Kuraufenthalt wie zu alten Zeiten: Morgens Fango, abends Tango?


 


Seit einigen Jahren hat der Gesetzgeber den Gestressten, Ausgebrannten und Geknechteten in diesem, unserem, wohlhabenden Lande, wieder die Möglichkeit zur Regeneration ihres geschundenen Körpers in Form eines über die Krankenkassen bezahlten Kuraufenthalts gegeben. Einziger Wermutstropfen dabei ist: Der Mühsam und Beladene muss zur Wiederherstellung seiner Arbeitskraft den oder Teile seines Jahresurlaubs nehmen. Ein Hemmnis, wie die bisherigen Statistiken dazu belegen.

Das war noch vor 50 Jahren anders.

Damals durfte sich der Beschäftigte als König in einem von sozialen Wohltaten nur so wimmelnden Arbeitsleben fühlen. Ihm standen alle zwei bis drei Jahre ein kostenloser Kuraufenthalt zu, sofern ihm ein Krankenkassenarzt einen solchen verschrieb. Das war jedoch kein so großes Problem, denn entsprechende Ärzte hierfür gab es beinahe wie Sand am Meere. Die Kurmaschinerie lief somit wie geschmiert und spülte so manches erkleckliche Sümmchen in die Kassen der von ihr Partizipierenden.

Dann kamen die ersten Konjunkturtäler, die wirtschaftlichen Einbrüche, die daraufhin folgenden " Gesundheitsreformen ", die der verstorbene Bundesgesundheitsminister Norbert Blüm und ihm folgend der bayrische Minister Horst Seehofer, zu verantworten hatte.

Hieraus entwickelte sich ein langsames Sterben der vielen Kur - und Heilbäder. So auch in Bad Eilsen, dem Ort meiner Kindheit. Wo sich ab den 1970er Jahren Massen durch den schmucken Kurpark wälzten, wo zu den Hauptzeiten mehr Kurgäste und deren Angehörige nahezu alle zur Verfügung stehenden Betten belegten und wo die kleinen Geschäfte sowie gut ein Dutzend Restaurants, Gaststätten und Cafe´s satte Umsätze verzeichnen konnten, herrscht heutzutage gähnende Leere. mehr als die Hälfte der von dem Kurbetrieb abhängigen Einrichtungen sind längst geschlossen oder gar abgerissen worden.

Der Aufstieg und Fall eines kleinen Ortes, einer dann zu einer Samtgemeinde zusammengeführten Verwaltungseinheit, eines staatlich anerkannten Kur - und Heilbades, war zwar schleichend, allerdings vorhersehbar. Zu lange, nämlich über mehr als 2 1/2 Dekaden, finanzierten die Solidargemeinschaft in Gestalt der vielen - viel zu vielen -  Kranken - und Rentenversicherungen den zweiten, dritten und weiteren Urlaub eines Zwangsmitglieds, dass da einst Arbeiter oder auch Angestellter sowie Beamter hieß. 

Das traf auch für die großen, ja überdimensionierten Einrichtungen der Landesversicherungsanstalt mit Sitz in Hannover. Hierin tummelten sich eben in jenen Boomjahren Zenttausende Kurende. Es waren nicht nur viele - überwiegend -  Männer, deren Arbeitgeber der Autohersteller, der Gigant VW mit seinen Hauptwerken in Wolfsburg, Hannover, Braunschweig, dann in Emden war. Dann trafen sich auch Arbeiter aus den Reifenfabriken " Continental ", der Stahlwerke in Salzgitter oder weiterer Großbetriebe in Niedersachsen.

Aber auch eine Vielzahl von Berlinern fanden sich damals im Kurbad ein, um hier drei bis vier Wochen so genannte Anwendungen zu erhalten, aber auch Erholung zu suchen. Eine Reihe aus der späteren Bundeshauptstadt blieben für immer dort und fanden ihren Altersruhesitz in dem Kurbad am Rande des Weserberglandes.

https://www.tagesspiegel.de/berlin/warum-ein-paar-alte-berliner-im-weserbergland-ihr-gluck-fanden-3774694.html       

 Mit den Massenansturm der Kurenden aus den vielen niedersächsischen Städten war es nach den gesetzlich verankerten und vorgenommenen Kürzungen, Streichungen und Modifizierungen dann bald vorbei. 

