Peinliche Trauerfeier



Die 80er Jahre sind ja längst passe´. Mit ihnen verging auch ein Hauch von westdeutscher Massenpopularität auf dem Sektor des deutschsprachigen Pops, dessen Artverwandter als " Ostrock " irgendwie immer noch als Untoter über die Bühnen diverser Sommer - Sauf - Events geistert. Wer diese schwere Zeit mit Punk, NDW, New Wave und alledem einigermaßen heil überstanden hat, darf sich heutzutage manchmal entspannt in den " IKEA " - Sessel zurück lehnen und bei einem Glas alkoholfreien Radler von einem der industriell arbeiten Großbrauereien, an jene Ära zurück erinnern.

Zu den zarten Pflänzchen jener Ära zählt zweifelsohne der Musiker und mehr Rüdiger Schulz, eher bekannt geworden unter " Purple Schulz ". Der bald 63jährige wurde damals durch die Deutsch - Pop - Stücke " Sehnsucht " ( eigentlich nicht schlecht, weil ein anspruchsvoller Text dahinter steht ), " Verliebte Jungs " ( Nö, war nicht mein Geschmack ) oder " Kleine Seen " ( Kenne ich nicht ) bekannt. Vor allem sein Heimatsender WDR ( 2 ) dudelte die beiden ersten Liedchen in schöner Regelmäßigkeit.

Nun, gut, dass ist mehr als als 3 Jahrzehnte her. Die Zeit ist aber zum Glück nicht stehen geblieben und das Berufsumfeld, in dem sich der Künstler tummelte hat sich längst gewandelt.
Würde ein älteres Semester einen in den Nullerjahren Geborenen fragen, ob er " Purple Schulz " kenne, wäre mit nahezu 100%iger Garantie, die Antwort: " Nein , Nee oder Nö, kenn´ich nicht! ".


 https://de.wikipedia.org/wiki/Purple_Schulz


Der Kölner ist aber - so, wie wir alle auch - seit jener Erfolgszeit nicht nur älter geworden, sondern hat sich weiter entwickelt. Dass er texten kann, sollte ihm nicht abgesprochen werden. Wer die deutsche Sprache in hinreichender Form beherrscht, der könnte auch Artikel schreiben.

Schulz hat diesen Versuch unternommen und als Gastautor einen Beitrag in der Frankfurter Rundschau ( " FR " ) geschrieben. Unter dem Titel " Ich wäre so gerne... woanders " ( FR - Magazin v. 18.08.2019, S. 9 ) setzt er sich mit  einer  besuchten Trauerfeier auseinander. 

In Köln, der Geburtsstadt des Autors, ist die Mehrzahl der Bevölkerung - immer noch - katholisch. Die Kirche hat zwar nicht mehr jenen prägenden Charakter, den - nur zu oft - unsäglichen Einfluss auf die dortige Politik sowie den berühmt - berüchtigten " Kölsche Klüngel ", aber sie ist immer noch gegenwärtig.

Spätestens bei der Beerdigung eines Dahingeschiedenen kann die Präsenz der Repräsentanten jener Glaubensrichtung nicht geleugnet werden, wenn jene in Gestalt des Pfarrers / Priester zur fleischlichen Realität wird.

In wunderbar wohl formulierten Worten erzählt Rüdiger Schulz, wie er an jenen ritualisierten Beerdigungen an deren Sinnhaftigkeit zu zweifeln begann. Er stellt nämlich fest, dass eine Trauerfeier aus ihrem Anlass heraus, bereits traurig genug sei, jedoch eine katholische Beerdigung dieses noch zu toppen vermag.

Als etwa seine verblichene Tante beerdigt werden sollte, begann der anwesende Gottesmann derart ausschweifig über das Jenseits, Schuld und Sühne zu schwafeln, dass er dabei glatt vergaß, den Namen der Tante ein einziges Mal zu erwähnen.

Bei einer anderen Beerdigung konnten jene Anwesenden der Trauergemeinde, die in der Friedhofshalle nur noch einen Platz in den hinteren Reihen erheilten, die Ausführungen des Geistlichen, der in Sichtweite vor ihnen stand, nicht verstehen, da die Akustik hundmiserabel war.

Die Trauerhallen sind in dem Schulz´schen Artikel ohnehin ein Thema für sich. Ein Mal war ein solches Gebäude stockfinster, ein anderes Mal war es innen saukalt. Erst nachdem zwei Gasbrenner eine Viertelstunde vor dem Trauergottesdienst angeworfen wurden, erwärmte sich der Innenbereich des Gebäudes. Der Lärm, den dabei die Aggregate verursachten war dann eher noch erträglich, denn wirklich störend.

