Ungebetene Gäste - I. Teil: Das Wespennest



Seit mehr als 2 Wochen ist in den mitteleuropäischen Gefilden der Herbst eingezogen. Die dritte Jahreszeit bringt für die Fauna und Flora eine Reihe von Veränderungen. Tiere verlassen ihre gewohnte Umgebung, die ihnen während des Frühlings und den gesamten Sommer über nicht nur Nahrung und Nachwuchs gebracht hat, sondern auch viele Gefahren durch so genannte Fressfeinde. Dieses, über einige Monate genutzte Gefilde wiederum ändert sukzessive sein Aussehen. Bäume werfen das sich zuvor färbende Blattwerk ab, Blumen verblühen und auch Felder werden wieder kahl. 

Zu dieser Jahreszeit, in der sich viele Dinge um uns herum verändern, habe ich einst als Kind und in der Schule gelernt, dass jetzt eine Vielzahl von Tieren ihr Winterquartier vorbereiten. Die Zugvögel, wie der Kranich, treibt es gen Süden. Andere wiederum, wie der Igel,  überwintern hier und suchen einen trockenen, geschützten Platz auf. Andere wiederum, so wie die Maus, das Eichhörnchen, der Hamster, sind auf Futtersuche und legen für den kommenden Winter Vorräte an. 

Auch eine Unzahl von Insektenarten bereiten sich auf die nächste, die kalte Jahreszeit vor. So auch die Bienen, Wespen oder Hornissen.

Unmittelbar nach unserer Rückkehr von der Ostsee bemerkten wir an dem Fundament und den Natursteinen an dem der Weidenzaun befestigt ist, einige Wespen, die zunächst auf die Blätter flogen und dann im Erdreich verschwanden. Seit ein paar tagen haben wir nun Gewissheit, dass es ein Erdwespennest ist, dass unseren garten ziert. Die Insekten haben einen Spalt zwischen den Steinen als neue Behausung auserkoren. Hierin beabsichtigen sie offensichtlich zu überwintern. 

Tja, die ungebetene Gäste sind nicht unbedingt unproblematisch. Solange ein Mensch ihrem Nest nicht zu nahe kommt, bleiben sie ruhig und zeigen nur eine große Aktivität bei dem Erhalt ihres Staates. Doch sobald sie dabei gestört werden und die König sowie die Brut in Gefahr gerät, werden die Wespen aggressiv und greifen gnadenlos an.

Das musste ich damals als Kind schmerzlich erfahren. Auf unseren Ausflügen zu den Spielplätzen in der Umgebung des elterlichen Hauses, kamen wir dann und wann mit allerlei Tieren in Berührung. Ob es nun Blindschleichen, Feuersalamander oder in dem nahe gelegenen Flüsschen Aue lebende Bachforellen waren. für uns Kinder waren sie allesamt hoch interessant.

Bei einem dieser Ausflüge, der uns über längst abgeerntet Felder führte, gelangten wir zu einer Schutthalde, die der Bauer einst neben einem Wirtschaftsweg aufgeschoben hatte, weil er sich das Geld für den Abtransport sparen wollte. Damals war dieses zwar auch nicht erlaubt, jedoch sahen die Einheimischen bei dieser Art von Umweltsünden geflissentlich weg. Der Bauschutt störte niemanden, zumal er sich auf dem eigenen Land des Bauern befand und zudem mit Erde zugeschüttet worden war. 

Wir nannten diese, vielleicht bis zu zwei Meter hohen Schuttablagerungen, " Blaue Berge ". So, wie in den 1960ern eine Nachmittagssendungen des Fernsehens hieß, die in den Vereinigten Staaten spielte und von zwei heroischen Cowboy - Helden handelte, die sich - ganz im amerikanischen Selbstverständnis - gegen das ewig währende Böse stemmten. Natürlich - sie die Bemerkung zuvor - mit immer guten Ausgang für die beiden Heroen. Slim Sherman und Jess Harper hießen die zwei Hauptdarsteller.