Seit mehr als einem Vierteljahrhundert dümpelt die Mehrzahl dieser einst prosperierenden  Kur - und Heilbäder irgendwie nur herum. Die " guten " alten Zeiten sind längst als eine Form des Nach - Wirtschaftswundes in die Historie jener Badeorte eingegangen. Heutzutage zeigt der Kurbetrieb sich nlich so, wie es in jenem Artikel der " Süddeutsche " treffend beschrieben wird: 

https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/kurorte-das-deutsche-bad-geht-baden-1.3632040   

Junge, was waren das für " Goldene Zeiten " als meine Eltern Mitte der 1970er Jahre das ehemaligen Zweifamilienhaus in eine nicht angemeldete Privatpension umfunktionierten und in den Spitzenjahren fünf Fremdenzimme mit bis zu 9 Betten belegen konnten. Finanzielle betrachtet, war jenes halblegale Geschäftsmodell eine " Bringer ". In einigen Jahren verbuchte unsere Mutter, die Chefin vom Ganzen, satte 36.000 bis zu 40.000 DM Nebeneinnahmen aus der Fremdenzimmervermietung, einschließlich des hauseigenen Getränkeangebots. Das Alles natürlich am Fiskus vorbei.

Damit ließ sich für ihre Verhältnisse gut bis sehr gut leben. 

So konnten sich meine Eltern neben PKW der oberen Mittelklasse, auch teure Auslandsurlaube leisten. Der Spuk endete alsdann mit der letzten " Gesundheitsreform " des Seehofer, Horst, der die ärztlich empfohlenen Kuren zur Wiederherstellung der Arbeitskraft und Förderung der Gesundheit, derartig zusammenstreichen ließ, dass nur noch wenige Arbeitnehmer in den Genuss einer solchen Form eines erweiterten Jahresurlaubs kamen.

Doch seit einiger Zeit forciert die " große " Politik in Berlin Bestrebungen, einen Teil der vormals abgeschafften Arbeitnehmer - Privilegien wieder aus dem Dämmerzustand hervor zu holen, um den ebenso ausrangierten bade - und Kureinrichtungen in jenen Kurorten neues Leben einzuhauchen.

Unter dem Titel " Das Rezept, das kaum einer will ", skizziert ein Artikel in der Ausgabe 17 / 2023 des Nachrichtenmagazins " DER SPIEGEL " jene Malaisse, in der eben jene Kurbadeorte, die durch das rigorose Zusammenstreichen des Leistungskatalogs der Kranken - und Rentenkassen, ich seit Dekaden befinden. Dem soll durch das Prinzip des Kurens auf Rezept ein kleines Stück entgegen gewirkt werden.

Wie der " SPIEGEL " hierzu richtig feststellt: " Kaum einer sehnt eine Rückkehr der Kassenkur herbei. Nicht einmal bei den Patientinnen und Patienten. Denn anders als früher müssen die heute dafür Urlaub nehmen und die Unterkunft vor Ort zum größten Teil selbst zahlen. Und das können sich vor allem Lehrerinnen und Lehrer mit zwölf Wochen unterrichtsfreier Zeit leisten - oder Rentner, Eine sozialpolitisch eher heikle Strategie: Aufkommen müssen dafür die jüngeen Beitragszahler. "

- Zitatende - aus: " DER SPIEGEL ", Ausgabe 17 / 2023, S. 67

Dem wäre eigentlich nicht sehr viel hinzuzufügen; wenngleich dieser nette Versuch, einen schlafenden Hünen zu wecken, zudem eher Klientelpolitik zu sein scheint. Die " Golden Zeiten " aus den 1970ern bis 1990ern lassen sich dadurch kaum zurück bringen. Die Arbeitswelt ist heutzutage eine vollkommen andere. Womit der körperlich anstrengende Berufsbereich nicht mehr das Gros ausmacht und die damit verbundenen Gesundheitsbeeinträchtigungen nicht die Ausmaße jener einstigen Dekaden einnehmen.

      

THE HERD  -  Paradise Lost  -  1967:





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