Francesco




Am vergangenen Wochenende war am Grenzübergang zwischen Slowenien und dem direkten Nachbarland Österreich vor dem Karawankentunnel das Chaos perfekt. Aufgrund der steigenden Covid - 19 - Fälle in Kroatien verschärfte das Bundesland Österreich die Einreisekontrollen. Die Konsequenz war ein 12 Kilometer langer Stau an der Grenzstelle. Die Landesregierung in Kärnten hatte zum Wochenende die Einreise - und Transitbestimmungen wegen der erhöhten " Corona " - Fallzahlen in Kroatien verändert und systematische Kontrollen an den Grenzübergang zu Slowenien durchgeführt.

Das daraufhin verursachte Chaos an der Maut - und Kontrollstelle am Karawankentunnel ließ nicht lange auf sich warten. Ab Samstagnachmittag stauten sich die Fahrzeuge bei der Einreise nach Österreich auf einer Gesamtlänge von 12 Kilometern.   Das dürften zirka 30.000 Kraftwagen gewesen sein, die da vor dem Grenzübergang standen. Reisende berichteten, dass sie von 17.00 Uhr bis 7.00 Uhr morgens in der Autoschlangen gestanden hätten, ehe die Verantwortlichen auf der österreichischen Seite die verschärften Grenzkontrollen wieder aufheben ließen.

Sicherlich mag Österreich ein Interesse daran haben, dass die " Corona " - Zahlen aufgrund der seit Monaten durchgesetzten Hygiene - Regeln und der gesetzlichen Bestimmungen auf weiterhin sehr niedrig bleiben, doch mit ein wenig Weitsicht, hätten die Kärntner Politiker erkennen können, was da aufgrund der Situation in Kroatien auf sie zukommt, wenn viele Urlauber wegen des massiven Anstieg von " Corona " - Fällen den Aufenthalt plötzlich und vorzeitig abbrechen. 

Tja, die Weltseuche macht auch her nicht vor den Grenzen des Nachbarlandes halt. 

Während ich in den Nachrichten von dem Chaos am Karawankentunnel hörte,erinnerte ich mich an unsere Kroatien - Aufenthalte. Insbesondere an den ersten Urlaub Ende März 2006.   

Unsere Tochter lebte damals mit ihrem Mann ( ein gebürtiger Ire ) in Irland. Beide verdienten dort sehr gut und erwarben eine Eigentumswohnung in Kroatien. Nichts luxuriöses, aber immerhin so ausgestattet, dass sie jederzeit als Ferienwohnung vermietet werden konnte. Der kleine Ort in Istrien heißt Savudrija ( italienisch: Salvore ) und liegt an der Nordwestspitze der kroatischen Halbinsel

https://de.wikipedia.org/wiki/Savudrija


Savudrija ist, genau wie der folgende Ort Basanija ein Ortsteil der Stadt Umag die zirka 8 Kilometer entfernt liegt.  Auch weitere, anliegende Orte, wie Babici´, San Lorenzo oder Zambrattia zählen zu den insgesamt 23 Umag angegliederten Gemeinden. 


  https://de.wikipedia.org/wiki/Umag


Die Region ist, wie viele Teile Istrien auch, durch die italienisch mitgeprägte Historie stark beeinflusst; immerhin liegt die einstig, bedeutete Handels - und Hafenstadt Triest nur 50 Kilometer entfernt; das weltbekannte Venedig wird bei günstigen Wetterbedingungen von Savudrija aus am Horizont mit bloßem Auge  schemenhaft erkennbar. Ebenso die Teile der italienischen Alpen.

Es ging damals in Savudrija noch beschaulich zu. Der Massentourismus in der jetzigen Form boomte beileibe nicht so. Dennoch wurden in dem kleinen Ort am Meer viele Häuser und Apartments gebaut. Die inzwischen Pleite gegangene und später verstaatlichte " Hypo Alpe Adria Bank " hatte auch hier jede Menge Immobilien in den rötlichen Boden der Halbinsel gesetzt. Überall waren Verkaufstafeln an den Objekten zu sehen. Als die sich abzeichnende Finanzkrise 2009 ihren weltweiten Höhepunkt erreichte, war die Immobilienblase in Istrien und ganz Kroatien längst geplatzt. Zurück blieben Bauruinen, Insolvenzen und am Boden liegenden Existenzen vieler Geprellter und Investoren.

Dann sind da noch die Geisterstraßen von Alberi. Dieser ehemalige Fischerort liegt zirka 2, 5 Kilometer fußläufig von Savudrija entfernt. Die slowenische Grenze befindet sich nur wenige Kilometer entfernt. Und dieses war oder ist das Problem dieses Ortes. Von den vielen - oft sehr schmucken - Häusern mit Meerblick dürften nur einige wenige dauerhaft bewohnt sein. Der überwiegende Teil hat slowenische Eigentümer, die bis zum Zerfall Jugoslawiens dort lebten. Möglicherweise sollten sie von der kroatischen Regierung enteignet werden. Weil ausländische natürliche Personen nach der Gründung des kroatischen Staates dort kein Grund und Boden erwerben dürfen, musste unsere Tochter ein Firma in Kroatien gründen und diese mit dem Betriebszweck der Vermietung von Ferienwohnungen kostenpflichtig in das örtliche Handelsregister eintragen lassen. 

