Im Giesinger Wald sind die Bäume blau - weiß!






 Aus der unendlichen, weiten Ödnis der deutschen Krimi - Landschaft, in der selbst ein Mehrfach - Mord zu einer banalen Marginalie verkommt, weil die kriminalistisches Helden beiderlei Geschlechts sich in heroischer Weise der Aufklärung jener Standard - Straftat selbst im Pyjama hinzugeben pflegen, gibt es dann und wann doch einen Lichtblick. Dann nämlich, wenn das gezeigte Umfeld, innerhalb dessen die eigentlich aufzudeckende Freveltat und ihre sehr oft jenseits der Strafprozessordnung agierenden (Haupt)Kommissare zu wahren Lachnummern verkommen lässt.

So war es auch gestern Abend zur so genannten Prime - Time im Rentnerkanal des bundesdeutschen TV - Gestrüpps, dem ZDF. Dort wurde ab 20.15 Uhr aus der Serie " München Mord " die Folge " Ausnahmezustand " gesendet. Diese, in der bayrischen Landeshauptstadt spielende Krimi - Serie passt sich dem Format jener, regional bezogenen und aus diversen Großstädten zusammen getragenen Kriminalfilmen problemlos an. Der Unterschied besteht jedoch darin, dass hier mit tief bayrischen Akzent aufgeklärt wird. Da fällt es dem eingefleischten Norddeutschen ( und nicht nur diesem ) regelmäßig schwer, den Dialogen der Protagonisten zu folgen.

Wenn dann noch bajuwarische Besonderheiten ins Spiel kommen, wird es nahezu unmöglich, die Handlung ( en ) zu durchschauen.

Das war in jener oben benannten Folge häufig der Fall. Die Geschichte dazu ist schnell erzählt:

Nach einem Fußballspiel des Münchner Klubs TSV 1860 ( kurz: Sechziger ) wird ein Anhänger dieses Verein in einem Hausflur tot aufgefunden. Er wurde in einem Wassergefäß, dass für das Frischhalten von  Blumensträußen vorgesehen war, ertränkt. Die sich nach dem Heimspiel des Fußballklubs in Tatortnähe aufhaltenden Kriminalkommissare nehmen sofort die Ermittlungen auf. Der später hinzu kommenden Leiter der Mordkommission Ludwig Schaller versucht die Tat zu rekonstruieren und bedient sich dazu sehr eigenwilliger Methoden.

Wie es in solchen Serien zur Routine geworden ist, wird der Mörder des einst bekennenden " 60er " - Anhänger selbstverständlich gefasst.

 

 https://de.wikipedia.org/wiki/München_Mord:_Ausnahmezustand

 

Was in der 11 Folge aus der ZDF - Krimireihe " München Mord " dem Zuschauer sofort auffällt, sind die Unmengen an Bieren, die während der zirka 90 Minuten getrunken werden. Okay, zum Fußball - wenn dieser hier auch nur drittklassiger Art ist - gehört das Bier saufen. Sonst macht der Sport vielleicht nicht so richtig Spaß. Der Fan muss vor einem Heimspiel natürlich vorglühen, um dann später im Stadion so richtig die Sau raus lassen zu können. Dieses Ritual - in " Corona " - Zeiten unerwünscht, ja, sogar strikt verboten - muss sich auch ein Fußballanhänger über bügeln lassen, der damit nüscht am Hut hat.

So konnte ich mich denn sofort in die Seelenlage jener treuen " Sechsziger " - Anhänger versetzen, die bei viel Bier, " Wurscht " ( hier Gelb - Wurscht ) sich den Frust über den Realzustand ihres Vereins abarbeiten mussten.

