Schulfrust
Weil das Jahr sich dem Ende zuneigt, der Winteranfang bereits eine Woche hinter uns liegt, sollen die Tage eigentlich länger werden. Doch an diesem, dem heutigen 28. Dezember stellt sich die Helligkeit nicht so richtig ein. Um 7.30 Uhr konnte ich bei einem Blick durch das Küchenfenster noch keine Pflanzen, Sträucher und Bäume erkennen. Es war stockdunkel dort draußen.
So dunkel, wie es auch in jenen Jahren war, als es vor und um das elterliche Hausgrundstück keine Straßenbeleuchtung gab. Als der geteerte Abschnitt der Feldstraße exakt an jenem Haus auf, dass zu der Gemeinde Heeßen zählt und der Gehsteig keiner mehr war, sondern nur ein Torso aus aufgeschüttetem Mutterboden, der notdürftig mit Rollsplitt abgedeckt worden war, damit er überhaupt begehbar bleiben konnte.
Die Feldstraße war damals also zweigeteilt. Der größere Abschnitt wurde der Gemeinde Bad Eilsen zugeschlagen; nur zwei Häuser zählten zu der Gemeinde Heeßen und zirka 50 Meter hinter dem Grundstücksende des elterlichen Hauses begann die Gemeinde Luhden. Das elterliche und ein Nachbarhaus befanden sich deshalb im so genannten " Dreiländereck ". Das Kuriose daran war zudem, dass die beiden Hausnummern 68 und 70 hätten eigentlich nicht existieren dürfen, denn auf der Feldstraße meiner Kindheit und Jugendzeit gab es zunächst nur 8 , später dann 11 Häuser gab.
Von der Feldstraße aus gingen deshalb nur 5 Heeßer Schulkinder jeden Morgen in Richtung der Volksschule, der überwiegende Teil kam aus Bad Eilsen. Und die mussten nicht durch einen verschlammten Gehweg oder auf einer mit großen Schlaglöchern übersäten Feldstraße bei Dunkelheit gehen. Einige Jahre später änderte sich dieses dann nach und nach. Aus einer steinig, holprigen, verschlammten Schlaglochsraße wurde eine asphaltierte. Die Sackgasse blieb indes bis weit in die 1980er Jahre. Damit bleib auch von der motorisierte Straßenverkehr der Straße fern. Ein sicherer Schulweg war für uns Kinder damit kein Wunschdenken.
Nun, heutzutage ist dieses längst völlig anders. Die Samtgemeinde Eilsen hat auf den ehemaligen Ackerlandflächen Bauland gemacht und es wurden rundherum neue Häuser sowie Straßen gebaut. Die Zeiten des sicheren Schulwegs sind damit passe´. Aber nicht nur der Weg zur einstigen Volksschule hat sich verändert. Die Volksschule von einst gibt es in dieser Form längst nicht mehr. Sie nennt sich heute Grundschule und wird bis zur 4. Klasse geführt. danach müssen die Kinder in weiterführende Schulen gehen. Wer den Notendurchschnitt erreicht hat, darf das Gymnasium oder die Realschule besuchen. Der Rest wird von der Hauptschule aufgenommen. Dazu gibt allerdings auch Gesamtschulen, Ganztagsschulen sowie Schulen in so genannter freier Trägerschaft ( Privatschulen ).
Wer aus einem kleineren Ort, einem Dorf oder Flecken kommt, der muss in die weiterführende Schule der nächst gelegenen Stadt fahren. Das gilt heute für alle Schüler aus der Samtgemeinde Eilsen.
Und dort, also in die Volksschule Heeßen wurde ich vor mehr als 58 Jahren eingeschult. Ich war zunächst keine besonders heraus ragender Schüler. Eher Mittelmaß und später gar darunter. Ich war eigentlich faul. Diese Einstellung zur Schule kam auch damals schon nicht gut an. Weil die Volksschule von einst, nicht als Restschule galt, sondern die Mehrzahl der Schüler diese bis zum Abschluss oder einige wenige bis zum Abgang zu besuchen hatten, um anschließend eine Lehre aufzunehmen, konnte zumindest in vielen Jahrgängen ein durchaus ansehnliches Niveau vermittelt und gehalten werden.Das reichte alle Male, um - so wie bei mir - eine kaufmännische Lehre abzuschließen.
Was danach kam, sollte sich nach dem Kriegsdienst bei der Bundeswehr zeigen. Hierbei wurde ich dann endgültig wachgerüttelt. Als Schütze Arsch im letzten Glied oder knapp darüber, war für mich klar, dass mich reinweg nichts mehr in meinen alten Beruf zurück brachte. Ich hatte andere Pläne und dafür war ein höherer Schulabschluss erforderlich. Den erhielt ich dann - wenn auch auf Umwegen - zwei Jahre nach der Barraszeit.
