Der Hitzelauf
Seit einigen Monaten versuche ich mich nun über das Joggen und einer moderaten Ernährungsumstellung ein wenig von dem drohenden Übergewicht zu befreien. Wer in gesetzteren Alter nicht auf ein gewisses Quantum an Bewegung, gepaart mit einer straken Einschränkung der Essgewohnheiten, achtet, wird sich ewig mit seinen zu vielen Kilogramm herum plagen müssen.
Joggen soll dabei helfen, den Body - Mass - Index ( BMI ), den ließ ich errechnen und durfte erfreut feststellen, dass ich mit 25, 1 im Normbereich der Männer meines Alters liege. Aber: Das kann sich sehr schnell ändern!
Das Bier trinken habe ich auf ein Minimum reduziert, Alkoholika werden eh nur zu besonderen Anlässen getrunken und beim Essen verzichte ich auf zu üppige Portionen. Nur mit den Süßigkeiten gibt es noch ein bisschen Schwierigkeiten.
Das Laufen im Sommer, in der blühenden, bunten Natur, so rund um den Hollener See, ist entspannend; wenngleich nicht weniger anstregend. So startete meine bessere Hälfte mit mir heute Morgen ab 8.00 Uhr zu unseren Laufprogramm von 5 x 2 1/2 Minuten. Der Sonntagmorgen treibt auch andere Sportler, wie Radler oder auch Schwimmer ins Freie. Weshalb schon einige Menschen rund um den See unterwegs waren.
Langsam wurde es wärmer. Der angesagte, heiße Augusttag sandte bereits ab 8.30 Uhr seine Vorboten. Viel später hätten wir deshalb nicht starten dürfen, denn danach wird das Laufen zur Qual. Und während unserer vorletzten Laufeinheit erinnerte ich mich an einen heißen Sommertag, kurz vor dem Beginn der Großen Ferien, Mitte der 1960er Jahre. In der 5 und 6 Schulstunde war Sportunterricht angeordnet. Es war bereits sehr warm, weshalb der einstige Sportlehrer, ein junger Pädagoge mit dem Namen Vehling, der aus dem Schaumburg - Lippischen kam und in Hannover studiert hatte, uns zum Laufen in die Natur schickte.
Der so genannte Dauerlauf startete am hinteren Teil des Schulhofs und führte uns entlang der Aue bis in den Kurpark von Bad Eilsen, wo wir eine Schleifen zu laufen hatten, ehe der Sportlehrer Vehling uns zurück schickte. Vehling war damals noch jung, somit auch entsprechend fit. Beim Laufen zeigte er eine Kondition, die uns die Zunge aus dem Mund hängen ließ. Es war heiß, nach einigen Kilometer hatte ich enormen Durst. Vehling aber hatte uns das Wasser trinken ausdrücklich untersagt, um mögliche Magenkrämpfe zu vermeiden. Er achtete unterwegs mit Argusaugen darauf, dass die aus zwei Klassen bestehende Gruppe nicht zu sehr auseinander fiel, aber vor allem darauf, dass sich kein Schüler irgendwo absetzte, um Wasser zu trinken.
Auf dem Schulhof angekommen, war der Durst kaum noch zu ertragen. Vehling aber beobachtete die mindestens 40 Schüler ganz genau, um zu verhindern, dass wir in das Schulgebäude gelangten, um dort Wasser zu trinken, stellte er sich vor die am Hof befindliche, weitere Eingangstür und beobachtete ganz genau, dass alle Schüler zurück in die Umkleidekabinen der Turnhalle gingen.
Auch dort verhinderte er, dass wir in die Dusch - und Toilettenräume gelangten, um hier aus den Wasserhähnen zu trinken. Doch der Lehrer Vehling wollte sich umziehen und sich seiner - viel zu warmen - weißen Turnhose und seines weißen Turnhemds entledigen. Dazu musste er in die Umkleidekabine. Kaum war er darin verschwunden, liefen wir durch die Seitentür in Richtung Schulhof und von dort zu einem am alten Sandstein - Schulgebäude angebrachten Wasserhahn. Ich drehte das uralte Ventil auf und das begehrte, kühle Nass floss heraus. Wir tranken hastig von dem Hahn und frozzelten, weil wir das Verbot des Sportlehrers Vehling geschickt umgangen hatten.
Doch der war schlauer als wir vermuteten. Er hatte uns noch aus dem Fenster seines Umkleidezimmers in der Turnhalle gesehen und sich natürlich sofort gedacht, dass wir zum Wasser trinken in die Schule herüber laufen würden. Er folgte uns in einem angemessenen Abstand und ertappte uns beim Trinken auf frischer Tat. Wütend befahl er uns sofort den Hahn abzustellen und das Wasser trinken zu stoppen. Wie vom Blitz geölt jagte er dann hinter dem erst Schulkollegen her und versuchte diesen in den Hintern zu treten. Eine heutzutage undenkbare Handlung, die sofort die Eltern, den Eltersprecher und im Extremfall sogar die Polizei auf den Plan rufen würde. Doch mein Schulkollege war schnell und schlug während des Weglaufens mehrere Haken, als würde ein Hase fliehen. Vehling verlor auf dem Grünstreifen des Schulhofes das Gleichgewichte, rutschte dadurch mit einem Bein weg und setzte sich auf seinen Allerwertesten. Die restlichen Schüler konnten - so wie ich auch - schnell zurück in die Turnhalle laufen.
Als der Sportlehrer dort eintraf zogen wir uns gerade um. Er zeterte wie ein Rohrspatz und drohte uns mit Konsequenzen. Bei der Drohung bleib es allerdings auch. Ich bekam trotzdem meine 2 im Sport. Ein Jahr später war das Gastspiel des Lehrers Vehling in der Volksschule Heeßen beendet. Er wurde nach Hannover versetzt.
Als wir heute Morgen, also mehr als 53 Jahre später unseren Rundlauf beendet hatten, lief mir der Schweiß die Stirn herunter. Dieses Mal aber durfte ich ohne ein Verbot beachten zu müssen, das erfrischende Wasser trinken.
POLSKA RADIO ONE - The Fractalized Sky - 2013:
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