Beim Zahnarzt - II. Episode: Die abgebrochene Bohrerspitze



Schon zu Zeiten der Existenz zweier deutscher Staaten galt auch auf dem Sektor der zahnmedizinischen Versorgung der unumstößliche Grundsatz, wonach es gute, nicht so gute und schlechte Vertreter der Zunft gibt. 

Die Könner in ihrem Beruf hatten sehr schnell einen lokal begrenztes Renommee´; die eher im begrenzten Umfang erfolgreich agierenden Dentisten waren auch nur mäßig beliebt und bei den Pfuschern waren die Wartezimmer eher gähnend leer.

Im Osten der Republik, in der Deutschen Demokratischen Republik also, gab es zudem nur eine begrenzte Zahl von Zahnklempnern, die auf eigenem Namen tätig sein durften. Die Masse ihrer hatte eine Stelle als Betriebszahnarzt. Der Berufsstand nannte sich Stomatologe ( https://de.wikipedia.org/wiki/Stomatologie ) und wurde an entsprechenden Universitäten ( Hochschulen ) mit einem erfolgreichen Abschluss in Form  des Diplom ausgebildet. Danach wurden diese auf die Bevölkerung los gelassen.

Wie in der BRD, bestand der Unterschied zwischen einem Zahnarzt und einem Stomatologen zunächst vor allem darin, dass dieser im Verlaufe der Praxisjahre sich einen Erfahrungsschatz aneignen konnte, der ihn eben von Berufsanfängern unterschied.

Was Dentisten in Ost und West allerdings von einander unterschied, waren die Materialien, die Arbeitsmittel und wohl auch die Motivation bei der Berufsausübung. Während der Stomatologe in einer abhängigen Beschäftigung und vorgegeben Tätigkeitsstruktur sehr oft mit technisch weiterentwickelten Geräten aufwarten konnte, musste sein Kollege mangels Bezugsmöglichkeiten und wohl auch Geld veraltete Arbeitsmittel einsetzten ( zum Beispiel Trockenbohrer ). 

Auch die finanziellen Möglichkeiten des Freiberuflers innerhalb der DDR waren bei diesem Berufsstand eher überschaubar. Obwohl die Ausbildung durchaus anspruchsvoll war ( wie im Westen auch ) durften die studierten Stomatologen beispielsweise in den 1980er Jahren lediglich ab 830 Ostmark ( Berufseinstieg ) und im Mittel um die 1.130 Ostmark. Dazu gesellten sich verschärften, die eher schlechten Arbeitsbedingungen aufgrund des seit Jahrzehnten chronisch unterfinanzierten DDR - Gesundheitswesens sowie auf der privaten Ebene die einem Lotteriespiel ähnelnde Suche nach einer Wohnung. Unter diesen Umständen war es nicht weiter verwunderlich, dass auch eine Vielzahl von gut ausgebildeten Zahnmedizinern dem sozialistischen Heimatland den Rücken kehrten und ihr Glück im " Goldenen Westen " suchten. Damit verschärfte sich der ohnehin schon gravierende Ärztemangel, der auch aufgrund der sich hier aufzeichnenden Nachteile einer Planwirtschaft in eklatanter Weise zu Tage trat. 

https://www.mdr.de/zeitreise/warum-so-viele-aerzte-der-ddr-den-ruecken-kehrten-100.html

Für die Patienten eines DDR - Zahnarztes gestaltete sich sodann ein Besuch bei einem Diplom - Stomatologen zu einem Trip durch die Folterkammer des Dr. Mabuse. War der Grad der Leidensfähigkeit bei einem der ungeliebten Zahnarztbesuche im Westen schon erheblich, so mussten Ostdeutsche ware Torturen durchleiden, wenn sie bei einem Stomatologen in Behandlung waren.

Die Materialien waren zumeist minderwertig, die Zahnfüllung sahen denn mehr nach einem Versuch eines Schusses mit einer Schrotflinte aus und so mancher Versuch, einen kranken Zahn zu retten, endete in einem Desaster; mithin eine Art Verschlimmbesserung.

https://blogs.faz.net/wost/2014/08/24/die-zahnaerzte-des-grauens-1254/

Abgesehen von ihren mäßigen Einkommensverhältnissen, galten Zahnärzte aus dem Osten, der DDR ( Wessi - Jargon: " Der Doofe Rest ) als Ärzte zweiter Klasse, die in der BRD nur müde belächelt wurden. Dabei hatten die West - Zahnklempner eigentlich genug mit sich selbst zu tun.

