Wohnst du schon oder schraubst du noch?


Vorgestern war Sonntag. Wer die Bibel zum Leitfaden seines Lebens gemacht hat oder dieses noch machen möchte, sollte den Sonntag als Ruhetag anerkennen. Doch: Dem ist schon lange nicht mehr so. In der komplizierten Welt der Industrienationen ist der 7. Tag der Woche ebenso ein Arbeitstag wie alle anderen sechs Tage auch. Damit hier das Zusammenleben einigermaßen funktioniert, gehen auch am Sonntag einige Millionen Menschen ihrer Arbeit nach.

Ob dieses nun freiwillig, aus freien Stücken also, oder durch verpflichtende Vereinbarung mit dem Arbeitgeber geschieht, lasse ich jetzt dahin gestellt. Auf jeden Fall wird auch sonntags fleißig gewerkelt, überwacht und geprüft, telefoniert, gemailt oder auch Auto gefahren.

Das neue Anwesen ist längst noch nicht fertig. Da hat der beauftragte Bauunternehmer den Mund viel zu voll genommen. Und wenn dazu noch Missverständnisse kommen, weil die Deckenaussparungen
für die " Fluter " nicht passig erstellt wurden, dann muss eben die gesamte Anzahl an Einbaulöchern verändert werden. Mehrarbeit nennt sich das dann.

Diese verzögert die Baufertigstellung, den tatsächlichen Einzug und das Wohnen in dem schmucken Domizil.

Wie gesagt: Sonntag ist der Tag des Herrn. Da sollte nicht gearbeitet werden.

Als wir bei satten 28 ° C in die Straße zum neunen Heim der zwischenzeitlich aufgenommenen Familie bogen, war kaum ein Parkplatz zu bekommen. Es standen eine Reihe von Transporter und PKW vor den beiden Bauten. Immerhin gelang es uns, die Behälter mit dem Essen bis zu der Haustür zu schleppen. Die beiden Enkel waren längst vor gelaufen und hatten - so sind die Kinder halt - uns die Tür vor der Nase zugeklappt. Bumm, da standen die beiden Alten vor verrammelter Tür.

Die weitere Inspektion der Baustelle ergab, dass mit einem tatsächlichen Einzug frühestens zum Ende der begonnene Woche zu rechnen sein dürfte. Und dieses nur, wenn ein gewaltiger Kraftakt dahinter steht.

In den drei schmucken Kinderzimmern wurde fleißig geschraubt, gehämmert und genörgelt ( Letzteres eher weniger ). Es lagen Möbelkartons auf den Böden, Werkzeug paarte sich mit Montageteilen und diese lagen wiederum dazu - eher unverständlich formulierten und schlecht bebilderten - Bauanleitungen.

Wie schon geschrieben: Ich erinnerte mich an die Bibel und das Arbeitsverbot an Sonntagen.

Die drei ebenfalls anwesenden Elektriker aus Kroatien entschwanden höflich als wir den Raum, der später Wohnzimmer werden soll, als wir den dort stehenden Tisch mit dem improvisierten Mittagessen belegten.

Ich hatte via Perpedes einen Jutesack voll " Sonntagsbrötchen " bei dem örtlichen Bäcker geholt - zu " Sonntagspreisen ", versteht sich. Denn: Wer am Sonntag arbeitet, verdient, nein, muss mehr Geld verdienen. Das gilt auch für den Bäcker, der diese leckeren Backwaren verkauft. So kostete der Brötchensack mehr als jene Brüder oder Schwester, die es von Montag bis Samstag in dem nur einige Hundert Meter entfernt liegenden, beiden Supermärkten zu kaufen gibt. Exakter ausgedrückt: Ich hätte von dem Preis für die " Sonntagsbrötchen " sechs Tage lang  " Alltagsbrötchen " im Supermarkt erhalten.

Die Bäcker - Brötchen gingen weg, wie warme Semmeln. Weil es eben Bäcker - Brötchen und keine Supermarkt - Brötchen sind. Auch die aufgeschnittene " Ungarische " war ratzeputz alle. Die " Rettet die Bienen " - Marmelade beinahe auch. Was übrig blieb, war Käse - Allerlei und und Schnittwurst. Die Mitarbeiter der Elektrofirma kehrten inzwischen wieder an ihren Arbeitsplatz zurück. Wir räumten langsam das Schlachtfeld auf. Ich überlegte einen Moment, was mit den teuren " Sonntagsbrötchen ", die nicht den Weg in die Mägen gefunden hatten, nun geschehen soll. Mir kamen die Erinnerungen an unseren " Riesen " - Umzug von Dresden nach Eching.

Ich sah die Jungs aus Berlin und den Spediteur. Nach einigen Stunden hatten Maloche hatten sie sowohl in Dresden als auch in Eching " Kohldampf ". Wir schmierten ihnen Brote bzw. ich besorgte gegen Mittag vom nahe gelegenen Supermarkt Brötchen und Auflage. Von dem winzigen Stück trockenen Kuchen, dass sich die Berliner Jungs mitgebracht hatten, wird ein arbeitender Mann nicht satt. Die beiden Studenten, die als Aushilfen noch zusätzlich geordert worden waren, erst recht nicht, denn sie waren " brotlos " angekommen.

Gerade diese, noch frischen Erinnerungen, verhalfen uns zu der Entscheidung, auch den drei Männern der Elektrofirma aus Kroatien eine kleine Mahlzeit zukommen zu lassen. Wir schnitten die Brötchen auf, belegten sie mit Käse und Wurst und fügten die noch frischen Brezen auf einem anderen Teller mit hinzu. Der Snack wurde dankbar angenommen  und verspeist.

Arbeiten macht hungrig. Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Aus der Zeit, als ich selbst in den Schul - und Semesterferien malochen gehen musste, um mir einen eigenen Wunsch erfüllen zu können oder einfach, weil ich die Knete brauchte, um das Studium zu finanzieren.

Zurück zur Hausbaustelle. Ein Teil der Möbel war zusammen geschraubt. Es sah schon wieder leicht wohnlicher aus. Es sah nach Kinderzimmer aus. Die Ferien sind am 9. 9. 2019 ( eigentlich auch ein schönes Datum, um eine Ehe zu schließen oder um endgültig einzuziehen ) in Bayern zu Ende.
Beim Verlassen des Hauses, der Baustelle, der Straße mit den älteren, aber immer noch schmucken Flachdachgebäuden, die mittlerweile Priese im unteren siebenstelligen Segment erzielen, erinnerte ich mich an einen zutreffenden Spruch des Entertainer Harald Schmidt:

" IKEA! Wohnst du schon oder schraubst du noch? "

Ich musste leicht grinsen. Wir waren ja mal alle jung, oder?

Dann kam ich auf den " Stones " - Klassiker:



" Gimme Shelter " - " Let It Bleed " - 1969:






Die Sommerferien sind noch lang!




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