Warum es am 24. Dezember keine Gerichtstermine gibt!
Das Weihnachtsfest des Jahres ( " Corona " - Jahres ) 2020 steht vor der Tür. Da fällt es eher schwer, über die Freuden dieses angeblichen Festes der Liebe usw. zu schreiben. Das mag wohl auch daran liegen, dass jene Ein - und Beschränkungen, die aus den vielen Ministerien über den braven und gefolgsamen Bürger ausgekübelt werden, als belastend anzusehen sind. So richtig jene Maßnahmen auch sein mögen, so schwer dürften diese auch nachvollziehbar sein, wenn sich der zuvor Einsichtige nun wegen der Uneinsichtigen erneut einzuschränken hat. Leider gibt es für einen Uneinsichtigen in einem Land, dass den Grundprinzipien des Konsums und der Gewinnmaximierung frönt, für irrational Denkende und Handelnde keinen Verhaltenskodex. Die sich folgsamen zeigenden Menschen können da nur an die Vernunft, die Einsicht und die Rücksichtnahme appellieren. Alle drei Begriffe lassen sich dabei wie ein abgekatschter Kaugummi ziehen.
Wer an die Vernunft eines Anderen glaubt, kann dabei einem Irrglauben aufsitzen. Wer auf die Einsicht hofft, kann alsbald erkennen, dass es sich nicht selten um einen hoffnungslosen Fall handelt. Wer für die Rücksichtnahme plädiert, der wird häufig enttäuscht werden.
Das Erlebte, was mir beim gestrigen Lauf rund zum und um den Hollener See und zurück in Erinnerung kam, liegt mittlerweile mehr als 3 Dekaden zurück. Zu diesem Zeitpunkt, also in den späten 1980er Jahren, die so genannte Wende, lag noch vor den Deutschen in Ost und West, versuchte ich mich als Rechtsanwalt mit einer eigenen Kanzlei in der Freien und Hansestadt Bremen. Den Kollegen R. hatte ich allein gelassen. Die Gründe hierfür waren vielfältig. Ich zog in einen anderen Stadtteil. Die Bewohner hier waren anders. Eher piefig, bürgerlich, sehr oft bremisch. Da Bremen einst eine Mischung aus großstädtischem Flair mit provinziellen Elementen aufwies, verschwammen die Züge zwischen der Anonymität in dem Plattensiedlungen des Sozialen Wohnungsbau und den schmucken Reihenhäuschen sowie Villen und den typischen Bremer Häusern in einem nahezu fließenden Übergang. Hier die eher wohlhabenden Bremer, dort die einstigen Sozialhilfeempfänger.
Dazwischen existiert schon damals ein breite Grauzone. Hierzu zählte auch der an einem Spätsommertag des Jahres 1988 in meinem Büro auftauchender Mandant, der Roland W. hieß. Er erschien ohne einen vereinbarte Termin. Musste er auch nicht, denn die Zahl der zu betreuenden Mandaten war zu jener Zeit sehr überschaubar. Es mögen vielleicht um die 100 gewesen sein. Dazu kamen noch einige Dutzend Altfälle, die ich aus der mit dem Kollegen R. eingegangenen Sozietät mitgenommen hatte.
Nun, W. kam auf Empfehlung eben jenes Kollegen R. in mein Büro. Er hatte ein zivilrechtliches Anliegen, dass er mir in dem Gespräch schilderte. W. musste vielleicht so um die Mitte 20 gewesen sein. Er zeigte mir während des Gesprächs einen schriftlichen Vertrag. Hierin war vereinbart, das W. für die Ausbildung zum " Dressman ", die 20 Einheiten a´45 Minuten umfassen sollte, an ein Mode - und Bekleidungsstudio in Bremen einen Gesamtbetrag von 450 Deutsche Mark zahlen sollte. Daneben waren noch der Lehrgangsbeginn und das Ausbildungsende vermerkt. Der Vertragstext schien von einem Rechtskundigen abgefasst worden zu sein.
W. hatte dem Vertragspartner, einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die von einer Dame aus der Modebranche geführt wurde, einige Tage nach seiner geleisteten, dann verbindlichen Unterschrift, in einem Brief in einem etwas umgelenktem Deutsch mitgeteilt, dass er aus persönlichen, nicht näher benannten Gründen, an dem Kurs nicht teilnehmen könne. Für mich lag der Grund sofort auf der Hand: W. hatte überhaupt kein Geld, um an diesem Lehrgang teilnehmen zu können, denn W. bezog seit einem längeren Zeitraum Sozialhilfe über das " Amt für Soziale Dienste ". Doch das hatte er der schnicken Dame, die jenes Geschäftsmodell betrieb und die aufgebrezelt ihn in einem Gespräch an einem nicht sehr teuren, aber danach aussehenden Büro - Schreibtisch gegenüber saß, selbstverständlich nicht erzählt.