Der TSV 1860 München, ja, die so genannten " Löwen ", sie waren vor mehr als einem halben Jahrhundert auch mal mein Lieblingsverein. Nicht deshalb, weil sie unter dem Wiener Trainer Max " Mecker " Merkel in der Bundesligasaison 1965 /1966 westdeutscher Meister wurden ( die Reihenfolge der Klubs aus den ersten 10 Meisterjahren ab 1964 kenne ich heute noch auswendig * ), nein, ich sympathisierte bereits ein Jahr vor deren Meistertitel mit den " Sechszigern ), denn ich war leidenschaftlicher Fußball - Bildersammler. 

Die Tütchen mit den 6 darin eingeschweißten Abziehbilder der 16 / 18 westdeutschen Bundesligaklubs habe ich einige Jahre lang gesammelt, dafür das mit einem farbigen Deckblatt, aber sonst auf mausgrauem Papier hergestellte Album für satte 2 DM erworben und dann in Konkurrenz mit den Nachbarjungs stehend, die Tütchen an den beiden Kiosken in Bad Eilsen gekauft.

Der TSV 1860 München, die " Löwen ", gehörte zu den Gründungsvereinen der 1. Fußballbundesliga. So, wie der erste Meister in Westdeutschland, der 1. FC Köln, der erste Vizemeister, der Meidricher SV ( heute: MSV Duisburg ), aber auch der 1. FC Saarbrücken ( der heute immerhin wieder 3. Liga spielt ). der 1. FC Kaiserslautern aus dem Südwesten. Dazu kamen der Hamburger SV, Eintracht Braunschweig, mein SV Werder Bremen aus dem Norden. Die so genannten Westvereine, der BVB 09 Borussia Dortmund, der FC Schalke 04, Preußen Münster ( zurzeit wieder Drittligist ) sowie Hertha BSC aus Berlin, Eintracht Frankfurt aus Hessen. Schließlich aus dem Süden der BRD der 1. FC Nürnberg, der VFB Stuttgart sowie der Karlsruher SC.

In dieser ersten Spielzeit der Fußball - Bundesliga stiegen der 1. FC Saarbrücken und Preußen Münster als 16 bzw. 15 in die Regionalliga Südwest sowie West ab. Als Aufsteiger gesellten sich den 16 Klubs die Vereine Hannover 96 aus der Regionalliga Nord und Borussia Neunkirchen aus dem Südwesten Westdeutschlands hinzu.


https://www.kicker.de/bundesliga/spieltag/1963-64


Ein Jahr später ging die DFB - Meisterschale nach Bremen. Der SV Werder gewann nach 30 Pflichtspielen mit 3 Punkten ( damals galt noch die 2 - Punkte - Regelung ) Vorsprung die Meisterschaft. Vizemeister wurde der 1. FC Köln; der FC Schalke 04 wäre in die Regionalliga West abgestiegen; der Karlsruher SC wurde als 15 in die Regionalliga Süd verbannt worden. Doch die Bundesliga wurde durch den DFB um 2 weitere Klubs auf 18 Vereine aufgestockt.  Die Aufsteiger Borussia Mönchengladbach aus der Regionalliga West sowie der FC Bayern München aus dem Süden ergänzten diese Spielklasse; zudem wurde Hertha BSC Berlin wegen Verstösse gegen die DFB - Statuten ( der Berliner Klub zahlte drei Spielern unerlaubte Handgelder, um sie zum Wechsel an die Spree zu bringen ) in die Regionalliga Berlin zurück gestuft. Den Platz für die Hertha nahm Tasmania 1900 Berlin ein. 

https://www.bundesliga.com/de/bundesliga/news/1964-65-zwangsabstieg-war-herthas-tiefpunkt_0000114485.jsp

https://www.kicker.de/bundesliga/spieltag/1964-65


In der dritten Saison brachte der TSV 1860 München die Meisterschale in die bayrische Landeshauptstadt. Der österreichische Trainer Max Merkel holte den Titel mit diesen Spielern:

Wappen TSV 1860 alt.jpg


Schon bei meinem ersten Fußball - Album avancierten die " Sechsziger ", die " Löwen " zu meinem Lieblingsverein. Wohl, weil ich sie damals als erste Mannschaft komplett in meinem Album eingeklebt hatte.




