Geburtstag mit sich selbst



Als ich gestern gegen 9.00 Uhr von einem Mini - Einkauf beim " Norma " - Markt zurückkam, begegnete mir der Nachbar nebst Sohn. Nach einer kurzen Begrüßung kam der Filius gleich auf den Punkt: Er habe Geburtstag, sei jetzt vier Jahre alt geworden und würde sich sehr freuen. Aha! Nach einer kurzen Überlegung stellte ich ihm die Frage, ob er den Plaste - Traktor, auf dem er saß und sich redlich bemühte irgendwie damit zu fahren, als Geschenk bekommen habe. Na, klar! Von seinem Papa. Stolz fuhr er mit dem grünen Spielzeug ein paar Meter an mir vorbei. Ich verabschiedete mich von den beiden und wünschte ihnen noch einen schönen Geburtstag.

Geburtstag in " Corona " - Zeiten dürfte immer noch so etwas sein, was sich ein so genanntes Geburtstagskind nicht wirklich wünscht. Nicht nur die zumeist veranstalteten Privatfeier fielen und fallen immer noch aus, nein, auch dass seit vielen Jahren zu einem " Event " hoch stilisierte Fest, dass nicht selten zu einem teuren Spektakel durch Kino - Besuche, Fast Food - Fraß - Tempel - Besuche oder in Vergnügungsparks usw. endet, die fehlenden Kontakte zu eben jenen Freunden, Mitschülern oder Nachbarkinder sind es, die vielleicht einen solchen " Ehrentag " in einer solch trüben Zeit, eher als eine Art Strafe werden lassen.

Beim Auspacken des Einkaufsbeutels fiel mir ein, dass der Nachbarssohn J. zudem auch noch Einzelkind ist. Seine Eltern - mutmaßlich aus den Jahrgängen der Endsiebziger bis frühen Achtziger - zeigen sich nicht selten sehr bemüht, dem vierjährigen Filius die möglicherweise fehlenden Geschwister zu ersetzen. Dabei wird J. lautstark belobt, wenn er bei seinen Versuchen, die feindliche Umwelt genauer zu erkunden, sich besonders geschickt verhält. Auch sonst wird ihm vor Augen geführt, dass er längst in den Mittelpunkt des elterlichen Lebens getreten ist. So umsorgt, umgarnt, bemuttert, entwickelt J. - wie viele Kinder auch - eine Methode, die elterlichen Bestrebungen, seine Aktivitäten möglichst gefahrlos abzuwickeln, die da schlichtweg " Ohren auf Durchzug stellen " heißen könnte.

Das gesamte Geschisse rund um den in der Nähe wohnenden J. lässt sich durchaus in die Kategorie " Hubschraubereltern " einordnen. 

Gestern aber musste J. seinen Geburtstag ohne Freunde begehen. Es könnte aber auch sein, dass er eh keine hat. Einzelkinder wachsen ja häufiger in einer gewissen Isolation auf. Dass war früher nicht viel anders. Nur die Bedingungen dafür haben sich mittlerweile sehr verändert. 

Vor mehr als 60 Jahren, in jener Zeit, als die Erwachsenenwelt und der darin lebende Nachwuchs sich noch autoritär gebärdete, waren Kindergeburtstage ein oft gleichförmiges Ereignis, dass allenfalls am frühen Nachmittag mit dem Eintreffen der Eingeladenen aus Nachbarhäusern und / oder Schule begann. Hierbei versuchte jeder das Geburtstagskind mit einem kleinen Geschenk zu beglücken. Nachdem die selbst zubereitete Geburtstagstorte vertilgt war, konnte jeder Anwesende sich bei diversen Spielen austoben, ehe es dann so gegen 18.00 Uhr noch den üblichen Kartoffelsalat ( auch selbst zubereitet ) mit einer Bockwurst / Wiener Würstchen vom Schlachter in die Endrunde der Feier ging. Spätestens um 19.00 Uhr war dann endgültig Schluss. Die Erwachsenen wollte auch ihre Ruhe und mussten sich auf den folgenden Arbeitstag vorbereiten.

Diese Abläufe waren drei Mal im eigenen Elternhaus vorgesehen und mehrere Male in der Nachbarschaft. Einen Geburtstag mit sich selbst gab es eben nicht. 

Viele Jahre danach ließ ich es aus finanziellen Gründen bei einer überschaubaren Ansammlung von Geburtstagskarten bewenden. Auch während des Studiums war der " Ehrentag " eine Solo - Veranstaltung. Ich setzte mich an meinen Schreibtisch, hörte laute Rockmusik und trank eine Tasse Ostfriesentee. Geburtstag mit sich selbst, also! 



STEPPENWOLF  -  Round And Down  -  At Your Birthday´s Party  -  1969:




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