dass er den stadtbekannten " GRÜNEN " und einstigen Alt - Linken Olaf D. sehen wollte. Wann werden schon mal bekannte Politiker oder Personen aus der bremischen Prominenz zum  Gericht zitiert. Dann legte Richter B. los: " Sie sind Herr Olaf D. ? ", stellte er eingangs die scheinheilige Frage.
" Ja. ", antwortete dieser ihm pflichtbewusst.
" Ja, bekannt! ", gab Richter B. diesem zur Antwort. " Sie sind wie alt? ", Der bekannte D. antwortete Richter B. Dann kam Richter B. zur Sache.
Er wollte von D. wissen, wie dass jetzt mit dem Wasserschaden war.
D. antwortete ihm. Die präzisen Fragen ließen keinen Zweifel, dass das Wasser aus der Wohnung der Mandantin und Beklagten G. die Treppe herunter geflossen kam.

G. sei angeblich nicht in der Wohnung gewesen, so dass Olaf D. den Hauptwasserhahn absperren mussten. Doch die Überschwemmung im Treppenhaus und auf dem Flur konnte D. nicht mehr verhindern. Richter B. protokollierte dieses alles und formulierte die Sätze selbst. Dabei antichambrierte Richter B. bei dem Ex - Politiker D. derart, dass mir fast die Galle hoch kam. Tja, da zeigte sich doch in gewisser Weise bereits der oft zitierte Bremer Filz. Aber, das war auch in diesem Fall egal gewesen, denn G. hatte tatsächlich ihre Badewanne gefüllt und war dann aus der Wohnung gegangen. Eine Todsünde eigentlich, denn die alten Krücken in den muffigen " Viertel " - Wohnungen besaßen nicht alle einen so genannten Überlauf. Hätte die Gußeisenwanne so ein Überlaufventil gehabt, es wäre nichts passiert. Allenfalls hätte sich die Mandantin über eine exorbitante Wasserverbrauchsrechnung gewundert.

Ich hatte dieses als Argument in meinem Schriftsatz in den Prozess eingebracht und wollte jetzt in der Verhandlung darauf herum reiten. Richter B. führte jedoch nicht nur mich, sondern auch die Mandantin förmlich vor, und wischte das Argument mit einer abschätzigen Handbewegung vom Tisch. Dann erklärte er, dass es wohl schlecht um die Mandantin aussähe und sie wohl den Schaden bezahlen müsse. Auch der Hinweis, dass der Kläger Olaf D. eine Gebäudeversicherung hätte abschließen müssen, ließ er nicht gelten. " Dazu ist er weder verpflichtet, noch würde diese in diesem Fall eintreten. ", erklärte er uns oberlehrerhaft.
Tja, da wollte er gerade zu dem allseits beliebten, weil Arbeitsaufwand ersparen Hinweis, die Beklagte möge doch jetzt lieber anerkennen, ausholen, als ich ihn auf die fehlenden drei Kostenvoranschläge hinwies.

" Die muss er auch nicht einholen, denn das ist hier eine Mietsache! ", kanzelte er mich ab. " Doch, muss er. Der BGH hat.... ". Der Richter schaute etwas perplex, dann fasste er sich wieder. " Gut, aber was nutzt das Ihrer Mandantin jetzt noch, Herr Rechtsanwalt W...? "
" Einiges, denn die Schadensumme müsste sich um mindestens 20 % reduzieren, "
" Na, schön. Lassen wir das hier mal zu stehen. ", antwortete Richter B. mir.
" Vielen Dank, Herr D. ", entfleuchte es dem Richter B. noch, ehe er diesen und seinen Rechtsanwalt wegen eines Vergleichs ansprach.
" Wie sieht das hier mit der PKH aus? ", wollte ich noch von Richter B. wissen.
" Nee, PKH gibt´s dafür nicht. Die Beklagte hat den Wasserschaden eindeutig verursacht. "
" Aber wenigstens für den um 20 % niedrigeren Klagbetrag ? ", bettelte ich ihn an.
" Na, schön. Dann ergeht folgender Beschluss:
Der Beklagten wird für ihre Klageverteidigung Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit sie sich gegen den Betrag in Höhe von.... DM wehrt und Rechtsanwalt W., Bremen, beigeordnet. Dieses gilt auch für den Abschluss eines Vergleichs. "
" Bitte lesen Sie noch mal vor! ", sagte Richter B. zu der Protokollführerin. Die Justizangestellte neben ihm, ebenfalls längst verbeamtet, damit in einem, mindestens bis zur Pensionierung, bombensicheren Arbeitsverhältnis, wenn auch nur in den Bereichen von A 9 bis A 11 angesiedelt, leierte, eher lustlos, den einen Satz herunter.