Als unser Vater sich irgendwann in der Mitte der 1960er Jahre ein kleines Aquarium mit zwei Goldfischen kaufte, nannten wir die beiden, sehr unterschiedlich aussehenden Zierfische auch so. Slim war der dunkelblonde, der leicht dickliche Cowboy, der ein Mondgesicht hatte; Jess, sein Mitstreiter, war schwarzhaarig, hatte ein schmaleres Gesicht und war schlanker. Demnach war der helle, leicht dickere Goldfisch " Slim " und der leicht schlankere, mit den dunklen Flossen eben " Jess ".

Da wir Tier mochten, beschäftigten wir uns öfters mit " Slim " und " Jess ". Solange, bis ich eines Tages beide Fische aus dem Aquarium nahm und sie in einen Eimer warf, wo sie verendeten.

Weil Tiere, ob nun die Katze " Miezi " oder der Hund " Topsi ", das Kaninchen " Rosi " sogar eine flügellahme Taube, eine wichtige Rolle im kindlichen Umfeld spielten, war alles, was mit Tieren zusammenhing für uns interessant.

Beim Herumlaufen auf den Schutthalden, den " Blauen Bergen ", stieß ich zufällig auf ein Erdwespennest. Ich stand einige Minuten vor dem Einflugloch des Wespennests und beobachtet die Insekten bei ihrer fleißigen Arbeit. Einige Dutzend Tiere flogen in dieser Zeit in den unterirdischen Bau hinein und heraus. Dann kam ich auf die fatale Idee, die Wespen im Baus sehen zu wollen. Ich nahm einen größeren Holzstock, stieß ihn in den Einflug und wühlte damit in der Öffnung herum. Kaum hatte ich den Holzstock wieder heraus gezogen, wurde es um mich herum fast schwarz. Hunderte Wespen schwirren wild um mich herum. Ich blieb wie versteinert stehen. Das war zunächst mein Glück, denn hätte ich mich sofort bewegt, wäre ich angegriffen worden. Dann zog ich ruckartig die Kapuze meines Anoraks über meinen Kopf und ergriff die Flucht. Wie eine kleine Wolke folgte mir der Wespenschwarm. Ich lief, als müsste ich die 50 Meter bei den Bundesjugendspielen im Freien absolvieren. Ich lief, so schnell ich bis dahin je gelaufen bin. Die Wespenwolke verschwand hinter mir. Ich dachte, ich hätte alle abgeschüttelt. Das war ein Irrtum.    

Eine der von mir gereizten Erdbewohner hatte sich auf dem Kragen meines Anoraks verfangen, dann beim Herunterziehen der Kapuze wieder befreit und saß in meinen Mecki - Schnitt - Haaren. Ich schlug zu, die Wespe stach in meinen Hinterkopf, es brannte fürchterlich. Staat nach Hause zu gehen, blieb ich bei den anderen Nachbarskindern und spielte weiter.

Als ich einige Stunden nach dem Wespenstich zu meiner Großmutter ging, nahm diese Essigsaure Tonerde und ein Taschentuch, dass sie mir um den Kopf band. Ich litt unter dem Wespenstich und der sich anzeichnenden Schwellung. Als unser Vater am Abend von der Arbeit nach Hause kam, mich ansah, wusste er sofort, was los war. Er schnappte mich, warf seine " Zündapp " an und fuhr mit mir auf dem Gepäckträger sofort zum Arzt.

Dort bekam ich eine Spritze in den Allerwertesten und anschließend Bettruhe verordnet. Inzwischen hatte die Schwellung den gesamten Kopfbereich erfasst. Als ich mich im Spiegel sah, konnte ich einen Chinesen begrüßen. Weshalb mein Bruder und meine Schwester vor mir Angst bekamen und mich einige Tage lang mieden.

Dieses unangenehme Erlebnis hatte allerdings auch positive Folgen gehabt. Seitdem mache ich einen großen Bogen um Wespenansammlungen.

So auch vor einigen Tagen. Ich beobachtete das Treiben der unbetretenen Gäste mit Argusaugen und entschloss mich, diese zunächst nicht vertreiben zu wollen. Wie heißt es dazu im Sprachgebrauch? " Gebranntes Kind scheut Feuer "?

   



POLYTOXICOMANE PHILHARMONIE  -  Sulphur  -  Psycho Erectus  -  2003:



      


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