Mondspaziergang


Tag 7 der Enkelbetreuung. Gestern waren wir gemeinsam im nicht einmal ansatzweise bezugsfähigen Neubau des angeheirateten Familienteils. Die Möbel aus dem verkauften Objekt in U. sind schon dort, wo sie alsbald stehen sollen. Sie haben ihre zweite Nacht hier verbringen dürfen. Dazu kamen seit vorgestern weitere Lieferungen einer Spedition. Noch nicht geöffnete Kartonagen lagen deshalb, fein säuberlich verteilt, in beinahe allen Räumen herum. Ein halbfertiges Haus ist wie ein Aus - und Einzug. Von jedem Bereich etwas. Hinzu kommen die Unwägbarkeiten des alltäglichen Lebenswahsinns.

Als da wären: Unklarheiten beim Einbau der Einrichtungen, wie Waschbecken, Abfluss - Installationen oder auch elektrische - sowie weitere Versorgungsanlagen. Ein stressiger Teil der Gewerke, die neben dem Zeitraum beim Hochziehen des Neubaus, dem Eigentümern nicht nur massenhaft graue Haare wachsen lassen.

Wir inspizieren die Räume, mit Ausnahme des Kellers. Es sieht irgendwie nach Mondlandschaft aus. Unwirklich, surreal, noch kahl. Aber, der Start in eine neue Lebensphase ist fast geglückt. Ab dem 9. September beginnt hier die Schule. Die drei Experten müssen dann ihre eigenen Räumlichkeiten haben. Es gibt viel zu tun, klotzen wir ran!

Heute Morgen miaute es ganz fürchterlich an der Schlafzimmertür. " Diego " wollte sein Futter. Stellvertretend für die drei Vierbeiner meldetet er sich - eher unpünktlich - gegen 05.50 Uhr. Müde und völlig durchgeschwitzt wuchtete ich mich aus dem Bett. Beim Öffnen der Tür sprang mir der Kater bereits zwischen den Beinen herum. Ich überlegte nur kurz, ob ich erst ins Bad oder lieber in die Küche zum Abfüttern gehe. Ich entschied mich für die Küche.

Dort empfingen mich bereits die beiden andren Katzen. Gestern war ich ausnahmsweise nicht Einkaufen. Es fehlte also der 1,69 € teure Putenbrust - Mutant vom " PENNY ". Die Katze wollte die leicht älteren Restposten in der Tupperware leider nicht akzeptieren; der Kater " Felix " indes schon. Ich schüttete Trockenfutter in die Näpfe. Dann stellte ich die Kaffeemaschine an, holte meine Lektüre ( " SPIEGEL, " FR " ) aus dem Schrank, drückte auf die Fernbedienung des Radios und wartete bei einem Pott frisch gebrühten Kaffee auf die Meldung, dass die " Bajan " gestern gegen Dortmund verloren haben.

Zirka eine Dreiviertel Stunde später rumorte es im oberen Stockwerk. Ich wusste jetzt, dass es mit der Ruhe vorbei ist. Der Enkel wird erscheinen, seine " Cerealien " aus dem bunten Karton in eine bereits auf dem Tisch stehende Keramikschale schütten, danach Milch aus dem Kühlschrank holen und dann den Fraß in sich hinein schaufeln.

So war´s denn auch. So ganz nebenbei zog er unüberhörbar seine Nase immer wieder hoch. Er hatte sich, weil er, wie die beiden Enkeltöchter auch, ständig barfuß durch die Wohnung und den Garten laufend, einen leichten Schnupfen eingefangen. Ich kramte im Küchenschrank, links unten, rechts oben, herum und puhlte eine angefangene Packung Papiertaschentücher hervor. Ich warf ihm diese - unkommentiert - neben seine Schüssel mit der Plastik - Milch - Pampe. Dort bleiben sie liegen.

Nach einem sparsamen Dialog über die " Bajan " - Niederlage, hatte er mit das " Frühstück " beendet. Damit war ich allerdings mit der morgendlichen Grundversorgung längst noch nicht fertig. Der Jüngste wollte jetzt TV - Bespassung. So, wie jeden Morgen auch. Ich stellte meinen Pott Kaffee ( Nr. 2 ) auf den Küchentisch. Was hatte der Enkel da vorhin behauptet? Eine Mutter eines Fußballkollegen würde jeden Morgen 10 ( in Worten: Zehn ) Tassen Kaffee trinken. Na, ja, Kinder übertreiben doch so manches Mal. Auf drei Pötte des Gebräus würde ich es aber auch schaffen.

