Der Onkel Tobias vom RIAS
Morgen begehen die Gesamtdeutschen zum 30. Mal den Tag der deutschen Einheit. Die Öffentlich Rechtlichen haben sich darauf bereits mit diversen Beiträgen innerhalb ihrer Programme darauf richtig eingeschossen. Schließlich sind 3 Dekaden des Konstrukts Deutschland, wie es in der wilden Nachwendezeit dann doch von den Vier Alliierten erlaubt wurde, ein langer Zeitraum. Auch wenn es eine Reihe von Schwachmaten aus der Neo - Faschisten - und Reichbürgerszene bestreiten, dieses Deutschland als der Zusammenschluss der einstigen DDR und der BRD ist ein souveräner Staat und keine mutmaßlich von den USA oder anderen dunkleren Mächten gelenkte Gesellschaft mit beschränkter Haftung ( GmbH ). Es existiert auch nicht als fiktives Gebilde in den Grenzen vom 31. 12. 1937 fort.
Das haben die 1990 ins Leben gerufenen 2 plus 4 - Gespräche und die darauf basierende Vertragsunterzeichnung bewirkt.
Geschichte ist aber nun einmal dehnbar. Sie kann gebogen,verbogen und klittert werden. Daraus werden alsdann Lügengeschichten. Solche also, die seit Jahren in den Sozialen Medien kursieren und aus deren flugs Falschnachrichten entstehen.
Derartige propagandistische Auswüchse hat es allerdings immer schon gegeben. So auch in den Nachkriegsjahren, in denen die Welt überschaubar in vier Hemisphären ausgeteilt war. Da gab es den so genannten Weste mit seiner NATO unter Führung der Vereinigten Staaten, dann den Osten und dessen Pendant, den Warschauer Pakt,; es gab das Riesenreich China in dem Mao regierte und es gab eine Vielzahl von angeblichen neutralen, weil bündnisfreien Ländern.
Jene Zeit, in der sich die zwei großen Blöcke in Ost und West nahezu unversöhnlich gegenüber standen, hieß dmals " Kalter Krieg ". In dieser Zeitspanne agierten die ideologisch verfeindeten Bündnisse in West und Ost mit einer nahezu absurden Politik gegenüber dem anderen feindlichen Lager. Hierzu gehörte eine große Bandbreite von Propagandamittel und Spionageaktivitäten.
Infolge jener politischen Doktrin gründete sich im amerikanischen Sektor der viergeteilten Stadt Berlin, der Rundfunk- und spätere Fernsehsender " RIAS " ( Rundfunk im amerikanischen Sektor ), der sich sehr schnell als propagandistischen gegenstück zu den DDR - Staatsmedien verstand. " RIAS ", auch " RIAS " - Berlin bestand von 1946 bis 1993 aus zwei Rundfunkprogrammen. Von 1988 bis 1992 gesellte sich ein TV - Sender mit eigenem, überwiegend regionalem Programm hinzu.
https://de.wikipedia.org/wiki/RIAS
Die beiden Rundfunkprogramme waren nach dem Gründerjahr eher bieder. Die Musiksendungen bestanden zum überwiegenden Teil aus Operetten - Unterhaltungs - sowie Schlagermusik.
In dieser Zeit fungierte der Schauspieler und mehr, Fritz Genschow, in einer all sonntäglichen Kindersendung als " Onkel Tobias vom RIAS ". Er ließ in seinem ab 10.00 Uhr laufenden Programm die volle Breitseite bräsig - dümmlicher Familienidylle einfließen. Damit versuchte er eine konfliktfreies Zusammenleben von Kindern mit Erwachsenen zu suggerieren. Höhepunkte dieser Sendung waren die Einlagen von " Tante Erika " ( gesprochen von Erika Görner ) sowie die fröhliche Rund der " RIAS " - Kinder bei Gesang und begleitender Gitarre und ein " Kasperle " - Auftritt.
Nun, diese bis 1972 ausgestrahlte Sendung hatte nicht nur viele Anhänger in Berlin und der BRD ( soweit der Sender dort überhaupt störungsfrei zu empfangen war ), sondern war auch bei den DDR - Kindern sehr beliebt. Weil " Onkel Tobias vom RIAS " keine offensichtlich ideologisch eingefärbten, wohl aber im Sinne der westlich - amerikanischen Kultur und der sie auslebenden Gesellschaften angelehnte Beiträge in sein Kinderprogramm einspeiste. Sicherlich gab es genauso sehenswerte DDR - Kindersendungen, jedoch gehörte " Onkel Tobias " durchaus zu den Lieblingen der im zweiten deutschen Staat aufwachsenden Kinder. Und dieses, obwohl das Hören und Sehen von Programmen aus der Hemisphäre des Klassenfeindes lange Zeit in der DDR verboten war und Zuwiderhandlungen in jenen Jahren sanktioniert wurden.