Die Eigentumswohnung der Tochter wurde einige Jahre später wieder verkauft; die kroatische Firma gelöscht. Bis dahin aber konnten wir einige Male dort gratis wohnen. In dieser Zeit lernten wir den Eigentümer einer Drei - Zimmer - Wohnung in der aus sechs Einheiten bestehenden Anlage kennen. Er hießt Ivan, lebte seit den frühen 1970er Jahren in dem Bundesstaat New Mexico, in den USA. Er arbeitete dort bis zur Rente, hatte sich Geld gespart und erwarb dann in den frühen Nullerjahren die Eigentumswohnung.

Ivan besaß einen dunkelbraunen Mischlingshund mit Namen Francesco. Francesco war ein noch sehr junger Hund, der leider nur eine Hütte auf einem von Ivan vor dem Haus gepachteten Garten besaß. Hier lag Francesco häufig auf dem Boden. Er wurde von Ivan regelmäßig angekettet, weil er ständig ausbüxte und in der Gegend herum stromerte. Francesco mochte uns und wir ihn. Nicht nur, weil er von uns ab und an eine Scheibe Wurst bekam, sondern weil wir uns vor und nach den regelmäßigen Strandbesuchen mit dem Hund beschäftigten. Francesco wedelte dann immer mit seiner Rute. Er freute sich, uns zu sehen.

An einem Abend nach einem dieser Strandbesuche war Francesco nicht zu sehen. Er war einfach weggelaufen, weil Ivan vergessen hatte, seinen Hund anzuketten. Bei einem anschließend Spaziergang durch den Ort Savudrija sahen wir Francesco. Er streute durch die Nebenstraßen, die manchmal wohl klingende Namen, wie " Weinstraße " oder ähnlich, aufzeigen, doch eher triste Bauten und eben jene Bauruinen aufweisen. Francesco jedenfalls sah und, wedelte mit seiner Rute und lief zu uns herüber. Er wollte jetzt dazu gehören. Wir gingen weiter, aber Francesco folgte uns. Wir forderten ihn auf, wieder nach Hause zu laufen, doch Francesco blieb. Er folgte uns auf Schritt und Tritt. 

Dann kam uns ein Auto entgegen. Francesco wurde wütend. Er bellte das langsam vorbei fahrende Fahrzeug an. Wir riefen ihn zurück. Francesco ging mit uns weiter, machte keine Anstalten wieder zurück zu laufen. Ein weiteres Auto fuhr die Straße, die in Richtung des Meeres führte, entlang. Francesco kläffte erneut. Wir meckerten ihn an, das Anlaufen des PKW und das laute Bellen zu unterlassen und wieder zu seinem Herrechen Ivan nach Hause zu gehen. Francesco dachte nicht daran.

Zirka 20 Meter vor uns ging ein jüngeres Paar auf dem Gehweg. Es musste die vorherige Szenerie wohl mitbekommen haben und hatte sich dazu wohl bereits mit tadelnden Worten geäußert. Jedenfalls drehte sich die Frau plötzlich zu uns um und blaffte uns mit den Worten: " Das finde ich jetzt aber nicht gut! " laut an.

Es war ein leichter schwäbischer Dialekt in ihrer Aussprache zu vernehmen. Ein dunkelrotes Tuch für jeden Norddeutschen, also auch für mich. Mit platzte der Kragen, weil ich diese Art von Beckmesserei, jenes oberlehrerhafte Sich - Einmischen in fremden Angelegenheiten, dieses bräsige  pseudo - intellektuelle Getue und Gelaber schon während meiner Studienzeit nicht abkonnte. Es waren einst die mit einheitlichem Kurzhaarschnitt, normierter Nickelbrille von " Rodenstock " und lila Latzhose burschikos auftretenden baden - württembergischen Akzent oder schwäbelnde " Öko - Pax " - Feminine, die in den Seminar von damals zu jedem Flavus entwas kritisches anzumerken hatten. Häßliche, pickelige, einfach unansehnliche " Fassenacht " - Kräuterhexen, die links - ökologisch angehauchtes Gedankengut bei jeder Gelegenheit anzubringen gedachten. Und just so sah die Tadelnde vor uns aus.

Boah, ey, mir ging die Galle über. Ich blaffte zurück:

" Was wollen Sie eigentlich? Ist das Ihre Sache? Der Hund ist uns hinterher gelaufen! Wir haben ihn nicht zu erziehen, zumal es nicht einmal unserer ist! ".

Nach dieser verbalen Abfuhr drehte sich die Baden - Württembergerin wie ein geölter Blitz herum, bog die nächste Querstraße ab und ward nie wieder gesehen.

Francesco indes ging mit uns bis in die Strandnähe, dann nahm er eine Abkürzung über einige unbebaute Grundstücke und lief zurück zu seiner Hütte. Es war längst dämmerig geworden und vermutlich gab es von seinem Herrechen noch Futter.

Beim Rückweg echauffierten wir uns noch kurz über das unmögliche Verhalten der " Fassenachtshexe ". Ich erzählte meiner besseren Hälfte von jenen Studentinnen, die an der Uni Bremen damals jenen Prototyp der  femininen " Öko - Pax " - Bewegung in Latz - oder Pluderhose darstellten. Sie musste lachen und weiß seither die physiognomischen Charakterzüge einer typischen baden - württembergischen Trutsche sofort zu erkennen und diese umgehend dahin einzuordnen.

Francesco indes, haben wir seit  dem letzten Aufenthalt in Savudrija nie wieder gesehen.

   


KANOI  -  I´m Gone  -  Moutains Of The Sun  -  2016:





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