Waren die Arbeits - und Einkommensbedingungen nach dem Ende des " Tausendjährigen Reichs " in der BRD noch glänzend, weil es ebenso zu wenige Zahnärzte gab, denn auch hier blieben viele " im Feld " oder kamen als Kriegsversehrte zurück, änderten sich die Bedingungen mit zunehmenden " Wirtschaftsaufschwung " in den 1950ern und 1960ern alsbald, weil immer mehr Ärzte ausgebildet wurden. Der zu verteilende Kuchen wurde zudem auch wegen der deutschen Teilung durch den " Mauerbau " ab 1961 kleiner. 

Mit zunehmender Konkurrenz und geringer werdender Zahl möglicher Patienten, schrumpften somit die Einkommen der Dentisten. Die Mär vom Millionär im weißen Kittel, der Sportwagen fahrend mit einer Zweitfrau seine Freizeit vermehrt auf Sylt verbringt, zeigte sich als ein solche.  Der Konkurrenzdruck wuchs, damit auch der latent vorhandene Zwang zum Pfuschen und den damit verbundenen Abrechnungsbetrug gegenüber dem Patienten bzw. der Krankenkasse.

https://de.wikipedia.org/wiki/Zahnarzt#Einkommen

An einen solchen Fall von Pfusch geriet eben meine bessere Hälfte. Sicherlich auch deshalb, weil die beruflichen Umstände und eine Portion Gutgläubigkeit, gepaart mit einem anerzogenen, bestimmten Quantum von Grundvertrauen, sie dazu gebracht hatte, just zu eine Zahnärztin in Chemnitz aufzusuchen, die mit Fug und Recht als eine Variante von Wendeverlierer zu betrachten ist.

Ihre nach 1990 zwangsweise gegründete Praxis lief eher schlecht, womit die Gefahr intendiert war, dass sie herum pfuscht. Dass aber bei jener jetzt fest gestellten miesen Behandlung ein Fall von vorsätzlicher Körperverletzung aufgedeckt wurde, machte uns dann doch beinahe sprachlos. Während einer Backenzahnbehandlung brach der damals schon älteren Zahnärztin die Spitze ihres antiquierten Bohrgerätes ab und blieb im aufgefrästen Zahn stecken. Statt das Malheur zu beheben und den Fremdkörper aus dem Zahninneren heraus zu puhlen, zementierte die Dame ( sie praktiziert nicht mehr ) den metallischen Eindringling mit Zahnfüllmasse einfach zu. 

Die daraus resultierenden Konsequenzen traten zwar erst später, aber dafür erwartungsgemäß ein: Meine bessere Hälfte klagte über diffuse Schmerzen im Zahnbereich, die erst jetzt behoben wurden. Der behandelnde Kollege in Unterschleißheim entfernte den Übeltäter, dokumentierte den eklatanten Pfusch sofort und fertigte einen Bericht an die Krankenkasse an. Die verweigert nämlich regelmäßig die vorgenommen Zahn erhaltenden Maßnahmen mit dem Hinweis, dass diese nicht mehr erforderlich seien, weil ein alter, kranker Zahn unisono nicht mehr erhalten werden könne.

Die abgebrochene Bohrerspitze indes führte bei uns zu Diskussionen. Ich verspürte einen großen Drang die mittlerweile in den verdienten ( vielleicht auch nicht ) Ruhestand gegangene DDR - Stomatologin juristisch an die Kandare zu nehmen. Meine bessere Hälfte winkte ab: Lohnt sich nicht!     

Es lebe die Gerechtigkeit für alle Pfuscher in diesem, unserem Lande; egal ob einst Ost oder West!



ICI MAINTENANTS  -  Fight No More  -  Space And Time  -  2001:




Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

" Eine Seefahrt, die ist lustig. " - nur nicht in den 60er Jahren zum AOK - Erholungsheim auf Norderney.

" Oh Adele, oh Alele, ah teri tiki tomba, ah massa massa massa, oh balue balua balue. " und die Kotzfahrt nach Wangerooge.

Was ist eigentlich aus dem Gilb geworden?