Der Initiator jener beliebten Kindersendung des " RIAS " verstarb am 21. Juni 1977 im Alter von 72 Jahren in Berlin.
https://de.wikipedia.org/wiki/Fritz_Genschow
Als ich vor einigen Jahren von meiner besseren Hälfte zum ersten Mal über die Existenz jener " RIAS " - Kindersendung Informationen erhielt, staunte ich nicht schlecht. ich kannte zwar den " RIAS ", jedoch nicht den " Onkel Tobias ", denn der Westberliner Sender konnte im Großraum Hannover nur über die Mittelwelle empfangen werden und die entsprechenden Frequenzen waren zumeist von so genannten " Ostsendern " überlagert, so dass die Empfangsqualität mäßig war. Zudem hatte der elterliche Haushalt zunächst nur ein Röhrenempfangsgerät mit Wurfantenne.
So unbekannt mir die Kindersendung mit dem " Onkel Tobias vom RIAS " auch war, so sehr war sie meiner besseren Hälfte noch in sehr guter Erinnerung. Sie sang die Erkennungsmelodie dieser Sendung aus längst vergangener Zeit, deshalb wie folgt:
" Der Onkel Tobias vom RIAS ist da.
Was wird er wohl heute uns bringen?
Er bringt uns zum Lachen, mit Freude und Sachen,
Erzählen und Spielen und Singen . "
Was sich heute etwas ungelenkt ausgedrückt und so vor sich her gereimt liest, hatte vor mehr als 70 Jahren bei den Kindern in der " SBZ " und den drei westdeutschen Besatzungszonen einen durchschlagenden Erfolg. Deren Eltern, die seit mehr als einem Jahrzehnt von der NS - Propaganda infiltriert worden waren, empfanden jene Sendung und die " RIAS " - Programme als eine Art Befreiung aus der Lügenwelt des " Tausendjährigen Reichs " und seinen willigen Helfern in den staatlich kontrollierten Medien. Und just dieses perverse Unterdrückungssystem sollte auch in dem anderen deutschen Staat, der " SBZ ", der " Ostzone " oder " Zone ", der DDR also, von den " Sovjierts " angeordnet, befördert und kontrolliert, in dem schlechteren Teil Deutschlands installiert werden. Dagegen musste sich der " entnazifizierte ", ehemalige Volkskörper aktiv zur Wehr setzen.
Der " Freie Sender " für " freie " Bürger in West - Berlin sollte aber auch in den von der so genannten Zonengrenze betroffenen Regionen empfangen werden können. Deshalb sendete der " RIAS " auch aus Hof in Bayern, das nur einen Steinwurf von der Zonengrenze entfernt lag, in die Gebiete des heutigen Thüringen, Sachsen sowie Sachsen - Anhalts.
Nun wurde mir klar, warum meine bessere Hälfte, die in Hischberg an der Saale geboren wurde und dort regelmäßig ihre Großmutter besuchte, den " RIAS " und seinen " Onkel Tobias " kannte und ich aber nicht.
So sang sie dann auch:
" Der Onkel Tobias vom RIAS war da.
Er brachte uns schöne Lieder.
Es hat uns gefallen, drum sagen wir Allen.
Am Sonntag, da kommen wir wieder. "
Mir fällt dann dazu immer ein Lied der verstorbenen israelischen Sängerin Daliah Lavi ein:
Tja, eine schöne Erinnerung, halt. Aber, wäre der " Onkel Tobias vom RIAS " noch am Leben, würde er sich im biblischen Alter von 115 Jahren angewidert von dieser Welt und der Jetztzeit in seinem Studio beim " RIAS ", in einem Stuhl sitzend, zurücklehnen und darüber sinnieren, warum sich seit 1947 nicht all zu viel zum Positiven verändert hat. Immerhin ist die ehemalige " SBZ " aber jetzt eingemeindet worden, hat ein europäisches Zahlungsmittel und krankt nicht mehr an einer Unterversorgung mit Konsumartikeln, die letztendlich niemand unbedingt braucht.
JETHRO TULL - Living In The past - 1969 /1972:
Kommentare
In diesem, unserem gemeinsamen Sinne: Einen fröhlichen Wiedervereinigungstag! Immerhin ist zusammen gekommen, was entzweit war.