Die Weihnachtsbaumplantage in Wenzendorf




Joh, noch schlappe drei Tage, noch drei Mal wach werden, hach - dann ist Weihnachtstag!

Wer jetzt noch keine Vorbereitungen getroffen hat, wie, wo und wen er von seinen Liebsten, nicht so Geliebten, vielleicht gar, best Gehassten aus der lieben Familie, weihnachtlich bewirten und gelegen möchte, könnte den längst fahrenden Zug verpasst haben. Und dieses, auch ohne die chronisch unpünktliche und immer teurerer werdenden Deutsche Bahn.

Ein nahezu klassisches Moment des Zuspätkommens in der auf Konsum und Hektik, auf puren Stress und selbst verursachter Aggressivität und aus Geldverbrennung und Geschenkirrtümer sich zusammen setzenden Vor - und Weihnachtszeit, stellt der Kauf, der Erwerb eines Tannenbaums dar.

Wer auf diesem einst noch nicht normierten Feld des Massenkonsums zu spät kam, der wurde im wahrsten Sinne des Gorbatschow´schen Wortes, vom prallen Leben bestraft.

Noch in den 1990er Jahren mutierte der Baumkauf für einige geplagte Familienväter zum Spießrutenlaufen durch die beinahe leeren Verkaufsstände der Supermärkte, Baumärkte und fliegenden Händlerareale. Dann nämlich, wenn diesem - ein bis zwei Stunden vor dem Heiligen Fest - einfiel, dass ja der obligatorische Christbaum noch nicht besorgt worden sei. Von wem, außer ihm selbst, denn eigentlich?

So machte er sich auf die Reise in das Land der jetzt begrenzten Möglichkeiten und wurde eventuell am Rande eines dunklen Platzes, außerhalb der hell erleuchteten Innenstadt, des knalle vollen Baumarktparkplatzes oder der Verkaufsstände vor einer entsprechenden Nadelbaumplantage fündig.

Das muss heutzutage nicht mehr sein. Dafür sorgen Massenproduzenten, die Hunderttausende von potentiellen Weihnachtsbäumen über einige Jahre heran ziehen, sie hegen, pflegen und auf Idealzustand trimmen.

Von einer solchen Mega - Farm berichtete der NDR gestern in einem Beitrag, der "  Wie geht das? 250.000 Weihnachtsbäume " heißt. In knapp einer halben Stunde zeigte das NDR - Fernsehteam, wie eben auf dem Baumhof der Familie Bernd Oelkers aus dem Ort Wenzendorf ( Samtgemeinde Hollenstedt, Landkreis Harburg, Niedersachsen ) etwa 30 Kilometer südwestlich von Hansestadt Hamburg, ein Christbaum, ein Weihnachtsbaum, eine Nordmanntanne ( dat is´Champions League ) von der Anpflanzung bis zur Verkaufsfertigkeit betreut wird.

Ein Ablauf, innerhalb dessen beinahe nichts dem Zufall überlassen wird. Um den perfekten, von den späteren Kunden gewünschten, Weihnachtsbaum anbieten zu können, wird an jeder einzelnen Tanne manuell Hand angelegt. Da müssen Mitarbeiter ( vornehmlich aus Osteuropa ) mittels  Motorsägen den so genannten Rundschnitt vollbringen, damit der heran wachsende Baum nicht unkontrolliert in der Breite ausschlägt. Da kommen Spezialzangen( Topp - Stopp - Zange )  zum Einsatz, um einen asymmetrischen Höhenwuchs zu verhindern und effektiv,jenen pyramidalen Wuchs zu erzielen . Es werden über Schaumstoffrollen chemische ( wohl unbedenkliche ) Zusätze auf die Baumspitzen getragen, sofern der Baum nicht mit der Zange beglückt werden konnte.

Aber auch die haushaltsübliche Wäscheklammer kommt bei den Tannenbäumen zum Einsatz. Diese werden an die Baumspitzen platziert, um einen an einer Stange befindlichen Sitzschutz für Vögel zu befestigen, der das Abbrechen der Spitzen verhindert.

All diese Arbeitsgänge sind nicht nur zeit - und lohnintensiv, sondern erfordern profunde Kenntnisse des Unternehmers und seiner Mitarbeiter.

Es dauert zudem einige Jahre, ehe dann die Nordmanntannen in den Handel, also zum Verkauf, gelangen. Immerhin sind sie etwas teurer als ihre Konkurrenten des Waldes, eher wohl, der Plantagen. Aber auch in diesem Wirtschaftsbereich macht es dann die Masse.

