Kölln - Kaba - Kost


Seit fünf Tagen versuche ich mit zurzeit nur mäßigem Erfolg gegen die beiden Fremdkörper in meinem Mund irgendwie und immer noch anzukämpfen. Doch es bleibt ein nahezu aussichtsloses Unterfangen. Das fast Vollgebiss ist nun einmal da und es wird bleiben - vielleicht solange ich noch lebe. Es wird sich nicht wieder von mir verabschieden, so wie jene primitive Brücke aus Metall, die ich vor fast 25 Jahren von einer Zahnärztin aus Bremen verpasst bekam. Die mich wahrhaftig genervt, gepiesackt, gequält hatte, ehe ich sie irgendwann beiseite legte und dafür einen ordentliche Rüffel von einer Kollegin der weißen Handwerker - Zunft in Bremen - Hemelingen erhielt.

" Tragen Sie das Ding nicht? ", stellte diese mir die vorwurfsvolle Frage, während sie mit einem jener bekannten Mini - Spiegel und eines dieser, mit einer Abart eines Widerhakens im Kleinformat vorgesehenen Folterinstrumente an meinen größtenteils noch vorhandenen Zweiten herum stocherte. Die Zahnklempnerin roch nach Katzenfutter. Für einen - wenn auch nur - Kassenpatienten eigentlich eine glatte Zumutung.  

" Nee, das Scheiß - Ding! ", antwortete ich ihr. 

" Das stabilisiert, aber! ", retournierte sie, 

Ich schwieg dazu und stellte dann aber die entlarvende Frage: " Haben Sie Katzen? "

" Ja, warum? "

" Ich rieche das Futter ". 

Ihr schien die Feststellung nicht besonders peinlich zu sein. Sie wühlte weiter an meinen unterbrochenen Zahnreihen herum. Dann verfüllte sie eine heraus gefallene Plombe mit dem Amalgam - " Dreck ", der bei mir Jahrzehnte danach immer noch Kopfschmerzen verursachte. 

Es war eine dieser nicht gut gehenden oder überhaupt nicht laufenden Praxen, die es in der Hansestadt gab und die heutzutage zu Tausenden immer noch im wiedervereinigten Deutschland existent sind. Sie war Einzelkämpferin, wie viele andere ihrer Kollegen auch. Die Praxis befand sich in einem alten, schon fast als herunter gekommen zu bezeichnenden Haus, das in einer kleineren Nebenstraße, einer reinen Wohnstraße des Stadtteils Hemelingen stand. Hemelingen war früher einmal eines jener Arbeiterviertel. Hier wohnten, lebten und malochten Frauen und Männer im Hafen, in den " Nordmende " - Werken, bei " Borgward ", jener Autofabrik, die später spektakulär in die Pleite gehen musste.

Dann verschwanden jene Arbeitsplätze  und mit ihnen verarmte der Stadtteil, wie die Freie Hansestadt Bremen als Stadtgemeinde und das kleinste Bundesland auch. Die Bevölkerungsstruktur veränderte sich zusehends. Die Alten starben, die Jungen zogen weg und es kamen viele so genannte Gastarbeiter mit ihren Familien aus der Türkei.

https://de.wikipedia.org/wiki/Hemelingen#Die_Gründung_des_Stadtteils_Hemelingen_1951

Nun, ich verabschiedete mich als hungerleidender Anwalt von der verarmten Zahnärztin. Ich suchte sie nie wieder auf. Sie blieb mir dennoch als durchaus attraktive Endvierzigerin ( mutmaßlich geschieden, weil obsessive Katzenhalterin; allerdings mit geerbten - ? - Haus, wenn auch in eher sehr bescheidenden Zustand und schlechter Lage ) irgendwie in Erinnerung. Ich war zu jener Zeit just frisch geschieden. Aber: Minus mal Minus ergibt hier nicht Plus! 

Diese und andere Erlebnisse kamen mir wieder in den Sinn, als ich an meinen aufgebesserten Haferflockenbrei saß und diesen mit einem kleineren Esslöffel in meinen noch geschwollenen Mund hinein schob. Während meine bessere Hälfte vor ihrer verhältnismäßig großen Schüssel mit Grünzeugs saß ( Grüner Salat / Roma Herzen, Thunfisch in eigenem Saft, Tomaten, Paprikaschote, Mini - Salatgurke, ein gekochtes " Bio " - Ei, Olivenöl ( aber nur kalt gepresst ), Essig ( nur den teureren aus Italien ) sowie eine Prise Salz, Pfeffer ) und an meinem Fraß herum lästerte, entsann ich mich an jene Jahre, in denen diese Speise fast jeden Morgen auf den Frühstückstisch kam, ehe ich meine Fahrt zur Ausbildungsstelle bei der Herm. Altenburg KG in Bückeburg antrat.  


Die Zubereitung war simpel, die Sättigungsgrad hoch, die Kosten dafür überschaubar.

Man nehme:

Einen Stieltopf / einen kleineren Kochtopf

Einen Schneebesen

Einen Gas - oder E - Herd

und stelle zuvor folgende Zutaten bereit:

Einen Liter Milch ( besser 3,8 %ige " frische " Vollmilch )

Eine Packung Haferflocken, fein, aber bitte die Guten von " Kölln "

Ein Päckchen Kakaopulver / Kakao, aber nur das gute von " Kaba " / alternativ. " Nesquick " oder " Van Houten " - Kakao

Ein Päckchen Raffinerie-Zucker ( besser: Rohrzucker )

Eine 250 - Gramm Einheit der " Guten Butter ", Hersteller egal, 

Nun wird der Stieltopf zu etwa einem Drittel mit Haferflocken gefüllt. Hierauf gießt der Zubereiter soviel Milch bis die " Kölln " - Flocken hierin schwimmen. Dann werden die Haferflocken ständig umgerührt, damit sie nicht " anbrennen " und mit einem Schneebesen ( ein Kochlöffel geht auch ) muss noch weitere Milch untergerührt werden. Kocht der Brei zirka 1 bis 2 Minuten auf, kann er vom Herd genommen werden. Die Haferflocken werden anschließend in einem größeren Teller, eine Schüssel oder ein anderes Gefäß gegossen, mit zwei bis drei Esslöffeln " Kaba ", ein kleines Stückchen Butter und etwas Rohrzucker angereichert.

Wohl bekommt´s!

Allerdings sollte diese Speise nicht zum Hauptmahl auserkoren werden. Sie ist nämlich nicht nur kalorienreich, sondern zudem ohne Vitamine. Doch eine Gebisssanierung macht eben Haferbrei zu einer schmerzlosen Alternative, weil er nicht gekaut werden muss.


HUNGER  -  Open Your Eyes  -  1969:






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