Küchen - Chaos



Freitagabend, so zirka 1 Stunde vor dem Auftritt meiner Grün - Weißen gegen den Nachbarn aus der schrumpfenden Stadt Delmenhorst, passierte es wieder: Der " Miele " - Küchenherd mit den fünf Ceran - Kochplatten, er wollte nicht angehen. Besser: Er verweigerte seine Dienste! Das aus Resten der letzten beiden Mahlzeiten zusammen gesetzte Mahl schien in weite Ferne gerückt zu sein.

Meine bessere Hälfte versuchte sich über einen längeren Zeitraum vergeblich, dem widerborstigen High - Tech - Gerät irgendwie Leben einzuhauchen. Sie drückte die Sensortasten, sie wartete einen Moment, drückte die Fingerkuppe großen Kreise erneut. Es tat sich nichts. Der Herd, er verweigerte die Befehle.

Dann hörte ich ein lauter werdendes Fluchen; schließlich erschallte der Ruf aus der ersten Etage nach oben. Ich sollte den Freund und Helfer in Gang setzen. Gehorsamst stieg ich aus dem Arbeitszimmer hinab, nach unten in die Küche, wo der E - Kochherd nicht funktionieren wollte.

Ich versuchte mein Glück. Doch auch ich scheiterte kläglich an der undurchsichtigen Technik. Immerhin wurde mir sofort klar, dass die so genannte Kindersicherung in Betrieb genommen wurde. Das bedeutet, der Herd ist gesperrt. Keine der fünf Ceranfelder lässt sich einschalten. Nichts geht mehr!

Nach mehreren Versuchen, die Kindersicherung wieder auszuschalten, watschelte ich in den Keller. Dorthin, wo die Bedienungs - und Einbauanleitung für sämtliche Elemente der schmucken " Miele " - Einbauküche in einem Regal verstaut waren. Ein richtig dickes Paket lag vor mir. Ich öffnete die Klarsichthülle und sah mir die Unterlagen an. Aha, da haben wir sie schon, die mehrsprachig gehaltene Anleitung.

Ich stieg aus dem Keller wieder hoch, las mir die Beschreibung durch und fand heraus, dass bei eingeschalteter Kindersicherung, diese sich über die Drei - Finger - Drück - Methode wieder entsperrt werden kann. Ergo, setzte ich diese Methode auf unseren " Miele " - Herd an.

Nach mehreren, leider vergeblichen Versuchen, gelang es mir den Herd zu entsperren.

Das Abendessen war gerettet, die Reste konnten verbraucht werden. Alles wieder im Lot. Mit Ausnahme der wüsten Flüche meiner besseren Hälfte, der anschließenden, teils unsachlich geführten Diskussion und der beiderseitig zutreffenden Erkenntnis dass der " SMEG " - Herd in der ehemaligen Küche in Dresden um Lichtjahre besser war, da er sich einfacher beidienen ließ, hing der Haussegen wieder gerade.

Diese neumodischen Einbauküchen, die es so ab der Preiskategorien von 30 bis zu 70.000 Euro zu kaufen gibt, sie haben nicht nur Vorteile. Klar, solche technischen Wunderwerke mit viel Design, Schnickschnack und optischen Glanz, sind schon eine andere Hausnummer als unsere einst zusammen gesetzte Selfmade - Küche. Die Bella Cucina, wie sie der dickbäuchige Toto Rosello immer prahlerisch nennt, sie ist bei den Häusle - Eigentümern oft ein wahrer Hingucker. Doch zweckmäßig? Eher nur zum Teil.

Wer allerdings Fertigfraß bevorzugt, mit einem solchen Hochpreis - Schnickschnack eh nicht umgehen möchte, den interessiert auch keine Kindersicherung, mit der die Ceranfelder einfach außer Betrieb genommen werden.

Während ich mit etwas ungelenkten Erklärungsversuchen über die Funktionsweise und das Entsperren des Herdes dozierte, erinnerte ich mich an jene Zeit als meine verstorbene Mutter eine damals sehr teure Einbauküche hatte, in der der " Neff " - E - Herd mit Sensortasten, Cerankochfeldern und eben just einer solchen Kindersicherung des Öfteren herumsponn und seinen Dienst quittierte.
In schöner Regelmäßigkeit rief dann die der Verzweifelung nahe stehende, lahm gelegte Köchin bei meinem Schwager an, die sich viele Male als Retter in der Not zeigte und trotzt wilder Flüche sowie ausgiebiger Schimpfkanonaden das Malör beseitigen konnte.

Einige Male telefonierte Muttern denn auch mit mir im Büro und bat beinahe flehentlich um einen Tip, einen klugen Rat oder um Hilfestellung. Ja, es waren die Tücken der Technik, die dabei auch nicht vor dem hohen Alter Halt machten. Es war die Eitelkeit des manipulierten Kaufens, jener Konsumartikel, die niemand, jedenfalls in dieser Funktionsform, braucht. Eine Einbauküche für den einstigen Preis eines Mittelklassewagens? Wer benötigt diese?

Gut, ja, gut, ich sach´ma´, auch oder vor allem diese Möbel kommen auch in die Jahre. Sie nutzen sich ab, sich werden durch den technischen Wandel überholt, gelten danach als veraltet, die verursachten dazu noch Reparaturkosten.
Wie lange kann, darf, soll, muss, eine teure Einbauküche genutzt werden?

Das Abendessen stand auf den Tisch. Wir hatten es gemeinsam zubereitet. Aus den Resten der Vortage, als die Enkel noch zur Ersatzbetreuung verweilten. Wozu benötigt ein E - Herd eine Kindersicherung, wenn gar keine Kindern mehr im Haushalt sind? Diese Frage kann ich nicht beantworten. Ich vermute aber, dass dieser technische Zusatz deshalb eingebaut wird, um einen hohen Qualitätsstandard zu suggerieren. Wohlwissend, dass die Mehrzahl der jüngeren Käufer eigentlich gar nicht mehr kochen können, werden Herde aber so gebaut und dem Konsumenten angeboten.

Ich erinnere mich noch, dass die damals noch verhältnismäßig teuren Küchenherde ab Mitte der 1970er Jahre immer beliebter wurden und ab den 1980ern von allen namhaften Küchenherstellern angeboten werden konnten. Nichtsdestotrotz waren sie einst noch sehr Reparatur anfällig. Als Mitte der 1990er Jahre die Ceran - Technik des " Neff " - Herdes in der elterlichen Küche ihren Geist aufgab, wurde sie komplett gegen ein Ersatzeinbau ausgetauscht. Eine Reparatur war unmöglich und / oder viel zu teuer. Das galt aber auch für den Austausch, der kostete nämlich auch schlappe 1.000 DM.

Technik hat eben auch Tücken! Da mag die angebrannte Milch, der Spinat mit dem Blub oder die überkochenden Kartoffeln im Topf noch das kleinere, der sich einstellenden Problem sein.
Küchen - Chaos. Wohl dem der nicht kochen kann!



" Climax Chicago Bluesband " - " Reap What I´ve Sowed " - " A Lot Of Bottle " - 1970:







Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

" Eine Seefahrt, die ist lustig. " - nur nicht in den 60er Jahren zum AOK - Erholungsheim auf Norderney.

" Oh Adele, oh Alele, ah teri tiki tomba, ah massa massa massa, oh balue balua balue. " und die Kotzfahrt nach Wangerooge.

Widerspruch zwecklos!