Ich drehte mich um und sah rechts und links neben dem Spülbecken das Geschirr vom Vorabend stehen. Nö, das räume ich jetzt nicht weg. Die Küche sieht allerdings - nicht nur - dadurch wie eine Mondlandschaft aus. Überall liegen Gegenstände herum.

Ich gehe mit dem Enkel die Treppen herunter. Kaum hatte ich die Wohnzimmertür geöffnet, kommt mir der Hund entgegen. " Ach, der ist ja auch noch da! ", sagte ich. Wie konnte ich den Bewohner Nummer 11 nur vergessen. Die Labrador - Hündin schlägt mit ihrer Rute wild hin und her. Sie freut sich, mich, nein, uns, zu sehen. Eigentlich habe ich keinen Bock auf Hund. Sie merkt , sie spürt das, und legt sich auf das Kuhfell. Sie möchte Beachtung finden. Ich bücke mich zu ihr herunter, kraule sie am Hals, Kinn und dem Bauch. Sie grunzt zufrieden. Dann war klar: Ich gehe wieder Gassi!

Inzwischen hat unser Enkel den Plärr - Kanal wieder angestellt. Ich ziehe meine Schuhe an, hole meinen Kaffeepott und das Schlüsselbund. Dann gehe ich mit der Hündin in Richtung des Neubaugeländes. Hier wird ab Morgen wieder gearbeitet und ordentlich gelärmt. Heute ist aber Sonntag. Es herrscht Ruhe. Ein paar Vögel zwitschern. Wir nehmen den Weg rechts vom Garten. Hinter uns geht eine ältere Frau. Sie gebrüsst uns freundlich mit einem " Guten Morgen ". Ich erwidere, eher müde, den Gruß. In meiner rechten Hand halte ich den Kaffeepott. Im Gehen nehme ich in schöner Regelmäßigkeit einen kleinen Schluck. Noch ist der Kaffee nicht kalt!

Auf dem Baugelände erledigt die Gast - Hündin ihr Geschäft. Ich bin´s zufrieden. Jo, mei´, an gut erzog´ner Huan!

Wir gehen die gesamte Strecke bis der Hollener Straße. Unterwegs bewundere ich erneut den Wildwuchs auf dem Kiessand - Feld. Einen Teil davon haben die Baufahrzeuge jedoch platt gefahren und / oder umgegraben. Dann fallen mir kleine Löcher auf, die  Kinder offensichtlich gegraben hatten. Mindestens ein Dutzend davon sind zu erkennen. Die Labradorhündin interessieren sie nicht. Sie trippelt achtlos daran vorbei und läuft schnurstracks auf die Erdaufschüttungen zu.
Sie möchte die Hügel hoch. Ich tue ihr den gefallen und steige mit hoch.

Auf dem Rückweg fällt mir ein, dass mit den gebuddelten Löchern im Kiesboden die Fläche einer Mondlandschaft ähnelt. Dann kommt mir noch der Song von Kris Kristofferson / Johnny Cash " Sunday Morning Coming Down " in den Sinn. Na, ja, mit Bier am frühen Morgen habe ich nichts am Hut. Dafür trinke ich lieber Kaffee. Und wenn ich auf meine von einer modernen Waschmaschine gereinigten Wäsche schaue, muss ich konstatieren, dass es mir im Jahr 2019 nach Chr. doch sehr gut geht.
Mir fällt dazu ein:

Dass mehr als 2 Milliarden Mitbewohner unseres Planeten keinen garantierten Zugang zu sauberem Wasser haben, dass in 52 von 119 untersuchten Staaten, eine durchgängige Nahrungsversorgung nicht gewährleistet ist und dass es nur in der " kleinen " Bundesrepublik Deutschland mindestens 600.000 Bewohner ohne feste Unterkunft gibt.

Da sind solche Problemchen, wie ein ständiges Hinterherräumen von Gläsern, Tassen, Tellern, Eisverpackungen ( einschließlich der Stile ), Hundegebell, Katzen - Gejammer, Türenschlagen. Getrampel und Geschreie, eher marginaler Art.

Ich gehe zum Gartentor und lasse den Hund hinein. Gleich gibt es Futter. Ich bringe ihr eine Schale mit frischem Wasser dazu. Hund müsste man in Deutschland sein, statt Kind in Afrika oder anderen armen Regionen dieser Welt.

Gestern Nachmittag klingelte ein älterer Herr an unserer Haustür. Er zeigte meiner besseren Hälfte einen Spendenausweis und dazu ein schon gut gefüllte Liste mit Adressen, Unterschriften und den gegeben Geldbetrag. Er sammelte für Flüchtlingskinder. Wir haben 10 Euro gegeben.

Vor uns liegt zwar eine Mondlandschaft, aber kein luftleeren Raum.


Van Morrison - " Moondance " - 1970:





 


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