Es war ein steiniger, ein morastiger, ein unbefestigter Weg. So, wie es einst mein Schulweg vor mehr als 58 Jahren war. Doch dieser eingeschlagene Weg führte letztendlich zum Erfolg. Ob ein solcher schulischer - und beruflicher Werdegang heutzutage noch möglich ist, halte ich eher für unwahrscheinlich. Das Abitur ist zwar längst zu einem üblichen Schulabschluss verkommen, aber dennoch gibt es Bundesländer, innerhalb derer der Zugang zum Gymnasium nach wie vor erschwert wird. Geschweige denn, eine erforderliche Durchlässigkeit innerhalb des Schulsystems vorliegt.
Im Gegenteil: Die Selektion beginnt bereits in der Grundschule, also den ersten vier Klassen.
Der benachbarte Freistaat zählt zu diesen Bundesländern.
In Bayern wird nicht nur nach der vierten Klasse die Spreu vom Weizen getrennt, sondern es existiert dort ein enormer Leistungsdruck, der sich bereits ab der dritten Klasse in den vier, den späteren Notendurchschnitt ausmachenden Fächern, voll entfaltet. Wer dort den Schnitt von 2,3 nach der vierten Klasse nicht erreicht, kann den Besuch der Oberschule / des Gymnasiums abhaken. Wer einen Durchschnitt von 2,5 nicht vorwiesen kann, darf die Realschule nicht besuchen. Alles, was darüber liegt, wandert zur Mittelschule ( das ist die dortige Bezeichnung für die einstige Hauptschule ) eine verkappte Restschule.
Der Elternwille spielt keine Rolle. Ein Mitspracherecht gibt es nicht. Genauso wenig wie Gesamtschulen ( diese werden als Produkt einer sozialistischen Schulpolitik von den Schwarzen stringent abgelehnt )
Nach diesem Rasenmäherprinzip funktioniert die Grundschule an der Johann - Schmid - Straße 11a in Unterschleißheim. Hier wird nach der vierten Klasse knallhart gesiebt. Da die Politik in Gestalt des SPD - Bürgermeisters Christoph Böck die Vorgaben der schwarzen Staatsregierung auf ganz besondere Weise umsetzen ließ, entsteht ein Leistungsdruck innerhalb der beiden letzten Grundschulklassen, die so manche Eltern / einen Elternteil kapitulieren lässt.
Direkt neben der Grundschule ließ der Bürgermeister die Mittelschule ausbauen. Die muss natürlich entsprechend belegt werden. Ist dieses nicht der Fall, werden die Gelder des Landkreises München nicht in voller Höhe fließen.
Deshalb wird bei Zeiten in der Grundschule gesiebt. Vor allem Kinder mit Migrationshintergrund haben hierbei keine Chance.
Der Zug fährt in diesen Elternhäusern, innerhalb derer die deutsche Sprache nicht ausreichend gepflegt wird, mit unverminderter Geschwindigkeit in Richtung Hauptschule / Mittelschule. Die Stadt benötigt auch spätere Auszubildende in sämtlichen Berufssparten. Nicht jeder Schüler kann deshalb das Gymnasium besuchen, um später vielleicht zu studieren. Dieses Privileg bleibt einer kleinen Elite vorbehalten.
Und während sich so mancher Elternteil redlich bemüht, seinem Sprössling die Hauptschule zu ersparen, dabei einige Tausend Euro für den Nachhilfeunterricht berappen muss und sich dort noch dumme Sprüche aus Teilen des Lehrkörpers gefallen lassen muss, wetzen die Kolleginnen und Kollegen von nebenan bereits die Messer, um zirka dreiviertel der Grundschüler nach der vierten Klasse in der Real - und Hauptschule in Empfang zu nehmen.
Ende der Karriere? Ja, weil eine Durchlässigkeit im Bildungssystem, die es in anderen Bundesländern gibt, im schwarzen Bayern nicht existiert. Einmal Hauptschule, immer Hauptschule, bis zum Sarg?
Ich wäre hier gescheitert. Auch nach beinahe 50 Jahren, die inzwischen nach meinem ( Volks ) Hauptschulabschluß ins Land gezogen sind, scheint sich in Bayern an dem dreigliedrigen Schulsystem von einst nicht viel geändert zu haben. Die Schulwege, die Straße, die Gehsteige, sie sind allesamt asphaltiert, gepflastert und sauber. Doch das Schulsystem ist verquastet, wie zu meiner Zeit.
Das verursacht bei so manchen Eltern einen gewissen Schulfrust.
" Emily Rose " - " Output " - " The Bahanacius " - 2016:
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