W. wollte nach außen wie ein Erfolgsmann wirken. Er hatte sein Outfit deshalb den damaligen Mode - Gepflogenheiten angepasst. Er trug ein tailliert geschnittenes, jedoch markenfreies Hemd, eine ebenso geschneiderte Stoffhose und dazu Stiefeletten im " Western - Look ". Seine Frisur entsprach dem Trend der Post - Disko - Ära. Er hatte seine Naturkrause mit reichlich Pomade gezähmt. Statt eines Maulwurfs - Kopfschmucks sah er nun eher einem John Travolta - fraktionellen Eintänzer ähnlich.
Okay, ich hasste diese Typen. Es waren für mich konturlose " Wellenreiter ", die sich von einer in die andere Schublade hinein legen lassen. Es passte immer. Die Mehrzahl dieser Lappen wohnten bei Mutti, gaben ihr - wenn überhaupt - vorhandenes Geld für Modeschund aus und bekamen ihr eigenes Leben dabei nicht auf die Kette. W. aber hatte nun ein zivilrechtliches Problem. Er sollte aufgrund seiner vertraglich eingegangenen Verpflichtung für diesen unsinnigen Dressman - Kurs Geld bezahlen, das er wiederum nicht hatte.
Wer einen Vertrag unterschreibt, muss diesen auch einhalten. Das erkannten bereits vor sehr langer Zeit die alten Römer. Und diesen Grundsatz haben unsere Ur - Ur. Großväter auch in das Bürgerlich Gesetzbuch hinein gepackt.
W. aber konnte den eingegangenen Vertrag mit der Mode - Ziege aus seinem Stadtteil gar nicht erfüllen. Er war finanzielle gesehen, dazu nie in der Lage gewesen. Von einem damaligen Sozialhilfesatz als Hilfe zum Lebensunterhalt, als Regelleistung für einen allein stehenden Leistungsempfänger also, waren jene 450 Deutsche Mark eine Summe, die zirka dem 1 1%2 -fachen seiner Sozialhilfe entsprach.
Deshalb sinnierte ich während des Gesprächs mit W. über mögliche Lösungen und schlug ihm vor, der feinen Dame eine Ratenzahlung in Höhe von 50 DM monatlich anzubieten. Dieses sollte allerdings ohne mein Dazutun erfolgen. Es war ein taktischer Zug, um zu vermeiden, dass die Mode - Dame bei einem Schreiben von mir, das dann hoch offiziell auf einem Kanzleibogen erfolgen müsste, sofort wie ein aufgeschrecktes Huhn zu einem - mutmaßlichen- Bekannten rennt, der - so wie ich - als nahezu brotloser Advokat darauf wütend antworten könnte.
Nun, W. kam meiner dringenden Empfehlung nach und schrieb der auf Geld wartenden Dame, dass er eben solches nicht habe und die Forderung in Raten abstottern möchte.
Einige Zeit später schlug W. - erneut terminlos - in meiner Kanzlei auf. Dieses Mal hatte er einen Freund mitgebracht. Ob die beiden jungen Herren ein Paar waren, erschloss sich in dem weiteren, mit W. und diesem Bekannten geführten Gespräch mir nicht. Auch der mit gebrachte Freund war Opfer des Geschäftsmodells jener Mode - Dame geworden. Auch er hatte aus irgend einem jener vormals an alle Bremer Haushalte verteilten Gratis - Werbeblättchen die " Dressman " - Anzeige gelesen und war zusammen mit W. dem Schwachsinn erlegen, der da lautete: " Du kannst Erfolg haben, wenn Du nur daran glaubst! "
Das Geschäftsmodell der jetzt aber zu einem Fall, nein, zu mehreren Fällen, der Bremer Justiz. Die feine Dame hatte sich im folgenden Schritt ihres Weges zum eigenen Erfolg eines Herren Kollegen aus irgendeiner der größeren Kanzleien in der Innenstadt der Hansestadt bedient, der nunmehr einen Mahnbescheid gegen Herrn W. beantragen ließ. Dieser war dem davon leicht verängstigten W. vor einigen Tagen zugestellt worden. Jetzt also stand Herr W. zusammen mit seinem Freund / Lebenspartner in meinem Büro und wollte wissen, wie es weiter geht.
