Die DDR - Nachwendekinder



Vor 31 Jahren war Deutschland im Aufbruch. Zwischen Putbus auf Rügen bis zur Drei - Strom - Stadt Passau von Prenzlau an der polnischen Grenze bis Palenberg ( ein Stadtteil von Übach - Palenberg ) an der niederländischen Grenze freuten sich mehr oder minder die Deutschen über den Fall der Mauer, die so genannte Wende und die vermeintliche Freiheit aller Deutschen ( gemeint war zunächst nur die Reisefreiheit ).

Das ist lange her. Inzwischen hat sich so einiges in Bezug auf die Feststellung, dass alles im Leben relativ ist, getan. Von den einst etwa 34.000 Ost - Produkten sind zirka 4.000 noch auf dem Markt. Von den Tausenden Ost - Betrieben allenfalls nur noch ein paar Hundert. Der große Rest wurde bekanntlich abgewickelt, platt gemacht oder anderweitig verramscht.

Aus den " wilden " Nachwende - Monaten und angeblich so spannenden Wiedervereinigungsjahren ist nur noch Nostalgie verblieben. Die BRD - Kloppertruppen, die in den ostdeutschen " Busch " abkommandiert wurden, um nach 1990 " Dem Doofen Rest " alten PKW - Hütten für neues Geld zu verscherbeln, ihnen unsinnige Versicherung gegen Leben und Tod aufzunötigen oder qua Müll - Reklame - Lüge glaubhaft zu machen, dass " Persil ", " Meister Propper " und " Dash " so sauber machen wie am ersten Tag, sind längst abgezogen. Dafür verblieben in den benannten Neuen Bundesländern, dem Beitrittsgebiet oder einfach nur Ostdeutschland Beamte, Richter und sonstige Schaffende sowie viele Politiker der dritten Wahl.

Die machten sich mit ihrem dicken Allerwertesten auf gehobenen Postionen bräsig breit und ließen über die finanzielle Wohltat der landläufig bekannten " Buschzulage " von Dienstag bis Donnerstag dem minderwertigen Ex - DDRler wissen und vielfach auch schmerzhaft fühlen, dass er seit seiner Geburt auf der falschen Seite der Mauer lebte.

Auch das ist sehr lange her.

Wenn die Hunderttausende Stasi - Akten inzwischen wieder hergestellt und demnächst für Jedermann, der ein berechtigtes Interesse nachweisen kann, auch im " Goldenen Westen " einsehbar werden, dürfte ein weiterer Schritt in Richtung Wiedervereinigungsaufarbeit gemacht worden sein. Wäre die 1949 aus den drei Besatzungszonen der Westalliierten ins Leben gerufenen BRD dieses mit ihren braunen Altlasten verfahren, uns als nachkriegsgeschädigte Kinder wäre sehr vieles erspart geblieben. Doch die nicht erfolgte Entnazifizierung verhalf jenen Alt - Faschisten dazu, noch weit bis nach dem Renteneintrittsalter für Zucht und Ordnung in Westdeutschland zu sorgen.

Den einstigen DDR - Kindern, für die jene Ereignis nach dem 9. November 1989 ebenfalls wie eine Strafaktion gewirkt haben müssen, weil de facto über Nacht das gesamte Sozialismus - Gefasel über Bord geworfen werden musste und im Wege des Wendehals - Prinzips aus den meisten Parteigenosse Lehrer plötzlich ein glühender Verfechter des zügellosen Kapitalismus wurde, fehlte nicht wenige davon Heimgesuchten die familiäre und erzieherische Grundlage, auf der sie ihre individuelle Persönlichkeit aufbauen konnten. Weshalb daran ein nicht unerheblicher Prozentsatz aus jenen Vorwendejahrgängen, die partiell noch die ideologisierte DDR - Erziehung aufgedröhnt bekamen, alsbald an dem real existierenden Kapitalismus westlicher Prägung scheiterten.

Neben vielen Abgewickelten, die aus dem vorgezeichneten Berufen in der DDR Planwirtschaft und gegängelten Umfeld der DDR - Gesellschaft hervor gingen, bot sich in den Folgejahren von ´89 ein Trümmerfeld. Das geregelte Sein war vorbei. Es herrschte das Ellenbogenprinzip und die Macht der Moneten, gepaart mit Hollywood ähnlichen Großkotz - Schauspieler - Einlagen. Getreu dem Motto: " Bist´e was, hast´e was; kannst´e nix, hast´e trotzdem was! " zeigten wir ( die ) Wessis dem " befreiten " Ossi, was ´ne Harke ist.

Weil die DDR - Propagandamaschinerie durch planmäßige Verbreitung von Lügen, bestenfalls Übertreibungen, dem DDR - Bürger ein verzerrtes, ausschließlich negatives Bild der BRD vermitteln wollte, war es für diesen schwer, zwischen Wahrheit und Lüge zu unterscheiden. Deshalb zogen nach der " Wende ", der Grenzöffnung, Zehntausende DDR - Bürger in die BRD und versuchten dort ihr Glück. Oft fanden sie es nicht, scheiterten oder kehrten gar nach Jahren in die wiedervereinte Heimat zurück.

