Weihnachten im Dorf der 1960er Jahre



Heute Nachmittag habe ich die letzten Vorbereitung für das Weihnachtsfest 2018 abgeschlossen. Genauer gesagt: Die noch fehlenden Süßigkeit für unsere 3 Enkel sind jetzt im Haus. Bei drei Enkelkinder sollten auch drei identische " Bunte Teller " bekommen. Sonst wird argwöhnisch nach rechts und links geguckt, ob auf dem Teller der Geschwister nicht zufällig etwas mehr liegt.

Tja, auch die größeren Geschenke sind bereits in Sack und Tüten. Bevor deren Besorgung noch in purem Stress ausartet, sollte das Einkaufen vor dem großen Fest erledigt sein.

Und während ich noch eine Lichterkette an dem Kanadischen Ahorn anklemmte, kamen mir Erinnerungen an die Weihnachtstage in meiner Kindheit.

Einst, so in den späten 1950er bis weit in die 1960er Jahre, war das Weihnachtsfest sowohl vom Aufwand als auch von dessen Geschenken eher überschaubar. Bis zu den 1960er Jahren lebten in dem elterlichen Haus sage und schreibe 9 Personen in 6 Räumen. Neben meinen Eltern und Großeltern musste dort ein wohnungsloses Ehepaar aus der Nähe von Hannover aufgenommen werden. Deren einstige Unterkunft war ausgebombt. Weil meine Eltern nur einen Kredit und eine Baugenehmigung erhalten hatten, wenn sie Wohnraum für Flüchtlinge oder Wohnungslose schaffen, mussten sie zwei Räume für dieses Paar zur Verfügung stellen.

Die Wohnverhältnisse waren somit sehr beengt. Deshalb spielte sich Weihnachten in einem Zimmer ab. Es war die so genannte " Gute Stube ". Hierin stand jeweils ein Weihnachtsbaum, den meine Eltern und Großeltern zuvor bei dem Förster gekauft hatten. Er kostete einst nur etwas über eine Mark und musste dann selbst geschlagen und abtransportiert werden.

Am Morgen des 24. Dezember wurden die beiden Tannenbäume geschmückt. Der Baum im Zimmer der elterlichen Wohnung musste auf einen Ständer befestigt werden, der wiederum zu einem Spielwerk gehörte. Auf das Tannengrün legte sich Lametta.Engelshaar und es wurden Kerzenhalter befestigt, in die später Wachskerzen in rot oder weiß passten. Die Glaskugeln, die wie jene imitierten Tannenzapfen zerbrechlich waren, durften natürlich auch nicht fehlen.Die Baumspitze war mit einem ganz besonderen Glasschmuck versehen.

Da stand er dann im kalten Raum und wartete, so wie wir auch, gespannt auf den Weihnachtsmann oder aber auch das Christkind. So hieß nämlich die Sendung im Fernsehen, die dann ab 16.00 Uhr im einzigen Programm von damals jedes Jahr lief und aus dem tief verschneiten Bayern kam. Ich habe eine immer gleich aussende, strohblonde Moderatorin mit dem typischen, rollenden " R " in Erinnerung, die - während im Hintergrund seichte Weihnachtsmusik dudelte - sinnfreie Sätze vom über und zu dem so genannten Christkind, dass jetzt kommen sollte, abließ.

Nun, die Lebensverhältnisse, knapp 15 bis 20 Jahre nach dem Untergang des Tausendjährigen Reichs, sie waren sehr überschaubar. Trotzdem haben wir uns auf den Weihnachtsmann oder das Christkind gefreut. Schließlich gab es den obligatorischen " Bunten Teller ", der jedes Jahr gleich aussah. Es lagen dort Wallnüsse, Haselnüsse, Feigen, eine  große Apfelsine, die farbigen Schokoladenkugeln, die aus einer sehr oft zähen Masse mit Schokoladenüberzug bestehenden Goldtaler, ein Schokoladenweihnachtsmann in mittlerer Größe, Dominosteine und natürlich die beliebten Marzipankartoffeln auf dem Pappteller.