Bevor ich zu einem rechtlichen Exkurs in das zivilrechtliche Mahnwesen ( in der freien Wirtschaft nennt sich das in denglischem Sprachgebrauch Forderungsmanagement ) anhob, ließ ich mir von W. eine Vollmacht unterschreiben. Danach musste W. mir eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozesskostenhilfe ausfüllen und unterschreiben. Dabei bat ich W., den aktuellen Sozialhilfebescheid vorzulegen. Danach legte ich los:
" Also, wir legen gegen den Mahnbescheid zunächst mal Widerspruch ein. Dazu wird der Mahnbescheidsvordruck ausgefüllt. Ich sende diesen dann zum Amtsgericht zurück. Wenn er dort eingegangen ist, wird der Kollege der anderen Seite vom Gericht darüber informiert, dass er seinen Anspruch begründen muss. Das dauert dann einige Zeit. Die Klagebegründungsschrift bekomme ich dann vom Amtsgericht zugesandt. Sie werden danach von mir Post bekommen. Okay? Das war´s jetzt erst mal! ". Ich gab W. die Hand und verabschiedete mich von ihm.
Nachdem er das Büro verlassen hatte, kramte ich in meiner Schublade herum und holte das Diktaphon heraus. Ich erteilte damit der Auszubildenden Arbeitsanweisungen und ließ mir die neu angelegte Akte wieder vorlegen. Ich warf den Vordruck mit dem ich für den Mandanten dem Mahnbescheid widersprach in den gemeinsamen Nachtbriefkasten des Landgerichts an der Domsheide.
Nach einigen Wochen flatterte die Klagebegründung in mein Büro. Ich informierte Herrn W. darüber. Auf dem mehrseitigen Schriftstück ( wir nennen es Schriftsatz ) hatte der werte Herr Kollege sich über die Rechtssache ausgelassen. Bevor W. erneut in dem Büro erschien, las ich die Ausführungen des gegnerischen Prozessvertreters durch. Es sah nicht sehr gut für W. aus. Der Herr Kollege begründete den Zahlungsanspruch seiner Mandantin so, wie ich es auch getan hätte. Er ließ den Grundsatz von pacta sunt servanda als Grund für seine Klage wiederholt anklingen und hatte damit ein beinahe unumstößlich Argument.
Ich gab jenen durchschlagenden Grund ungefiltert an den Mandanten weiter. Dieser wiederum beauerte und beteuerte vor allem, dass er jenen vertraglich vereinbarten Geldbetrag für jenen ominösen " Dressman " - Lehrgang nicht zur Verfügung stehen habe. Er sei Sozialhilfeempfänger und könne die Summe nicht aufbringen. Da ist guter Rat nicht teuer, sondern wohl eher gefragt. Und deshalb bohrte ich bei W. nach. Ich fragte ihn und seinen wiederum anwesenden Bekannt, wie es denn dazu gekommen sei, einen Lehrgang zum " Dressman " absolvieren zu wollen. Dabei kam dann scheibchenweise die gesamte Wahrheit ans Tageslicht.
Die beiden Herren hatten sich vor längerer Zeit in einem Fitness - Studio in Bremen - Vahr kennen gelernt und angefreundet. Bei lebten zu jener Zeit noch bei Mutti in einer Wohnung in einem dieser namenlosen Mietblöcke. Beide wollten dort weg. Beide träumten von einer Karriere als Model / Dressman, denn beide hatten nach der Schule keinen Beruf erlernt. Sie jobbten irgendwo in irgendwelchen Fabriken, Lagern Tankstellen oder Kaufhäusern. Nicht selten auch schwarz. Ihre damals gängige Einkommensvariante lautete aber Sozialhilfe plus Schwarzarbeit. Das war nicht nur nicht ungefährlich, sondern auch kriminell.
Nun wollten beide jungen Männer es auf halbwegs ehrliche Weise probieren. Als männliches Model oder Dressman. Auch der Bekannte hatte bei der Dame einen Lehrgangsvertrag unterschrieben. Diesen aber schon bald danach wieder gekündigt und dazu ein ärztliches Attest vorgelegt, dass ihm Gleichgewichtsstörungen diagnostiziert. Damit wäre das angestrebte Ausbildungsziel nicht zu erreichen gewesen, denn ein erfolgreiches Model, ein Dressman, müsste wohl auch auf Reise gehen, sich auf einem Laufsteg bewegen oder einfach nur in einem Fotostudio vielleicht stundenlang gerade stehen können.
