Haferbrei, Kartoffelsuppe, Rauchverbot


 

Boah, das war eine Tortur! Gestern stand der zunächst vorletzte, aber dafür wichtigste Zahnarzttermin an. Meine Angstschwelle hatte ich ja bereits mit dem ersten Besuch eines Weißkittelträgers seit mehr als 20 Jahren längst überwunden. Wobei sich die Angst nicht auf die Einwilligung zur Körperverletzung bezog, sondern eher darauf, erneut an einen Pfuscher, einen arroganten Nichtskönner und blutigen Berufsanfänger zu geraten.

Dem war aber nicht so. Die Zahnarztpraxis im benachbarten Unterschleißheim ließ bereits während des Beratungstermins hoher Professionalität erahnen. Aha, wir sind eben " akademisch ausgebildete Handwerker ". Ein Berufsverständnis, dass mir vor mehr als 5 Jahrzehnten eher nicht vermittelt worden war. 

Um 15.00 Uhr ging es dann los. Der überwiegende Teil meines Lebens in Gestalt des Restzähnebestandes sollte bis auf mickrigen vier ( 4!!! ) Kauhilfen gezogen und in den dafür vorgesehenen Praxis - Abfallbehälter entsorgt werden. Hierzu bedurfte es einer entsprechenden Vorbereitung. 

Die angestellte Zahnärztin holte mich aus dem - leeren  - Wartezimmer ab. Sie sprach tiefstes Oberbayrisch. Dann wechselte sie in ein Hochdeutschen mit kräftigen Dialekt. Nun, inzwischen haben wir als Zugezogene unsere Ohren einigermaßen trainiert, um eine Grundkommunikation zu garantieren. Diese garantiert, dass eventuelle Missverständnisse im Wesentlichen ausgeschlossen werden können.

Die akademisch ausgebildete Dame bat mich dann, auf dem - früher - als Folterinstrument eingestuften Behandlungsstuhl Platz zu nehmen. Bevor ich meinen Mund öffnen durfte, war eine Spülung mit einem desinfizierenden Mittelchen, das bereits in einem Plastebecher bereit stand, erforderlich. Ich gurgelte mit dem Zeug jene 45 Sekunden lang, die mir auf dem Display über dem Hightech - Stuhl vorgegeben wurden. Danach hielt ich wieder mit der Zahnärztin small Talk.

Irgendwann  öffnete sich schwungvoll die Tür des Behandlungszimmers und der Chef trat ein. Es konnte also losgehen. Er zeigte mir meine noch nicht bezahlten  neuen Kauhilfen. Aha, dafür müssen jetzt die zumeist nur noch frakmenthaft vorhandenen, mehr als 50 Jahre alten „Echten ‚ abdanken?

Der Chef zog seitwärts von mir eine Spritze auf, deren Größe ich nur erahnen konnte. Er drückte deren  Nadelspitze mehrere  Male in die Zahntaschen und zum Schluss in den Gaumen. Dann entschwand er wieder und ich durfte den smalltalk mit der jungen Kollegin fort führen. Das Gespräch kreiste um Schule,Ausbildung, Enkel und daraus entstehende Probleme.

Mittlerweile hatte die Betäubung eingesetzt. Mein Mund fühle sich an, als sei er einbetoniert worden. Die Zahnärztin setzte eines jener Marterinstrumente in Betrieb, bei deren Anblick mir vor Jahrzehnten bereits der Angstschweiß auf die damals noch faltenfreie Stirn gekommen wäre. Sie drückte den Gerätekopf in meinen geöffneten Mund und begann an den oberen Zahnreihe herum zu fräsen.

Kurz danach kam der Chef und holte einiges von jenem Folterinstrumentarium heraus, dass ich - wenn auch in sehr abgewandelter Form - seit Jahrzehnten in überwiegend negativer Erinnerung habe. Dann legte er los. Ein kariöser Zahn nach dem anderen wurde aus dem Ober - sowie Unterkieferbereich entfernt. Die Tablett artige Fläche über meiner Stirn musste inzwischen wie ein blutiges Schlachtfeld ausgesehen haben. Ab und zu erkundige sich seine Assistentin nach meinem Befinden und wollte von mir wissen, ob es noch gehen würde. Ich brummelte ein klares Ja und ihr Chef begann die unteren Zähne zu entfernen.

Nach einer guten halben Stunde war die Tortur vorbei. Bis auf vier unbeschädigte Esshelfer im Unterkiefer hatte der Zahnarzt ale Zähne und Zahnstümpfe restlos entfernt. Nun setzte er die Dritten in den Oberkiefer. Es entstand dabei ein leichter Druckschmerz. Der Zahnersatz des Unterkiefers indes war etwas zu unsauber verarbeitet. Der Chef ärgerte sich und zitierte die Zahntechnikerin herbei. Er erklärte ihr, welcher Bereich an den beiden Klammern ungenau verarbeitete worden war und fragte sie provokant: " Und nu´? " Irgendwie tat sie mir ein wenig leid. Deshalb blieb ich ruhig und gelassen. Schließlich war ich unisono nicht in der Lage, ein feste Mahlzeit zu einzunehmen.

So kochte meine bessere Hälfte eine pürierte Kartoffelsuppe, in die ich ein Wiener Würstchen in atomisierter Form hinein schnitt. Heute Morgen gab es zudem gekochte Haferflocken und ein selbst zubereiteten Fruchtquark mit Himbeeren. Dann stand der 2. Versuch bei dem Zahnarzt an. Dieses Mal passten die Dritten für den Unterkiefer nahezu perfekt. Na, also!

Das Abendessen aber bestand wiederum aus Kartoffelsuppe und einem sehr klein zerteilten Wiener Würstchen von " Meica " von der Sorte " Deutschländer ". Ich löffelte die Suppe nebst Einlage problemlos herunter.

Ach, ja, ein Rauchverbot wurde mir auch erteilt sowie ebenfalls die dringende Empfehlung, mindestens drei Tage lang keine alkoholischen Getränke zu konsumieren. beides stellt für mich überhaupt kein Problem dar. Nur mit der Auflage, eine Woche lang keinen Lauf um den Hollener See zu absolvieren, tue ich mich eher schwer. Gut, zwei Tage sind ja ab heute Nacht bereits herum. Und das regnerische Wetter lädt auch nicht gerade dazu ein. 




BLACKFIELD  -  Pain  -  2004:




 

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