 Die Geschenke fielen dafür sehr unterschiedlich aus. Ein Schlafanzug, ein selbst gestrickter Pullover, eine Hose, manchmal ein Paar Gummistiefel, eine Mütze, ein Schal, gehörten alle Male dazu. Dann gab es auch Spielzeug. Das allerdings in eher bescheidenem Umfang unter dem Weihnachtsbaum lag. Zu den absoluten Highlights zählten einst der " Trix " - Modelbaukasten, das " Märklin " - Eisenbahn - Starterset und die " Kodak Instant 104 " - Kleinbildkamera mit Blitzwürfel.

Aber: Trotz der überschaubaren Weihnachtsfeiern im trauten Familienkreis, waren wir allesamt zufrieden. Schließlich war des Sinn des Festes, die angebliche Geburt des " Heiland " zu bgehen, noch nicht derart pervertiert, wie es heutzutage der Fall ist. Die Kirchen waren zu jener Zeit rappelvoll und zudem noch beheizt. Da machten dichtes Schneetreiben oder Fröste bei - 10 Grad uns nicht so viel aus. Obwohl wir eher keine Kirchgänger waren, war es einst eine Wahlpflichtveranstaltung, am Heilig Abend das Gebäude der evangelischen Gemeinde in Bad Eilsen aufzusuchen.

Einige Jahre später, nämlich in den zweijährigen Konfirmationsunterrichtszeiten, kontrollierte Pastor Hinz nicht nur zu Weihnachten die Anwesenheit seiner Schützlinge aufs Genaue. Wer nicht erschien, bekam in der folgenden Unterrichtsstunde einen Rüffel.

Da  Bad Eilsen zu jener Zeit einen dörflichen Charakter hatte, wurde es spätestens bei Einbruch der Dunkelheit an Heilig Abend sehr still. Wo dann und wann noch ein Moped die Bückeburger Straße entlang knatterte, war dann kein Geräusch mehr zu vernehmen. Nur die Glocken der beiden Kirchen ( es gab damals auch noch eine katholische Gemeinde ) läuteten ab 15.30 Uhr zu Weihnachtsgottesdienst. Und die Turmuhr der evangelischen Kirche war zu hören. Manchmal waren noch die Scheinwerfer eines auf der B 83 zu sehen.

Wenn es vielleicht an Weihnachten richtig winterlich geworden war, der Schnee vor den Grundstücken aufgehäufelt lag und das Licht der wenigen Straßenlampen sich manchmal auf der gefrorenen Oberfläche jener Haufen spiegelte, dann war es für uns Kinder eben ein richtiges Weihnachten. Bei klarem Frostwetter konnten wir von dem Wohnzimmer der Großeltern aus bis zu den Kuppen der Erhebungen des Wesergebirges und des Bückebergs sehen. Dort standen auch noch Häuser, deren Lichter und beleuchtete Tannenbäume deutlich erkennbar waren.

Auch dort wurde Weihnachten gefeiert und sicherlich fast genauso, wie wir es kannten. Alles war zu jener Zeit etwas ruhiger, besinnlicher, anspruchsloser. Und weil die vormalige Kinderwelt Weihnachten mit Winter, demnach mit Eis, Schnee und rundum weiß bedeckten Feldern, Wiesen und Wäldern in Verbindung gebrachte, schaffte es das Wetter öfters, diesen Kinderwunsch zu erfüllen.

Dann wurden am 1. Weihnachtstag die Schlitten heraus geholt und es ging ab auf " Prasuhn´s Wiese ". Dort konnte eine kurze Strecke bis zur parallel fließenden Aue gerodelt werden. Dabei durften natürlich auch die Weihnachtsgeschenke stolz gezeigt werden.Die neuen Mützen, Schals und Handschuhe, die Stiefel, Gummistiefel und selbst gestrickten Pullover, sie waren alsbald vom Schnee durchnässt. Doch das hielt uns nicht davon ab, bis zur Dämmerung rauf  und runter zu fahren.

Das Weihnachten meiner Kindheit wurde dann erst mit dem Abschmücken des Tannenbaums beendet. Die manchmal schon nadelnde Tanne verschwand danach hinter dem Schuppen und wurde später zerhackt und verbrannt. Auch dieses Holz konnte verwertet werden, denn die Kohleöfen standen noch bis Mitte der 60er Jahre in den Räumen und gaben eine kuschelige Wärme ab. Dieses aber nicht nur zu Weihnachten.


Na, denn:

" Tull " - Christmas Song " - " Living In The Past " - 1971:



 


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