Als ich dieses von dem Bekannten des W. hörte, kam mir die zündende Idee. Warum soll das nicht auch bei W, funktionieren? Der Anwalt ist ja nicht nur ein " Organ der Rechtspflege ", wie es in seiner Berufsordnung ( damals noch altertümlich als Standesordnung bezeichnet ) beschrieben ist, sondern auch ein freier Denker im Umgang mit dem geltenden Recht. Wenn er zu kreativen Lösungsansätzen neigt, dann bedeutet dieses niemals, dass der Anwalt - im Gegensatz zu dem Richter - das Recht dabei beugt und somit eine Straftat begeht. Also empfahl ich dem Herrn W. sich auf einen solchen " Persilschein " vom Arzt zu besorgen. W. erledigte daraufhin mein Ansinnen und legte mir kurz nach unserem Gespräch ein ärztliches Attest vor.
In meiner Klageerwiderung sülzte ich nun herum und behauptete schlankweg, dass W. von Beginn des Vertrages an gesundheitlich nicht in der Lage war, den auf ihn damit zukommenden körperlichen Belastungen stand halten zu können. Da W. somit - leider von ihm selbst zunächst nicht richtig erkannt - Gesundheitsprobleme, also plötzlich auftretende Schwindelanfälle habe, könne er den Model - Kurs bei der Klägerin nicht absolvieren. Damit habe W. einen triftigen Anlass, das eingegangene Vertragsverhältnis mit der Dame aus dem Modebereich aus wichtigem Grund gemäß § 626 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs fristlos zu kündigen. Diese Vertragskündigung sprach sodann namens und in Vollmacht des Mandanten / des Beklagten aus.
Abschließend beantragte ich für den W. dann noch Prozesskostenhilfe, weil er eben nicht in der Lage war, die auf ihn zukommenden Geldsumme in dem Zivilprozess tragen zu können. Dem Antrag legte ich eine Kopie des Sozialhilfebescheids bei. Dann warf ich auf der Rückfahrt zu meiner Wohnung den Schriftsatz in den Nachtbriefkasten und wartete.
Nach einige Wochen erhielt ich eine Ladung zur mündlichen Verhandlung in dem Rechtsstreit der Modedame gegen das verhinderte männliche Model W. Es war ein Termin kurz vor Heilig Abend angesetzt worden. Wir Rechtsverdreher nennen es im Fachterminus " anberaumt ". Nun, ich ließ den Termin von der Auszubildenden notieren und informierte auch W. Das Gericht, also der Herr Amtsrichter in Bremen, hatte auch W. persönlich geladen. Eigentlich sollte mit ihm die Sachlage weiter aufgeklärt werden. Tatsächlich roch es in solchen Fällen immer nach einem Vergleich. was so kurz vor dem heiligen Fest durchaus nachvollziehbar war. Der Richter hatte das Bestreben, diese Fälle noch im alten Jahr zu beenden, denn zwischen Weihnachten und auch Neujahr gab es in Zivilsachen keine Gerichtstermine.
Auch Gerichte benötigen eine Erholungsphase und die dort arbeitenden Richter, sind Menschen wie wir alle und suchen in ihrem Privatleben selbst nicht ständig Streit ( Ausnahmen bestätigen zwar nicht immer die Regel ), sondern sehnen sich so kurz vor dem angeblichen Fest der Liebe nach Ruhe und Harmonie ( oder auch umgedreht ). So war denn der Amtsrichter gut gelaunt als er uns nach dem Aufruf der Sache in seinen Saal im zweiten Stock des Bremer Amtsgerichts herein bat. Er hatte nicht diesen typisch muffigen, abweisenden Gesichtsausdruck aufgesetzt und nahm dabei auch nicht grußlos zur Kenntnis, wer bei " Aufruf zur Sache " erschien, ehe er dieses der Protokollführerin laut diktierte, sondern begrüßte die Parteien nebst ihrer Anwälte mit einem freundlichen " Guten Morgen " und einem höflichen " Nehmen Sie bitte Platz ". Ein Novum also, dass nur damit zu erklären war, dass in zwei Tagen Heilig Abend war und dann keine Gerichtstermine mehr stattfanden - zumindest nicht mehr in dem fast abgelaufenen Jahr. Freie Zeit für nicht immer freie Richter also.
Dann erklärte er uns Anwesenden, warum er auch die Parteien persönlich geladen habe. Aha, das war mir und natürlich auch dem werten Herrn Kollegen aus der größeren Kanzlei in der Bremer Innenstadt doch bereits zuvor vollkommen klar. Das Gericht strebte einen Vergleich an. Beide Parteien siegen und unterliegen dabei und dürfen sich somit auch als Sieger und leider Besiegte fühlen. So, wie es im realen Leben in schöner Regelmäßigkeit auch der Fall sein könnte und wie es der große Meister der Dichtkunst Goethe bereits damals erkannt hatte ( das Amboss - Hammer - Prinzip ist gemeint ).
