Katzen - Albtraum



Ich liebe Katzen. Und dieses schon seit meiner Kindheit. Einst schleppte unser Vater eine ausgesetzte Jungkatze in seiner speckigen Ledertasche, in der sich sonst jeden Morgen eine Butterbrotsdose, eine Thermoskanne, manchmal auch Obst aus dem eigenen Garten und am Abend eine stinkende Ausgabe der " Schweine - Zeitung " mit den vier Buchstaben befanden. Letzteres Mitbringsel holte er sich, weil er zu geizig war, von seinen Maurerkollegen, die die Zeitung nach dem Lesen achtlos auf dem Tisch der Baubude liegen ließen. Statt Bier und Schnaps zu konsumieren, brühte sich unser Vater einen Kräutertee, den er - heimlich - im Keller mit zwei geschnittenen Knoblauchzehen anreicherte.

Das übel riechende Gesöff  stellte er, zuvor ordentlich mit dem Zeitungspapier der ausgelesenen Exemplare des Springer´schen Kampfblattes wider der sozialistischen Umtriebe der Dritten Kolonne Moskaus in Westdeutschland ( gemeint war immer die SPD, weil die KPD längst verboten war ) an den äußersten Rand der speckigen Aktentasche, deren Nähte sich bereits in der Auflösungsstufe befanden, so hinein, dass sie nicht umkippen konnte und vor allem der, aus einem Glas ähnlichen Gemisch hergestellte Einsatz, nicht zerbrechen konnte.

Dieser war nämlich teuer. Er kostete beinahe genauso viel, wie die Thermoskanne selbst. Meine Eltern aber waren geizig und achteten pingelig darauf, dass weder zu viel an Speisen, Klamotten ( es gab oft nur eine neue Hose pro Jahr ) und anderen Dingen, die für das Leben von damals als unumgänglich galten, gekauft werden mussten. Deshalb schlachteten meine Eltern jedes Jahr ein Schwein. Ein zweites wurde zwar mit groß gezogenen, dann aber anschließend verkauft, um von dem Erlös zunächst zwei neue Ferkel und das notwendige Futter aus der Mühle im Nachbardorf kaufen zu können. Das könnte beinahe eine Abart der Tauschwirtschaft gewesen sein. Na,ja, so ähnlich eben.

An einem solchen Tag verschwand ich immer in die letzte Ecke des Hauses, dass beim Schlachten fürchterlich nach Schwein stank. Dafür gab es dann ab Mitte November wieder Fleisch und Wurst. Und dieses auch für die Katze, die inzwischen und dieses gegen den erklärten Willen unserer Mutter irgendwann seit dem Sommer bei uns ein neues Zuhause gefunden hatte. Wir nannten sie schlicht " Mietzi ".

" Mietzi " entwickelte sich dank unserer Fürsorge prächtig. So prächtig, dass sie zirka 9 Monate später zum ersten Mal rollig wurde. Das hatte fatale Konsequenzen, denn " Mietzi " gebar im Mai des Folgejahres fünf Junge. Die wenig später genauso schnell wieder aus unserem Leben verschwanden, wie sie gekommen waren. " Mietzi " warf  dann im November erneut drei Junge. Im Mai des Folgejahren wiederum. Und, und, und...

" Mietzi " bekam bei der üblichen Vermehrungsschlacht ständig Besuch von in der Nachbarschaft gehaltenen Katern. Dann herrschte auf und vor dem elterlichen Grundstück ein reges Treiben. Es drangen die typischen Schreie durch die Nächte. Unserer Mutter wurde es zuviel, sie schüttete einen Eimer kaltes Wasser aus dem Schlafzimmerfenster, unter dem die Bolzerei tobte. Seit dem war auf dem Grundstück Ruhe.

An einem Ferientag Mitte der 60er Jahre fanden wir " Mietzi " am Rand der Bückeburger Straße. Eines der dort fahrenden, wenigen Autos hatte die Katze erwischt. Wir waren traurig und begruben " Mietzi " auf dem Grundstück, setzten ihr ein kleines Holzkreuz und wollten sogleich eine neue Katze. Unsere Mutter bügelte - über Jahre mit Erfolg - dieses Ansinnen ab.

Im Frühjahr 1970 brachte unser Vater erneut eine Katze von der Baustelle mit. Sie war schwarz. Wir nannten sie deshalb " Blacky ". Eigentlich hatten wir längst andere Interessen. Doch die Katze bekam von uns regelmäßig Milch und Essenreste. " Blacky " wurde dann immer dicker. Nicht weil wir sie so gut fütterten. Sie war trächtig. Ihren Wurf hatte " Blacky " gut versteckt. Sie verschwand deshalb Tage lang und kam nur zum Fressen an das Haus.

