Da trat der Staatsanwalt ins Protokoll
Innerhalb der damaligen Veranstaltungen, die u.a. auch dazu dienen sollten, dem Studenten die gesellschaftliche Stellung des angestrebten Berufs als Jurist naher zu bringen, wurde mir schon bald vermittelt, dass der Jurist vornehmlich als Generalist gelten sollte, denn er ist dank seiner Ausbildung eben vielseitig einsetzbar.
Was damals vor etwa 4 Dekaden in jenen Veranstaltungen angeboten wurde, deutete tatsächlich darauf hin. Ein studierter Jurist, also eigentlich ein Volljurist, war beruflich breit aufgestellt. Er konnte nicht nur das Richteramt bekleiden, als Rechtsanwalt unter vielen Seinesgleichen probieren, sich wirtschaftlich / finanziell über Wasser zu halten oder in der Verwaltung, der Wirtschaft, in Verbänden oder gar Gewerkschaften, aber auch in der Politik als Justitiar bzw. Abgeordneter seine Brötchen verdienen. Juristerei ist nicht nur Faktenhuberei, sondern vornehmlich geschicktes Taktieren, um eingeschlagene Berufswege im Sinne des schnöden " Karriere machen ".
Zu den Besonderheiten des Rechtssystems in diesem, unserem, gut geregelten und geordneten Lande, zählt der Beruf des Staatsanwalts. Er fungiert als Vertreter des Staates, also der Allgemeinheit, vor den Strafgerichten in Straf - und Ordnungswidrigkeitenverfahren. Und davon gibt es reichlich. Allein im Jahr 2018 konnten die Staatsanwaltschaften beinahe 4, 86 Millionen Strafverfahren abschließen.
Tendenz: Steigend!
Auch ein Staatsanwalt ist innerhalb eines solchen Ermittlungsverfahrens häufig auf sachkundigen Rat als Entscheidungshilfe angewiesen, denn viele Materien mit denen sich die Anklagebehörde zu befassen hat, sind komplex und kompliziert. Da hilft sehr oft ein Gutachter, der eben jene auftretenden Probleme lösen könnte.
Doch ein Sachverständiger kostet eben auch Geld, Nicht selten, sehr viel Geld. Da wird unter den vielen Büros um die stattlichen Aufträge ordentlich gebuhlt, auch dann noch, wenn der Gutachter seine Leistungen nach einem Gesetz ( das ZSEG ) abzurechnen hat. Hier macht es dann die Regelmäßigkeit, mit der die in Auftrag gegebene Expertisen erstellt werden sollen. Wer dabei - dank entsprechender Seilschaften - einen guten Draht zu der Ermittlungsbehörde hat, wird alsdann bevorzugt behandelt. Doch der Gesetzgeber hat in solchen Fällen einen Riegel vorgeschoben, der verhindern soll, dass zwischen dem Auftraggeber und dem Gutachter ein zu enges Verhältnis entstehen kann. Der Sachverständige ist verpflichtet, seine abgegebenen Expertisen unter Verwendung einer Eidesformel vorzulegen.
Allerdings schützt dieser formale Zusatz nicht vor Falschgutachten oder einem Konstrukt, dass nun Anlass zu Ermittlungen im eigenen Hause, in dem vorliegenden Fall, bei der Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt am Main gibt.
Ins Visier der eigenen Kollegen ist Herr Oberstaatsanwalt Alexander B. gekommen. ER soll mutmaßlich Gutachten in Auftrag geben haben, für die eine Firma mit aktuellen Sitz in Möhrfelden - Waldorf verantwortlich zeichnete. Dank eines von dort aus konstruierten Firmengeflechts wurden weitere Firmen von angeblichen Mitwissern gegründet, wodurch verschleiert werden sollte, dass es sich bei den über den Herrn Oberstaatsanwalt B. in Frankfurt am Main eingeforderten Expertisen, immer nur um einen einzigen Auftragnehmer handelte. Das pikante daran ist allerdings, dass B. vorgeworfen wird, seit 10 Jahren als verantwortlicher Beamter Expertisen im Gesamtumfang von 12,5 Millionen Euro an das Hauptunternehmen in Möhrfelden - Waldorf delegiert zu haben. B. selbst soll in einem Zeitraum ab 2015 mehr als 240.000 Euro über jenes Geschäftsmodell erhalten zu haben.
Zudem wurde seit einigen Jahren die Qualität der Gutachten, insbeondere jener, die über eine Frankfurter Firma erstellt worden waren, gerügt. In einem Großverfahren, das sich gegen groß angelegten Abrechnungsbetrug von mehr als 1.500 niedergelassene Ärzte richtete, monierte ein Verteidiger, der Fachanwalt für Medizinrecht Alexander D., dass das vorgelegte Gutachten eher das Attribut eines Erfüllungsgehilfen der Staatsanwaltschaft verdien, denn das eines neutralen Prozessbeteiligten.
Nun wird gegen B. der Vorwurf der gewerbsmäßigen Bestechlichkeit erhoben. Das könnte im Falle einer Anklage und einer möglicherweise im Raum stehenden Verurteilung der klassische EDEKA - Fall für Herrn Oberstaatsanwalt B. werden. Dass dessen Vorgehensweise in Justiz - respektive Kollegenkreisen bekannt und als anrüchig galt, führt indes nicht zu einem strafbaren Handeln des Herrn B; wohl aber der Umstand, dass er hierüber sein durchaus akzeptables Gehalt von zirka 5.400 bis 9.200 Euro brutto ( Besoldungsgruppen R 2 bis R 4 zuzüglichen diverser Zulagen, erheblich aufbessert haben soll.
Nun, ja, auch der Generalist, der ein Staatsanwalt als Volljurist nun einmal sein sollte, kann sich nicht vom süßen Lockruf des Geldes vollkommen freizeichnet; zumal auch hier gilt:
" Gelegenheit macht Kasse "!
Beim lesen des Artikel " Justizskandal zieht Kreise " in der " Frankfurter Rundschau ( FR ) vom 3. August 2020, S. D8, erinnerte ich mich an meinen Ausbildungsbeginn von vor bald 40 Jahren. Ich war zwar nicht mehr ganz so jung, doch immer noch reichlich blauäugig und sah in den Damen und Herren in schwarzer oder andersfarbiger Robe, das erklärte Sinnbild von Recht, Gesetz und Gerechtigkeit - solange, bis ich ab 1986 auf die knallharte Berufsrealität traf.
Manchmal erinnerte ich mich dabei an ein Buch, das Boris Wittich vor 36 Jahren veröffentlichte. Sein Titel " Da trat der Staatsanwalt ins Protokoll ". In jenem Fall des Herrn B. könnte es wohl eher, allerdings abwandeln heißen: " Da trat der Staatsanwalt ins Fettnäpfchen "?
ERIC CLAPTON & STEVIE RAY VAUGHAN - Before You Accuse Me - 1990:
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