Nun, der Herr Amtsrichter vermittelte in jenem Streit auch eine solche, demnach seine Rechtsauffassung. Ja, der Beklagte habe tatsächlich einen Vertrag unterschrieben. Dieser Vertrag sei auch wirksam und nicht sittenwidrig, so wie er vortragen lasse und ja, der Beklagte müsse auch die vereinbarte Summe von 450 Deutsche Mark an die Klägerin zahlen. Doch, in diesem Fall nur für die Zeit von Lehrgangsbeginn bis zur fristlosen Kündigung. Dieses wären nach seiner Berechnung eben nur 225 Deutsche Mark; also exakt die Hälfte der Forderung. Deshalb schlage das Gericht vor, dass ein Vergleich getroffen werden solle, der den Beklagten verpflichte, eben die Hälfte der klägerischen Forderung zu zahlen.
Der Richter setzte bei der Verkündung dieses Vorschlags auf die Einsichtigkeit der Partei und erklärte dieses mit einen vorweihnachtlichen Gesichtsausdruck den beiden Kontrahenten. Dann schlug er uns, als den beiden Anwälten, diesen Vergleichsvorschlag mit den Mandanten kurz vor der Tür besprechen zu können. Wir verließen den Sitzungssaal. Ich versuchte den Kompromiss dem W. schmackhaft zu machen. Sein mit genommener Freund wetterte dabei herum. " Hier geht´s doch nur um Kohle. Wie immer! ", konstatierte er vollkommen zutreffend. Ich ließ seine Bemerkungen unkommentiert, denn er hatte ja so recht.
Wir betraten wieder den Verhandlungssaal. Der Richter sah uns erwartungsvoll an. " Ja, wir schließen den vergleich ab. ", sagte ich zu ihm. Sein Gesicht erhellte sich zusehends. " Können Sie dann noch über den Prozesskostenhilfeantrag entscheiden? ", fragte ich ihn fast demütig. " Gut, nehmen wir also auf, Frau... ", bat er die Protokollführerin.
" Nach Erörterung der Sach - und Rechtslage schließen die Parteien folgenden Vergleich:
1. ........ "
Dann diktierte er zum Schluss: " Die Kosten des Verfahrens und des Vergleichs werden gegeneinander aufgehoben. "
Der Richter bat dann die Protokollführerin den gesamten Sermon erneut laut vorzulesen. Danach kam aber das für mich und meinem ständig überzogenen Konto bei der Commerzbank der eigentlich wichtige Satz: " Dann ergeht noch folgender Beschluss: " Dem Beklagten wird für seine Rechtsverteidigung sowie für den Abschluss des Vergleichs Prozesskostenhilfe bewilligt und ihm Rechtsanwalt W..... in Bremen beigeordnet. "
Er bat die Protokollführerin erneut, das Diktierte laut vorzulesen.
" Die Sitzung ist damit geschlossen. ", verkündete er noch, ehe er uns ein frohes Weihnachtsfest wünschte.
Wir verließen den Raum. Der Bekannte des W. zeterte immer noch. Ich versuchte ihn beim Heruntergehen der Treppen ein wenig zu beruhigen. Wieso er denn etwas gegen den Ausgang des Verfahrens habe, wollte ich von ihm wissen. Es sei doch ganz gut gelaufen. Schließlich müsse sein Freund W. nicht 450 DM für nichts bezahlen, sondern nur die Hälfte und Kosten fielen für ihn auch nicht an. Weil das Gericht so kurz vor Weihnachten eben sehr gnädig gestimmt gewesen sei, hätte es eben diesen doch günstigen Vergleich vorgeschlagen. Der Freund des W. wollte dennoch wissen, warum W. nicht den gesmaten Betrag zahlen musste, obwohl dieser nicht - so wie er selbst zuvor - sofort gekündigt habe?
" Nun ", begann ich salbungsvoll, " in zwei Tagen ist Heilig Abend und da gibt es eben keine Gerichtstermine. " Dann verabschiedete ich mich schnell von den beiden jüngeren Herren und ging zügig zur Haltestelle der Linie 2 an der Domsheide. In Bremen dauerte der Weihnachtsmarkt noch an. Überall standen Buden und später werden die Händler ihren Tinnef auf langen Tischen ausbreiten. So ist Weihnachten halt - in normalen Zeiten.
CROWN KINGDOM - Time Keeper - Coronation - 2016:
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