Geschichten aus der Straßenbahn - 13. Episode: " Das ist hier kein Uni - Seminar! "



Als ich vor knapp 30 Jahren die von den Bremer Verkehrsbetrieben, der Bremer Straßenbahn Aktiengesellschaft ( BSAG ) angebotene " Bremer Karte " im Abonnement regelmäßig nutzte, fühlte ich mich bei jeder Fahrscheinkontrolle nahezu sicher. Die von den Kontrolleuren der BSAG werktäglich initiierte Jagd des Igel mit dem Hasen, deren Opfer ich nur ein einziges Mal wurde, weil ich eben jene " Bremer Karte " nicht eingesteckt hatte, ging mir ansonsten am Mors vorbei.

Neben der erheblich preisgünstigeren Form, sich von den Damen und Herren der BSAG überwiegend sicher zu bestimmten Haltestellen fahren zu lassen, bot die " Bremer Karte " auch damals noch einige Vorteile. So den, dass sie auf andere Personen übertragbar war.

Eine Sitzplatzgarantie war auch mit dem Erwerb der Monatskarte nicht garantiert. Die allgemeinen Beförderungsbedingungen der BSAG schlossen ( und schließen es bis heute ) aus plausiblen Gründen kategorisch aus. Wer also zu den Spitzenzeiten, der so genannten Rush Hour, mit der Straßenbahn oder dem Bus fuhr, musste sich durchaus in den Innenraum des Gefährts hineinzwängen. An einen Sitzplatz war nicht zu denken. 

So bestieg ich eines Morgens die Bahn der Linie 2  an der Malerstraße in Bremen - Hastedt in Richtung Innenstadt. Ich sollte beim Amtsgericht zu einem Verhandlungstermin erscheinen. Nahezu unvorbereitet packte ich meine Utensilien in den Pilotenkoffer und fuhr los. Die knapp 15 minütige Fahrzeit wollte ich nutzen, um ein kurzes Aktenstudium vorzunehmen. 

So pflanzte ich mich auf eine Sitzbank einer Vierergruppe und kramte die Akte sowie die beiden Kurzkommentare zum Strafgesetzbuch sowie der Strafprozessordnung aus dem Koffer. Während ich mich in die gegenüber dem Sitz liegenden, aufgeschlagenen Bücher einlas, merkte ich nicht gleich, dass die rumpelnde Straßenbahn immer voller wurde. In dem alten Zug standen die Fahrgäste bereits. So kam es dann nicht von ungefähr, dass plötzlich eine dicklich Dame mittleren Alters in provokanter Pose vor mir stand und mich anraunzte. " Ich will hier sitzen! ", schnarrte sie. Ich sah zu ihr kurz mit einem genervten Blick auf und legte meine Literatur im Zeitlupentempo von der Sitzbank gegenüber auf meinen Schoss.

Diese sicherlich bewusst verlangsamte Aktion dauerte der Dicken zu lange. Sie pflaumte mich mit den Worten an: " Das ist hier kein Uni - Seminar! " Gereizt sah ich zu ihr hoch und konterte darauf mit: " Und Sie haben hier keinen Anspruch auf einen Sitzplatz! "

Ich bezog mich auf eben diesen Passus in den allgemeinen Beförderungsbedingungen:


 §  5 Zuweisen von Wagen und Plätzen

  • Bitte nehmen Sie Rücksicht und ermöglichen älteren, beeinträchtigten, behinderten Menschen, werdenden Müttern sowie Eltern mit kleinen Kindern einen Sitzplatz. Unsere Mitarbeiter im Fahrdienst dürfen in solchen Fällen auch Sitzplätze zuweisen. Ein genereller Anspruch auf einen Sitzplatz besteht aber nicht.

Das war zu viel. Die Dame verlor die Contenance und meckerte mich mit Begriffen, wie " unverschämt ", " Schnösel ", " arrogant " usw. voll. Ich las inzwischen, gespielt unbeeindruckt in der Akte weiter. " Sie können hier sitzen! ", sagte daraufhin eine hinter mir Sitzende und rutschte auf den Nebensitz herüber. Ihr deseskalierendes Angebot wurde zwar von der Dicken wahr genommen, was diese jedoch nicht davon abhielt, hinter mir weiterhin herum zu zetern.
Sie echauffierte sich über Minuten darüber, dass ich ihr nicht gleich den erwünschten Platz frei gemacht hatte.

Ich hörte mir ihr Gelaber bis zur nächsten Haltestelle an. Dann platzte mir der Kragen und ich drohte ihr mit einer Ohrfeige, sofern sie die unflätigen Bemerkungen nicht sofort unterlässt. Das saß. Von diesem Zeitpunkt an war endlich Ruhe. Kurz vor der Domsheide packte ich meine Utensilien wieder in den Koffer und stieg aus dem Zug aus. Die wild gewordene Damen fuhr indes weiter.

Wer mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fährt, der kann tatsächlich viel erleben!



BEAR THE MAMMOTH   Molly  -  Yamadori  -  2014:
 







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