Herr R. und der Partnervermittlungsvertrag


Die 19. Folge der ZDF - Krimi - Serie " Der Alte " lässt den Glotzer in die Untiefen des sehr weit reichenden Segments " Herzspitze - Diskrepanzen "  eintauchen. Genauer gesagt: Es geht um eine Art der Heiratsschwindelei, um einen moderneren Typus des Gigolo, dessen klarer Lebensinhalt es ist, Frauen ( vornehmlich im gesetzteren Alter ) das Geld aus der Tasche zu ziehen, ihr Vermögen zu schmälern und just do ganz nebenbei, das alternde Herz zu brechen.

Gespielt wurde der moderne Herzensbrecher von keinem geringeren als Götz George. Er mimt den Münchner " Alex " glänzend. Ein auf den zweiten Blick leicht schmierigen, eitlen Typen mit Goldkettchen, beharrter Brust und jeder Menge Pomade im Haar. " Der schöne Alex ", so der Titel der Episode, lief am 6. Oktober 1978 und bei uns am 9. Mai 2021 über die Mediathek. 
Während die Handlung in einer - längst als unerträglich erachteten - schlechten Bild - und Tonqualität dahin plätscherte, der exzellente Schauspieler Götz George sämtliche Facetten des schleimigen, erfolglosen Maklers " Alex, der dafür umso erfolgreicher bei Frauen landen kann, abspult, erinnerte ich mich an einen meiner ersten Zivilrechtsfälle.

Es muss so im Frühjahr des Jahres 1987 gewesen sein. Mein einstiger Studienkollege und ich hatten eine eher herunter gekommenes Büro, unserer ehemaligen Ausbilder übernommen und warteten auf Mandanten. 

Ab und an verirrter sich ein solcher n der Kanzlei in der Brunnenstraße 5 im Bremer " Szene " - Viertel Ostertor / Steintor. Einer jener Verirrten war ein damaliger Nachbar. Ich schätzte ihn altersmäßig um die Mitte 50.  Sein Gesicht zeigte deutliche Falten. Er sah insgesamt blässlich aus. Kein braun gebrannter, muskulöser " Body - Bilder " - Typ, wie ich sie dann und wann im gegenüber liegenden Fitness - Studio sah. R. war zwar schlank, vielleicht um die 1,80 Meter groß und arbeitete als Lagerist bei einer Bremer Firma. R. hatte bereits eine Ehe hinter sich gebracht und suchte nun eine neue Lebenspartnerin.

Das gestaltete sich schwierig, denn R. war nicht der gut aussehende Frauentyp. Er war eben nicht der Mann vom Schlage des " Alex " in dem ZDF - Krimi. Deshalb gestaltete sich die Partnersuche bei R. nicht gerade einfach. 

Irgendwann musste R. des erfolglosen Suchens nach einer Partnerin und der ständigen Bemühungen um eine solche, also die richtige, überdrüssig gewesen sein. ER wollte aber keine, jener unendlich vielen, gleichlautenden und gleichförmigen " Kontaktanzeigen " in irgendeinem dieser " Anzeigenblätter ", die vormals " AbisZ ", " Bremer Anzeiger " oder auch " Weser Report " hießen, aufgeben. Nein, er wollte seine Partnersuche von Professionellen unterstützt haben wissen. 

R. vereinbarte einen Termin bei einer " Partnerschaftsvermittlung " in Bremen, die bereits damals wie Pilze aus dem Waldboden schossen. Es gab Dutzende dieser Dienstleister in der Hansestadt und es wurden immer mehr. Eine spätere Mandantin betrieb Jahre bevor sie mit einem anderen Geschäftsmodel des ungenierten Abzockens ihre Kohle verdienen wollte, eine solche Agentur.

Das Prinzip war damals wie heute nahezu identisch. Nur die Kommunikationsmittel waren eben andere. Die Vermittlungsvorschläge wurden per Post versandt. Das sah vormals wesentlich seriöser aus. Auf den zugeschickten DIN A 4 - Bögen prangte links oben eine Farbfoto der unten beschriebenen Person. Diese wurde in dem blumigsten Worten gelobt priesen. Mit " treu ", oder " ehrlich ", mit " adrett " bis " sehr attraktiv " oder mit " häuslich " bis " unternehmenslustig " wurde hierin dies gesamte des gestelzten Vokabulars herunter gebetet. Eine branchenübliche Methode um die eine Existenz auf dem Markt der unsäglichen Dämlichkeiten zu rechtfertigen.

Tja, R. hatte eben nach erfolgloser Suche einen frustationsbedingten Blackout und unterschrieb einen " Parnerschaftsvermittlungsvertrag ", in dem das so genannte Institut, dass unter einem Fantasienamen firmierte, sich verpflichtete, für eine satte Gebühr von 5.000 DM mindestens 10 Vermittlungsvorschläge, sodann jeden Monat mindestens weitere 5 Namen sowie Telefonnummern an R. weiter zu geben.