An einem kam " Blacky " mit einem Katzenjungen an. Es war bereits Hand groß. Ich sah beide Katzen zum letzten Mal auf dem gemähten Rasen. Sie wanden sich Morgens im Todeskampf und hatten beide Schaum im Maul. Rattengift!

Viele Jahre danach waren Katzen für mich kein Thema mehr. Ich hatte andere Lebensinhalte. Im Frühling 1981 fuhr ich nach Wilhelmshaven. Dort verschenkte ein Ehepaar mehrere Katzen. Ich suchte mir einen schwarzen Kater aus und hielt ihn viele Monate in meinem Zimmer im Mensa - Studentenwohnheim. " Cara ", so nannte ich den Kater wurde dann von einem Tierarzt in Bremen kastriert. Ab Herbst des Folgejahres lebte " Cara " dann im elterlichen Haus. Dort starb er dann Ende der 80er Jahre.

In dem Zeitraum danach hatte ich noch mehrere Katzen. Zwei von ihnen päppelte ich mit künstlicher Milch, die ich lauwarm zubereitet, mit einer Pipette verabreichte. Beide Katzen überlebten und  mehr als 10 / 15 Jahre bei mir .

Heute Morgen, in den frühen Stunden, erschienen unsere drei Katzen am Bett und verlangten Futter. Ihnen ist es hier zurzeit zu unruhig. das ständige Getrampel, Gelaufe, die permanente Geräuschkulisse, nein, das mögen auch unsere drei Vierbeiner nicht. Sie lassen sich tagsüber kaum sehen und erscheinen erst dann, wenn die Enkel zu Bett gegangen sind.

Vor einigen Tagen hat unsere Dreifarbenkatze " Nele " in unser Bett gepinkelt. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass ihr die jetzige Situation nicht passt. Dreifarbenkatzen sind schwierig. Sie haben einen ganz speziellen Charakter. Ich weiß dieses aus eigener Erfahrung, weil ich selbst eine gehalten habe.

Diese Erlebnisse und die ständige Unruhe im Haus hinter ließen bei mir einen bleibenden Eindruck. Am heutigen Morgen hatte ich einen Albtraum. Er beinhaltete auch Katzen. Sie waren irgendwo in irgendeinen Keller eingesperrt. Ich saß auch dort und musste sie füttern. Als ich später aufwachte, konnte ich mich nicht mehr an alle Einzelheiten erinnern.
Wohl aber an eine Geschichte in den späten 1980er Jahren, von einer promovierten, aber nicht mehr praktizierenden Bremer Ärztin. Sie lebte in einer schmucken Villa in Oberneuland.

Oberneuland ist ein Stadtteil, der an der Peripherie der Hansestadt liegt und einst von wohl habenden Bremer Kaufmannsfamilien, jetzt eher von Neureichen und / oder lokalen Prominenten bewohnt wird.

Die ältere Dame hatte einen kleinen ( eher wohl größeren ) Dachschaden. Sie hielt in ihrem opulenten Haus mehr als 50 ( ! ) Katzen, die sich natürlich unkontrolliert vermehrten. Frau Doktor hatte zudem einen weiteren Spleen. Sie fütterte alle Katzen mit rohem Rinderfleisch, dass sie in einem Kellerraum, der neben der Heizung lag, auf einer Schlachtebank frisch zubereitete.

Nicht nur die einstige Ärztin war betagt, ihre Heizung auch. Deshalb mussten die Mitarbeiter einer Fachfirma, die das Büro neben meiner damaligen Kanzlei unterhielt, regelmäßig dort Reparaturarbeiten durchführen. Ganz zum Leidwesen der Herbeigerufenen, denn es stank bestialisch in dem Haus. Bald wollte keiner der jüngeren Männern dort hinfahren, um den Auftrag zu erledigen; zumal Frau Doktor ihnen auch noch Kaffee und Kuchen anbot.

Diese, in meinem Gedächtnis haften gebliebene Geschichte muss wohl teilweise den Albtraum ausgelöst haben.

Ich ging ins Bad und schaute auf die Uhr. Es war 5.45 Uhr. Ich wusch mein Gesicht mit kaltem Wasser und damit die Schweißperlen von der Stirn ab. Puh, was für ein Katzen - Albtraum!



" Krokodil " - " Morning Dew " - 1969:


 

 

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