Der " 96 " - Walzer ist ausgetanzt.


Der Zuschauer lose Fußball im bald abgelaufenen Jahr 2020 stellt für den eingefleischten Anhänger dieser Ballsportart eigentlich eine Zumutung dar. Leider muss er mit diesem emotionslosen Aggregatzustand noch auf unabsehbare Zeit vorlieb nehmen. Wäre nicht die " sportschau " bei der alten Tante ARD, wären nicht das ZDF mit der vormitternächtlichen Konservensendung " Aktuelles Sportstudio ", die " Bundesliga - Konferenz " in den Hörfunkprogrammen der ARD oder auch die Fußball lastigen Sendungen der 3. Programme, der " Corona " Geplagte könnte glatt vergessen, dass es diese Sportart, die ja einst als " schönste Nebensache der Welt " erkannt worden war, überhaupt noch gibt. 

Da darf ich mich als ein Methusalem unter den Fußball - Begeisterten glücklich schätzen, ein " sky " - Abo zu besitzen, das mich in die Lage versetzt, die wahre Wertigkeit jener " Nebensache " richtig einschätzen zu dürfen. Und just bei " sky " konnte ich mir einen Tag vor dem Heilig Abend das wirklich letzte Spiel meiner Grün - Weißen in voller Länge und in einem wohlig warmen, mit Fußbodenheizung ausgestatteten Wohnzimmer ansehen. Denn jenes DFB - Pokal - Pflichtspiels hieß an diesem 23. 12.2020 Hannover 96 vs. SV Werder Bremen. Hannover 96, jener Klub aus der niedersächsischen Landeshauptstadt, der in der Historie des westdeutschen Profi - Fußballs uns Werderaner so manche Freude bereitete. In jenen Zeitabschnitten, in denen die beiden Klubs sich - zumindest, was die Spielklasse angeht - auf Augenhöhe befanden, um die zwei bis drei Punkte pro Begegnung untereinander aufzuteilen, qualifizierten Fußballer unter uns, dieses wegen der geografischen Nähe beider Stadt - Kontrahenten, als " kleines Nordderby ". 

Das wahre, das " Nordderby " schlechthin, fand ja über viele Jahrzehnte zwischen den beiden Hansestädten statt. Deshalb, weil aus Hamburg und Bremen seit der Bundesligagründung 1963, insgesamt 7 Meistermannschaften zu registrieren sind. Nach Hannover verirrte sich die Meisterschale indes nie; wohl aber je ein Mal nach Braunschweig und Wolfsburg. Der Klub aus der Landeshauptstadt lief somit eher den sportlichen Erwartungen hinterher und entwickelte sich ab 1974 zu einer so genannten Fahrstuhl - Mannschaft. Der Verein stieg bislang 5 Mal aus  der höchsten Spielklasse ab und verschliss seit 1965 sage und schreibe 55 Trainer. 

Aber, das galt an jenem 23. Dezember 2020  ab 20.45 Uhr als Kalter Kaffee, weil sich die beiden Nordklubs zu der 2. Vorrunden - Begegnung im DFB - Pokal 2020 / 2021 in der Arena der niedersächsischen Stadt gegenüber standen. Solche Spiele hatten in den vielen Jahren davor immer einen gewissen Reiz. Pokalspiel und ihr eigener Charakter, darüber haben bereits Kohorten von Journalisten fabuliert. An jenem Abend vor dem heilig Abend war allerdings alles etwas anders. Keine grölenden, feixenden Zuschauer, die in Bierlaune noch Hass erfüllte Gesänge intonieren, die schrill Pfeifenden, wenn der Gegner ein Foulspiel begeht, der Schiedsrichter eine vermutete Fehlentscheidung trifft, die dann ihren " Lieblingen " schadet. Nichts davon war zu vernehmen. Das Spiel fand vor leeren Plätzen und Rängen statt.

Weshalb der Heimvorteil keiner war und Hannover 96 zudem einen - zumindest in der ersten Halbzeit - völlig blutleeren Auftritt zeigte. Wäre, ja, wäre da nicht der Kommentator in persona des HSV - Edelfans Michael " Michi " Born gewesen, der mit so mancher schnippischen Bemerkung in Richtung meiner Grün - Weißen, ein wenig Emotionen in die " sky " - Übertragung einbrachte, ich hätte nach den beiden Werder - Toren meine vorweihnachtliche Mütze Schlaf genommen. So aber ärgerte mich " Michi " ein wenig und ließ in seinen einseitigen Formulierungen über den " kleinen " HSV die vage Hoffnung durchklingen, dieser möge dann doch bitte schön endlich Fußball spielen und zumindest ein Anschlusstor erzielen, damit die Erz - Gegner von der Weser ein wenig in die Bretouille kämen. Doch der SV Werder Bremen erzielte kurz nach Anpfiff zur zweiten Hälfte das 3:0 und der jute " Michi " Born, der tags zuvor die längst blank liegenden Nerven der Schalke 04 - Anhänger mit flapsigen Bemerkungen während deren Pokalspiels gegen den SSV Ulm noch weiter strapazierte und dafür im Netz ordentlich Haue bekam, wurde jetzt arg enttäuscht. 

So endete eines der vielen Spiele der " Roten " von der Leine gegen die Grün - Weißen von der Weser mit einem Sieg der Werderaner aus Bremen. Ich war´s zufrieden, " Michi " Born eher nicht, keimt bei ihm doch regelmäßig die Hoffnung auf, der SVW könnte doch noch absteigen und damit das wahre, das große Nordderby gegen seinen HSV vor knall vollen Rängen in Hamburg und Bremen wieder aufleben lassen. Das wird in jenem Pokalwettbewerb 2020 / 2021 nicht mehr möglich sein, denn sein HSV flog bereits in der ersten Runde bei den Dynamos aus Dresden mit einem schwachen 1:4 aus dem Wettbewerb.
So wird der jute " Michi " vielleicht ein weiteres Werder - Spiel im Achtelfinale kommentieren müssen. Vielleicht sogar gegen die Bayern, den BVB oder " nur " gegen Rot - Weiß Essen.

Es verbleiben ihm jedoch jene Erinnerungen an bessere HSV - Zeiten oder auch an die Slomka - Ära als der " kleine " HSV aus Hannover in Europa gastierte, die Grün - Weißen in der Bundesliga klar besiegte und die Hamburger immerhin noch Erstligist waren, wenn auch permanent abstiegsgefährdet. Nun begegnen sich die beiden HSVs in der Zweiten. Kein Europa, keine Beletage mehr, kein begeisterter Herr Kollege " Hansi " Küpper, der selbst als BVB - Anhänger in den einstigen Übertragungen der 96 - Spiele in der Europa League von " wunderhübschen Fußball " fabulierte. Das ist längst vorbei. Der 96 - Walzer, den die verzückten Fans einst sangen, er ist ausgetanzt. Und dieses wohl für längere Zeit. 

 

FIVE DAY RAIN  -  Rough Cut Marmalade  -  1969:






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