Die Stammspieler der Meistermannschaft wurden dann zu meinen Idolen. Vom eloquenten Petar " Radi " Radenkovic hatte ich mir die Single " Bin i Radi, bin i König " gekauft, den Mittelfeldspieler Otto " Atom Otto " Luttrop verehrte ich, weil er einst einen knallharten Schuss hatte und Hans " Hansi Küppers " fand ich toll, weil er exzellente Pässe schlug. Die beiden Stürmer Rudolf " Rudi " Brunnenmeier sowie Friedhelm " Timo " Konietzka wurden zu meinen Vorbildern, weil sie Tore machten.

Der TSV 1860 München war bis Ende der 1960er Jahre mein Bundesliga - Favorit. Dann folgte Günter Netzer und Gladbach. 

Für die " 60er " vergoss ich aber auch manche Träne, so auch als sie damals gegen West Ham United im Endspiel des Europapokals der Pokalsieger mit 2:0 unterlagen. Das Erste übertrug das Spiel am 19. Mai 1965 aus dem ausverkauften Londoner Wembley Stadion.  Fast 1 1/2 Jahre später trafen die " Sechsziger " im Achtelfinale des Europapokal der Landesmeister auf den Giganten Real Madrid. Das Hinspiel gewannen sie im Stadion an der Grünwalder Straße vor ausverkauften Haus knapp mit 1:0; das Rückspiel ging mit 1:3 verloren. Die beiden Tore gegen den Rekord - Champion aus Spanien erzielten Hans " Hansi " Küppers und Rudi Brunnemeier im riesigen Kessel des Madrider Bernabeu Stadions vor 80.000 zum 1:0 für " Sechzig " in der 15 Minute. Das Erste übertrug diese Begegnung am 30. 11. 1966. Es war eine wunderbare Kopfball - Stafette, die der " Rudi " Brunnenmeier auch so erfolgreich abschloss.
Ich sprang aus dem Sessel des Wohnzimmers der Großeltern vor lauter Begeisterung bis an die Decke. 


In der 52. Spielminute an jenem 30. November vor fast 54 Jahren war dann alles vorbei. Die " Sechziger " schieden nach dem 1:3 aus. In der Bundesliga reichte es aber immerhin zur Vizemeisterschaft. dann folgte ein kontinuierlicher Abstieg bis 1970 in die Regionalliga Süd. 




Nach einer Jahrzehnte andauernden Berg - und Talfahrt mit Auf - Ab oder Wiederaufstiegen spielen die " Sechziger " aktuell in der 3. Bundesliga. Dort tummeln sich mit ihnen ehemalige Bundesligisten, wie der 1. FC Kaiserslautern, der ebenfalls Deutscher Bundesligameister war, der FC Hansa Rostock, der letzter DDR - Oberligameister war, der MSV Duisburg, der Vizemeister war. In dieser illustren Runde tummeln sich seit 2019 auch die " Löwen ". Die dortigen Gegner heißen nun erneut 1. FC Saarbrücken sowie die Vorbenannten. Aber auch SV Meppen, Türkgücü  München, SV Wehen - Wiesbaden oder SC Verl.

Vorbei ist der Glanz von vor mehr als einem halben Jahrhundert. Doch die Fangemeinde lebt. Und wie. " Wenn Du Sechsziger bist, bist Du ein Märtyrer! ". Oder auch die ewig währende Rivalität zu den " Roten " gibt es noch. Irgendwie doch sympathisch, die Blau - Weißen, die gar behaupten, dass im Giesinger Wald die Bäume blau - weiß aussehen. Wer´s glaubt, ist halt a " Sechsziger "!


Was wurde im Meisterjahr des TSV 1860 München so in den Hitparaden gespielt. Ach, ja, Beatles, Stones, Byrds und dieses:











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