Der Handel bietet die A - Ware für 10 bis 12 Euro je Meter an. Die B - und C - Ware liegt zumeist etwas bis erheblich darunter.

https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/wie_geht_das/Wie-geht-250000-Weihnachtsbaeume,sendung713208.html


Auch die viel benannte " Kanzlertanne " wird in diesem Jahr von dem Wenzendorfer Betrieb gestellt. Ein 15 Meter hohes Exemplar, das dann nach Berlin gefahren wurde und jedes Jahr mit einer logistischen Herausforderung verbunden ist.


Was noch vor Jahrzehnten dann auch für den " Vadder ", den Besorger des Tannenbaums zutraf. Denn der musste den " Prügel " auf seinem Velo, der " Kreidler - Zündapp " oder gar einem Handwagen nach Hause karren.

Wer nach derartiger Mühen, zudem kein Blick für die schon zu jener Zeit vorherrschende Baumästhetik besaß, bekam nach einer kritischen Betrachtung der " Nur - Hausfrau " und Mutter, bei Nichtgefallen einen vorweihnachtlichen " Einlauf " in Form eines üblen Wortschwalls an den geröteten Kopf geklatscht.





Als ich an einem Abend vor jenem 24. Dezember der frühen 1990er Jahre mich zu einem spontanen Baumkauf entschied, wäre es dafür eigentlich schon zu spät gewesen. Doch auf einer Freifläche gegenüber dem Bremer Theater " Am Goetheplatz " bot tatsächlich ein Fliegender Händler noch seine  Grüne Ware an. Eigentlich hätte diese spottbillig sein müssen. War sie aber nicht. Für die zirka 1,5 Meter hohe Nordmanntanne musste ich satte 48 Deutsche Mark berappen, mich dazu noch von einer ungehaltenen Schrulle anpflaumen lassen, die wohl auch den Baumkauf spekulativ eingeordnete hatte und just jene Mondpreise zahlen sollte, wie ich auch. Die alte Bremer Schnepfe kaufte ein kleines Bäumchen und zahlte dafür mehr als 30 DM. Da schien bei ihr der Neid wohl durchgekommen zu sein. Der Verkäufer, ein auswärtiges Schlitzohr aus dem Bremer Umland, grinste sich Einen und kassierte dann.

Die Nordmanntanne kam bei meiner Tochter gut an. Schließlich durfte sie diese mit mir zusammen schmücken.

Nicht ganz so gut erging es in schöner Regelmäßigkeit meinem verstorbenen Schwiegervater, der es jedes Jahr aufs Neue verstand, den obligatorisch anzuschaffenden Weihnachtsbaum quasi auf den letzten Drücker zu besorgen Mit mit der Konsequenz, dass dabei das geflügelte Wort zutraf: " Wer nicht kommt zur rechten Zeit, der erhält was übrig bleibt! "
So schleppte Schwiegervater dann jene Krücken mit nach Hause, die im wahrsten Sinne des Wortes stehen geblieben waren.

Auf wenn sie dafür um mehr als die Hälfte billiger waren, so sahen viele der Nadelbäume aus, als habe der liebe Herrgott ( sofern es den geben sollte ) ihn für seine Schlafmützigkeit bestraft. Während auf einer Seite die Zweige üppig gewachsen waren, fehlten sie auf dem gegenüber liegenden Bereich, wo nur alle 10 Zentimeter ein Tannenzweig zu sehen war. Der Christbaum besaß oft eine krumme, dazu vollkommen asymmetrische Spitze. Er sah insgesamt wie ein gerupftes Huhn aus.

Schwiegermutter zeterte, fluchte und meckerte deshalb fast den gesamten Vormittag des 24. Dezember wegen des Krücken - Baumes herum. In seiner Not bohrte Schwiegervadder mit einem Handbohrer einige Löcher in den noch eben geraden Stamm, knipste einige Äste von der dicht gewachsenen Hälfte ab und tropfte diese in die Bohrlöcher. So bekam der Weihnachtsbaum ein Facelifting der besonderen Art und sah - nachdem er in traditioneller Weise geschmückt war - doch als ein solcher aus.

Dank der - wie oben beschriebenen Techniken - sind die meistens der mehr als 25 Millionen ge - und verkauften Weihnachtsbäume der gewünschten Idealform, wie sie aus der Werbung vorgegeben wird, entsprechend gewachsen. Ein Augenweide für den industriellen Verkäufer und ein erhofftes Deko - Stück in der heimischen Wohnung. Nicht von ungefähr wird der Tannenbaum in vielen Weihnachtslieder angeheimelt. Als das Non - Plus - Ultra des friedvollen, christlichen Weihnachtfestes.


Elvis Presley - " Holy Leaves And Chrismas Trees " -



Hach - schön! Fehlt nur noch der Schnee dazu. Leider regnet es mal wieder:


" Roxy Music " - " Psalm " - " Stranded " - 1973:





   



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