Dazu verspätete sich allerdings der Gottesmann. Während er sich in seine Dienstkleidung wirft, dudelt im Hintergrund ein Radioprogramm mit Verkehrsfunknachrichten. Die Anlage stellt sich alsbald als defekt heraus. Der CD - Player, der die angemessene Trauermusik besorgen soll, sagt wegen eines Wackelkontakt manchmal gar nichts, oft schwankt die Lautstärke. Dann lässt sich ein auf den Silberling gebrannter Titel überhaupt nicht abspielen.

Eine Trauerfeier mit Hindernissen. Eine nahezu groteske Situation für die Trauergemeinde, die dabei eher peinlich berührt wirkt. Niemand der Anwesenden ist allerdings in der Lage, durch tatkräftiges Handeln die missliche Lage zu entschärfen.

Nachdem der Pfarrer eine etwa zehn-minütige Andacht für den verstorbenen herunter geleiert hat, tritt die Enkeltochter des Verblichenen vor und spricht zu dem traurigen Anlass einige tröstende , persönliche Worte. Als die Feier in der Trauerhalle dadurch endlich ein menschliches, ein würdevolleres Antlitz erhält, klingelt plötzlich das Handy des Pfarrers unter dessen Soutane. Peinlich berührt holt der Gottesvertreter das moderne Kommunikationsmittel hervor und stellt es auf " Flugzeugmodus " ein. 

Die Urnenbeisetzung verläuft danach wieder routiniert und nach Plan. So, als wäre zuvor der gesamte Ablauf der Trauerfeier ohne Zwischenfälle abgespult worden.

Eine Trauerfeier mit Happy End wird es dann doch nicht. Der Autor Rüdiger Schulz beschreibt dann in einigen, leicht ironischen Sätzen, wie die eher traurige Festivität dann doch wieder peinlich wird.

Nachdem die Erde auf der Urne geworfen war, die Grabstelle, der Friedhof von den Trauergästen verlassen werden konnte, baten die Angehörigen zum so genannten " Leichenschmaus " in ein nahe gelegenes Lokal. Es gab die üblichen Speisen, nämlich belegte Brötchen und Suppe. Trotz ihrer einfachen Herstellung war deren Qualität unsagbar schlecht. Die belegten Brötchen waren mit Pergament artig geschnittenen Wurstscheibchen belegt, an denen auch noch sichtbar gespart wurde. Statt zwei überlappender Wurstscheiben lag eine auf dem Brötchen. Die Suppe schmeckte nach nichts. Auf den Tabletts mit den Brötchen fehlen Beilagen, wie Schnittlauch und Petersilie.

Der " Leichenschmaus " war billig zusammen geschustert, so, wie das Ambiente des Lokals auch, denn die Gästetoiletten waren defekt. Zu allem Überfluss mussten die Trauernden im Bedarfsfall auch noch das Haus des Verstorbenen, dass sich gegenüber befand, aufsuchen.

Als dann das dicke Ende der Trauerfeier auf die Witwe in Form der ihr präsentierten Rechnung zukommt, muss sich der Artikelschreiber beherrschen. Diese war derart hoch, .. " dass es dem Fass den Boden ausschlägt ", wie es Schulz formuliert.

Er kritisiert die Pietätlosigkeit mit der die heutigen Trauer - Dienstleistungen angeboten und erbracht werden.
Die Trauerfeier muss in ein richtiges Licht gesetzt werden, nämlich durch eine Umgebung, in der sich die Zusammengekommenen ein wenig verstanden fühlen; durch und an einem Platz, der es ermöglicht, in jenem schweren Moment der Beisetzungsfeier ein wenig enger zusammen zu rücken und sich dabei an den Verstorbenen gemeinsam erinnern zu können.
Dabei kann den Anwesenden klar werden, dass sie ja noch unter den Lebenden verweilen und sie sich darüber bewusst sein können, aus der ihnen jeweils gegebene Zeit etwas für sich, für andere zu machen.

Der Artikel erinnerte mich an die vielen Trauerfeiern, an denen ich bislang teilnehmen durfte. Peinlich waren diese zwar nicht, wohl aber das Geschehen davor und danach.

" Purple " Schulz liegt mit dem Hinweis in seinem " FR " - Artikel richtig: Uns ist nur eine bestimmte Zeit gegeben; wir sollten diese sinnvoll nutzen. Streitigkeiten, Erbschaftsauseinandersetzungen und ein auf Neid und Missgunst basierendes Handeln zählen jedoch nicht dazu.


" Purple Schulz " - " Sehnsucht " - 1985:





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