Die Aufnahmegebühr von 1.500 DM sowie die erste Teilzahlung von weiteren 500 DM waren sofort nach Unterzeichnung des Vertrags fällig. Es folgten weitere 5 Raten von 500 DM bis zum Ablauf des 6 - monatigen Vertrags, der nur aus wichtigem Grund kündbar war. Ein solcher Grund lag unter anderem dann vor, wenn das " Institut " den Verpflichtung, die fest gelegte Anzahl an geeigneten Partner - Vorschlägen postalisch zu übermitteln, trotz einer schriftlichen Aufforderung von Seiten des Vertragspartners, nicht nachkommt.

Das dieses nie geschehen würde,dafür sorgte schon allein die üppig bestückte Datei mit " Fake " - Damen, die sich zwar bei dem " Eheanbahnungsinstitut " formal angemeldet und dort auch als vermittlungswillig registrieren lassen hatten, jedoch schon allein von der Optik, der Vita und anderen Kriterien für R. nie als Partnerin in Betracht kamen. Je länger R. vergeblich versuchte mit diesen durchaus attraktiven Damen Kontakt aufzunehmen, um per Briefpost Nettigkeiten auszutauschen, desto länger war die Zeitspanne, die dabei zugunsten des " Instituts " ablief. Erst als R. die Angebetete persönlich kenne lernen wollte, wurde sein Ansinnen abgeblockt. Wenn es überhaupt zu einem Treffen kam endete das Interesse der Herzensdamen mit jedem inszenierten Rendezvous. Die Kartei - Frauen bügelten R. alsdann per Brief ab.

Diese Schreibereien waren auch Teil des konstruierten Gesamtwerks, was das Bremer " Vermittlungsinstitut " auf unbestimmte Zeit und für jeden Fall zusammen geschustert hatte. Die abgesandten Brief ähnelten bei genauerem Hinsehen wie ein Ei dem anderen. Einzig die Namen sowie weitere persönliche Daten waren ausgetauscht worden. Manchmal wurden ganze Blocksätze voneinander abgeschrieben oder mehrfach genutzt. Auch das verwendete, professionell ausgefeilte Vokabular war ohne weiteres Federlesen austauschbar.

Summa summarum: Eine riesige, sündhaft teure Verarsche.

Als R. zu mir kam, schaute ich mir den " Partnervermittlungsvertrag " nur unter rechtlichen Gesichtspunkten an. ER entsprach in einigen Passagen nicht den Vorschriften des Gesetzes über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen ( AGBG ), dass auch zu jener Zeit in der Judikatur groß in Mode kam, denn so manch abgeschlossener Vertrag war oft nicht das Papier wert, auf dem er geschrieben war.

Ich verfasste im Namen des Mandanten R. einen geharnischten Brief an das " Institut " und kündigte in jenem Schreiben den Vertrag fristlos. Die Betreiber der " Ehevermittlungsfirma " schrieben wenig später zurück. Sie bestritten die Behauptungen des R. und zweifelten zudem meine rechtlichen Ausführungen an. Einige Zeit danach flatterte ein Mahnbescheid bei R. ein. Die Partnervermittler verlangten nun die restlichen 3.500 DM von R.

Ich legte gegen den Mahnbescheid Widerspruch ein und wartete auf die Dinge, die dann in Form einer Klage auf R, zukommen könnten. Doch: Es geschah nichts. Die Zeit verstrich. Nach einigen Wochen schrieb das " Heiratsinstitut " erneut einen längeren Brief, in dem der Inhaber erneut seine Sicht der Dinge formulierte. Er schlug nun vor, dass R. die Hälfte des gesamten Betrages, also 2.500 DM zahlen solle und die Gegenseite würde den darüber hinaus bestehenden Anspruch fallen lassen. Andernfalls würde das " Institut " gegen R. Klage einreichen lassen.

Ich erklärte R., dass in einem Zivilprozess der Ausgang eher ungewiss sein könnte und zudem ein Kostenrisiko für ihn bestünde. Bei einem so genannten Streitwert kämen zirka weitere 800 DM ( einschließlich der Gerichtskosten ) auf ihn zu.

Nach längerem Überlegen willigte R. ein. Er unterzeichnete einen schriftlichen Vergleich und zahlte später die restlichen 1.000 DM an die " Vermittlungsagentur " in Bremen. Kurz darauf überwies er auch meine Gebührenrechnung. 

Was für R. dabei den Ausschlag gab, waren nicht die weiteren 1.000 DM, die er zahlen sollte, sondern eher die Tatsache, dass in einem möglichen Zivilverfahren eben seine Aktivitäten bei der vorgenommenen Suche nach einer geeigneten Lebenspartnerin lang und breit zur Sprache gekommen wären. Allein dieser Umstand war ihm äußerst peinlich.

So wird Herr R. wohl nie wieder einen Partnervermittlungsvertrag unterschrieben haben. 

Viele Monate später traf ich Herrn R. in Begleitung mit einer Dame zufällig im Steintor wieder. Das Treffen schien ihm eher peinlich zu berühren, weshalb ich nur kurz mit dem Kopf nickte, um ihn nicht in die Bredouille zu bringen. Die Begleiterin war nun keine Schönheit, weil eher klein gewachsen und zudem etwas mollig, aber: Bitte schön, auf jeden Topf kann auch ein Deckel passen. Und für R. war diese Bekanntschaft mutmaßlich um ein Vielfaches billiger.

 


SCHÖNHERZ  -  The End Of The Beginning  -  What A Night  -  1978:


    


  

 

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