Dann sah Richter B meine Mandantin und mich mit einem aufgesetzt strengen Gesichtsausdruck an, der suggerieren sollte, dass wir bei ihm hier und heute keine weiteren Zugeständnisse zu erwarten hätten. " Herr Rechtsanwalt W. wollen Sie der Beklagten nicht doch dringend zu einem Vergleich anraten? ", formulierte er erneut sehr oberlehrerhaft. " Ich sehe hier keine weiteren Möglichkeiten, dass sie aus der Sache heraus kommen kann. ", ergänzte Richter B.
" Können Sie die Sitzung für 5 Minuten unterbrechen? ", antwortete ich ihm. " Ja, selbstverständlich! ", war seine sofortige Antwort.

Ich stand auf und ging mit Claudia G. auf den Gerichtsflur. Dann legte ich los. " Also, du kommst da nicht ohne weiteres heraus. Selbst wenn wir einen Gutachter zu dem Schadenverlauf beauftragen könnten, wird der nicht viel mehr feststellen können, als dass was D. jetzt gerade dem Richter erzählt hat. D. hat als Vermieter keine Pflicht, dort eine andere Badewanne mit modernen Armaturen einbauen zu müssen. Dass wäre allenfalls deine Privatsache. Verstehst du? "
Claudia G. zeterte herum. Sie stieß allerlei Verwünschungen in Richtung des Ex - " Politikers " aus. Ich bin mir heute nicht mehr so ganz sicher, ob dabei auch der Begriff " Miethai " im Zusammenhang mit dem, vermeintlich bestehenden Eigentum an weiteren Immobilien fiel, aber ich unterbrach ihren Redefluss mit der Feststellung: " Das tut jetzt hier nichts zur Sache!"
Claudi G. war ruhig.

" Also schließen wir den Vergleich ab? ", wollte ich noch von ihr wissen, ehe wir den Sitzungssaal wieder betraten. Sie nickte kurz, aber dafür völlig eindeutig. Ich öffnete ihr die Tür. Dann setzen wir uns wieder hin. " Herr Rechtsanwalt W., wie haben sie sich jetzt mit ihrer Partei besprochen? ". wollte Richter B. durch eine eher scheinheilig gestellte Frage von mir wissen, obwohl er wusste, dass ich schon allein wegen der zu verdienenden Vergleichsgebühr seinen Vorschlag annehmen würde.
" Ja, wir möchten den Vergleich abschließen. Allerdings mit dem Zusatz, dass Frau G. die Summe in monatlichen  Raten zu 100 DM zahlt. ", entgegnete ich ihm in einem bestimmend gewählten Ton.
" Herr D, sind Sie einverstanden? ", wollte Richter B. von diesem wissen.
" Ja, gut. Ich bin einverstanden. ". gabt D. dem Richter zur Antwort.

" Dann nehmen wir zu Protokoll, Frau X...!", sagte Richter B., seine ihm zugeteilte Protokollführerin dabei anschauend.
" Nach Erörterung der Sach - und Rechtslage und auf dringendes Anraten des Gerichts, schließen die Parteien folgenden Vergleich:

1. Die Beklagte zahlt an den Kläger einen Betrag von ..... DM nebst 4 % Zinsen seit dem... .

2. Der Beklagten wird nachgelassen, diesen in monatlichen Raten zu 100 DM, beginnend mit dem .....  an den Kläger zu zahlen.

3. Kommt die Beklagte mit mehr als 2 Raten in Verzug, ist der Restbetrag in einer Summe sofort fällig.

4. Von den Kosten des Verfahrens, einschließlich des Vergleichs,  tragen die Beklagte 4 /5; der Kläger 1/ 5. "

" Frau X lesen Sie dann bitte noch einmal vor! ", schnarrte Richter B. in Richtung seiner Protokollführerin. Die legte in dem leiernden Ton los.
" So, richtig? ", wollte Richter B. von den Anwesenden wissen.
Sowohl der Kollege aus dem Viertel als auch ich gaben ein hörbares " Ja " ab.
" Laut vorgelesen und genehmigt. ", ergänzte Richter B. dann noch.
" Damit ist die Sitzung beendet! ", stellte er zudem fest. Wir standen auf. Claudia G. stampfte wütend in Richtung der Tür. Sie war immer noch sauer auf den Vermieter D. Dabei hatte ich für sie aus dem Verfahren das Optimum heraus geholt.