Der MDR ist neben dem RBB ( einst ORB ) ein medialer Wächter über die dokumentierte DDR - Vergangenheit. In seinen Archiven befinden sich unzählige Beiträge zu und über die DDR - Zeitgeschichte. Deshalb sendet der MDR dann und wann auch Material, dass sich mit den Ereignissen nachdem 09. November ´89 befasst. So auch an jenem Dienstag, den 10. November ab 22.10 Uhr. Der Titel des Beitrags " Als Mutti in den Westen ging : Die verlassenen Kinder " lässt schon erahnen, was dem Zuschauer darin erwartet. Es sind Schicksale, über die in der Reportage von Adrian - Basil Mueller berichtet wird, die es einem Außenstehenden die Sprache verschlagen lässt.

Da ist der zur " Wende " gerade mal zweijährige Mark, dessen Mutter sich mit drei weiteren Geschwistern in Richtung BRD aufmacht. Mark lässt sie zurück, weil für ihn angeblich kein Platz mehr vorhanden sei. Er wird in dem Kinderheim " Makarenko " in Berlin - Treptow abgelegt. In Berlin ( Ost ) befinden sich im Dezember 1989 inzwischen mehr als 50 Kinder in den Heimen, deren Eltern oder Elternteile sie in der Millionenstadt allein gelassen haben.

Der gerade mal einjährige Steffen wurde zusammen mit seiner Schwester ( 2 Jahre alt ) von der Mutter zurück gelassen als diese gen Westen aufbrach. Ein weiteres Geschwisterkind übergab sie der Großmutter, die sich dann bei der Heimleitung meldete, da sich die leibliche Mutter bis dato nicht gemeldet hatte.

In Erfurt wurde der damals fünfjährige Thomas durch den Freund der Kindesmutter der Heimleitung quasi auf den Tisch gesetzt. Anschließend zog das Paar in den Westen. Thomas ließen sie zurück, der dann glaubte, seine Mutter sei im Urlaub.

31 Jahre danach erklärt Thomas M. seine damalige Situation beinahe rational mit den Worten: 

Das fühlt sich heute noch total emotional an. Gerade, wenn man sich so als kleiner Junge hilflos die Treppen hochlaufen sieht und dann so eine Aussage trifft: Meine Mama ist im Urlaub. Und man weiß aus jetziger Sicht: So war es eben gar nicht. Man wurde quasi abgeschoben. Und das ist verblüffend zu sehen, wie schnell man das als Kind in so einer Notsituation auch glauben kann. "

- Zitatende - aus: 

 https://www.mdr.de/zeitreise/ddr/verlassene-kinder-wende-mauer-100.html

Der MDR - Beitrag deckt ein düsteres Kapitel der Nachwendezeit auf, das bis heute wohl nicht vollständig aufgearbeitet worden ist. Es werden hier jene menschlichen Unzulänglichkeiten aufgezeigt, die sich in der Rückschau auch als Produkt eines Zusammenspiels zwischen staatlicher Propaganda, Gängelung sowie der verordneten Unfreiheit mit einer situativen Überforderung zu verstehen sein könnten.

In der MDR - Sendung sprechen Heimmitarbeiterinnen von Hunderten zurück gelassener Kinder vom Säuglings - über das Kleinkindalter bis hin zu Schülern, denen durch die Mütter suggeriert wurde, dass sie alsbald abgeholt werden. In der überwiegenden Zahl der Fälle geschah dieses nicht. Im Gegenteil: Die Mütter tauchten über einen längeren Zeitraum in Westdeutschland unter. 

In  dem gezeigten Fall des abgelegten Andreas konnte seine Adoptivmutter in einem Dorf bei Celle aufgefunden werden. Sie wohnte dort mit einem weiteren Sohn zur Untermiete und war arbeitslos. Die völlig empathisch wirkende Kindesmutter erklärte gegenüber dem Reporterteam, dass sie den zurück gelassenen Jungen nicht wieder aufnehmen werde, weil er angeblich " bockig " sei, in der Schule seine Hausaufgaben nicht gemacht habe und der Meinung gewesen sei, sie ( die Mutter ) habe ihm nichts zu sagen.

Es ist ein Präzedenzfall von offenkundiger Überforderung der Mutter, die sich in Form eines nahezu herzlosen Verhaltens äußert.

Doch es gab auch andere Fälle, wie den des Thomas M. aus einem Erfurter Kinderheim. Er wurde von einer Pflegemutter aufgenommen und groß gezogen, die sich als wahrer Glücksgriff entpuppte. Thomas beendete ein Studium und ist heute als Suchttherapeut tätig.

Für die meisten abgeschobenen Kinder indes war die Zeit nach dem 9. November keine glückliche. Jene Nachwendekinder verbrachten die Jahre bis zu ihrer Volljährigkeit in Heimen und scheiterten nicht sletn im Leben danach.

Im Vergleich zu den vielen Nachwende - Schicksalen, innerhalb derer es oft um den Verlust von Arbeitsplätzen und materiellen Einbußen ging, sind jene traumatische Erlebnisse der Heimkinder nahezu eine leichte Delle in der jeweiligen Lebensbiografie.




JANUS  -  Johnny  -  Out Of  Time  -  1990:




Kommentare

Octapolis hat gesagt…
Wo gräbt der junge Mann nur manchmal diese musikalischen Blüten aus?! ;o) Knie wippt...

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