Schwalbenflug



Tag 10 der Invasion von der Wega ( Zeppelinstraße ). Die Invasoren haben heute eine eigene Küche bekommen. Ein Quantensprung in Sachen Selbstversorgung. Ab Freitag wird das eigene, sehr schmucke Häuschen in Oberschleißheim soweit hergerichtet sein, dass dort die Übernachtungen möglich, eine Dauerverköstigung gewährleistet und das Bedienen des eigenen Nachwuchses voll umfänglich und nahtlos weiter geführt werden darf.

Ich schaue nach einem heftigen Regenguss aus dem Fenster des Musikzimmers. Meine Sat - Anlage ist leider noch nicht funktionstüchtig. Die Installationsbedingungen sind hier anders als in Dresden.
Beim Hinaussehen auf die regengraue Landschaft und den sich wieder verdunkelnden Himmel erkenne ich einige Schwalben. Es sind Jungschwalben, die sich in akrobatischen Flugeinlagen versuchen und dabei die sich jetzt in niedrigerer Luftbereichen tummelnden Mücken fressen.

Der Nachwuchs ist seit einigen Wochen flügge, hat das von den Eltern gebaute Nest verlassen und muss auf eigne Nahrungssuche gehen. Vorbei ist es mit dem beinahe 12stündigen Schnabel aufreißen, dem wilden Gezeter um die von beiden Elternteilen heran bugsierte Insektennahrung und das ständige Behüten des Nests.

Nun heißt es: Do it yourself! Ernähre dich selbst!

Die Jungschwalben sind binnen weniger Wochen zwischen dem elterlichen Nestbau, der dort vollzogenen Eiablage und dem Ausbrühten des Geleges, heran gezogen worden. Wenn sie im Juli die von der Natur vorgesehene Größe und das entsprechende Gewicht erhalten haben, starten sie mit den Flugversuchen. Ob es sich dabei um Mehl - oder Rauchschwalben handelte, konnte ich aus der Entfernung und bei den rasanten Flugmanövern nicht erkennen.
Beide Arten sind hier heimisch.

Während ich dem Treiben der Schwalben zuschaute, fiel mir ein kürzlich geführtes Gespräch mit der Nachbarin ein. Sie ist Mutter von drei Kindern, die auch längst flügge sind. Ich erklärte ihr, dass ich vor längerer Zeit gelesen hätte, dass ein Kind von Geburt bis zum Ende der Ausbildung zirka 150.000 Euro kosten würde. Sie widersprach mir und meinte, es sei der doppelte Betrag. Tja, wozu hat der modern denkende und handelnde Mensch das Internet? Und dort steht ein Betrag von zirka 7.000 Euro pro Jahr bis zum 12. Lebensjahr und bis zum 18. von bis zu 8.500 Euro pro Jahr. Die Verbraucherzentrale in Bayern hat einen Betrag bis zum Ende des Studiums um 230.000 Euro veröffentlichen lassen.

Da sind die Schwalbeneltern natürlich besser dran. Und diese ziehen teilweise 2 bis 3 Gelege pro Jahr in der nur kurzen Zeit von Ende April ( 25. April ) bis zum Teil Ende September groß.
In den Gelegen finden sich zwischen 2 bis 4 Eier.
Die in einem Zeitraum von etwa 17 Tagen ausgebrütet werden. Die Brut verlässt dann nach etwa 20 bis 22 Tagen das Nest und hilft sogar bei der Aufzucht der weiteren Jungen.

Es begann wieder zu regnen. In der Küche war das Essen fertig. Vier Erwachsene waren daran beteiligt. Ich hatte eingekauft und die Zutaten aus dem Keller geholt, den Müll herunter gebracht und einen Teil der Abwäsche erledigt. Meine bessere Hälfte produzierte die Buletten und verfeinerte das Sauerkraut mit Möhrenscheibchen, einer Zwiebel sowie einer Prise Salz und Pfeffer und einem Schuss Essig. Unsere Tochter schälte einen großen Topf Kartoffeln und der Schwiegersohn erledigte die Kocharbeiten, das Tisch decken; während ich noch die Getränke aus dem Keller besorgte.

Ein richtig eingespieltes Küchen - und Kochkollektiv.

Und dieses alles für die Kinder oder Enkelkinder.

Schwalbe müsste man sein, dachte ich so bei mir als die letzten Vögel nach irgendwo entschwanden. Es regnete zu stark. Da suchen die Jungvögel sich lieber einen Unterschlupf. Nahrung gibt es jetzt auch nicht mehr. Der morgige Tag soll wieder sonniger werden. Da könnten die Schwalben ihre Nahrungsaufnahme fortsetzen. Schließlich müssen sie so kräftig werden, dass sie den mehrere tausend Kilometer langen Flug bis in das heiße, dann nur noch sehr warme Afrika, absolvieren können. Viele von den Jungvögeln kommen aber dort nie an. Sie bleiben irgendwo in Italien in den Netzen hängen und werden dort als Delikatesse von Menschen verspeist.

Da möchte ich doch lieber nicht Schwalbe sein.

Und die sehe ich noch bildlich vor mir. Als in den letzten Augusttagen des Jahres 1981 sich auf den Strom - und Telefonleitungen in Pennigbüttel und 9 Jahre später in dem Heidedorf Hankensbüttel sammelten, um den langen und beschwerliche Flug nach Afrika anzutreten.

Ich fand dieses Ereignis schon damals faszinierend und fragte mich dabei, wie ein so kleiner Vogel, solche Strapazen überstehen kann? Einige Jahrzehnte später ist mir längst klar, dass die Schwalbe es schaffen muss, denn sonst käme sie in knapp 8 Monaten nach ihrem langen Flug nicht wieder zurück.

Sollte es immer warm bleiben, weil die Klimaveränderung die Zonen weiter in Richtung Mitteleuropa verschiebt, muss die Schwalbe bald keine so lange Reise mehr antreten.


Kate Bush - " Night Of The Swallows " - " The Dreaming " - 1982:



 " - " Swallow The Sun " - " Sleepness Swans " - 2009:






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