Auf Weg zum Ausgang wollte sie doch tatsächlich von mir wissen, ob sich dieser und der Richter B. kennen würden.
" Wieso? ", wandte ich scheinheilig ein, wohl wissend, dass es eher nicht der Fall war. Allerdings war D. eben in Bremen so bekannt wie ein " bunter Hund ". Und damit hatte er bei Richter B. einen Halb - Promi - Bonus. Richter sind schließlich auch nur Menschen.
" Na,ja, wie der den D. hofiert hat. ", erklärte die Mandantin weiter.
Sie hatte ja vollkommen Recht. Uns hatte er wie Bettelpack behandelt und Olaf D., den Vorzeige - Grünen aus dem Viertel sah er als Sonnenkönig.
So ist Justitia halt auch: Auf einem Auge sehend, auf dem anderen blind.

Vor dem Gerichtsgebäude verabschiedete ich mich von der Mandantin. Ich hatte noch beim Landgericht und in der Hauptpost etwas zu erledigen.

Einige Tage später ließ Richter B. das Protokoll und den Vergleich per Post übersenden. Ich behielt eine Ausfertigung in der Handakte; die andere warf ich bei der Mandantin ,in den Briefkasten ein. Ihr Name war dort noch zu lesen und das Wohnhaus lag ja nur zirka 30 Meter von unserem Büro entfernt in der selben Straße.

Das Jahr 1987 neigte sich dem Ende. Irgendwann, so kurz vor Weihnachten, ließ der Kollege, der den Vermieter Olaf D. vertrat, den geschlossenen Vergleich von " Anwalt zu Anwalt " zustellen. Das bedeutete nichts anderes, dass Claudia D. nichts oder nicht mehr bezahlt hatte und der " werte Herr Kollege " aus dem Szene - Viertel die Zwangsvollstreckung einleiten wollte.
Nun, gut, einer nackten Frau kann man ( Mann ) aber nicht in die Tasche greifen. Und ich unterschrieb das beigefügte Formblatt, auf dem ich den Empfang der vollstreckbaren Ausfertigung des Titels ( Protokolls ) bestätigte, mit Kanzleistempel und Datum versehen und sandte den Sermon in dem beigefügten Freiumschlag an den " sehr geehrten Herrn Kollegen " zurück.

Danach hörte ich von diesem in der Rechtssache des Olaf D. gegen Claudia G. nichts mehr.

Im Herbst des darauf folgenden Jahres trennte ich mich von meinen Kompagnon, meinem Sozius.
Als ich Monate später wegen eines erledigten Gerichtstermins in das einstige, gemeinsam geführte Büro hinein schaute, saß der Kollege R. hinter seinem Schreibtisch. Wir tranken zunächst einen Kaffee. R. qualmte nach wie vor wie ein Schlot, öffnete aber mir zuliebe das Fenster. Irgendwann in dem Small Talk, bei Kaffee und Zigarettenqualm, wollte ich von dem Kollegen wissen, ob er je wieder etwas von der einstigen Mandantin Claudia G. gehört habe.
" Ja! ", war seine spontane Antwort. " Die ist verstorben! ", fügte er wenig emotionslos hinzu.
Ich muss ihn dabei wie einer stehen gebliebener Trecker angesehen haben, denn er fühlte sich bemüßigt mir noch zu erklären:
" Die war krank. Die hatte AIDS! ".
" Ach, so? Dann braucht sie das Geld an Olaf D, ja nicht mehr zu bezahlen! ", gab ich ihm bestimmend zur Antwort.
" Neee, wohl nicht! ", entgegnete Kollege R. mir in einem süffisanten Unterton.

Nach 30 Jahren fiel mir diese Geschichte wieder ein, als ich die Radio Bremen - Meldung hörte. Olaf D. möchte also eine neue Partei gründen. Mit über 82 Jahren? Ganz schön mutig. Aber, so ganz nebenbei gesagt: Mitnehmen können wir alle nichts aus diesem, unserem, Leben.
Der Eine erfährt dieses früher, der andere dann eben später. Und ob etwas von uns für die Nachwelt verbleibt, liegt dann wohl doch auch daran, was wir zuvor selbst waren.
Claudia G, war nichts, Olaf D. zumindest Politiker und Vermieter.


" Electra ( Combo )  aus Dresden mit " Nie zuvor " - 1986:















 












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