Jauche - Cabriolet


 


Seit einigen Tagen, in diesem Spätsommer, in der uns die zweite Jahreszeit noch einmal so richtig mit knackigen Temperaturen zu verwöhnen versucht, um damit die vielen Regentage davor vergessen lassen zu wollen, zieht es uns an den Baggersee, der längst zu einer zweiten Heimat geworden ist. 

Während sich ab den späten Vormittagsstunden der provisorisch ausgebaute Kiesrand des Ufers langsam mit Bade - und Sonnenfreunden füllt, haben wir die mitgebrachten Utensilien dort längst verteilt. Zwei tragbare, zusammenklappbare Stühle, eine Decke und eine Luftmatratze aus - warum auch nicht? - aus China gehören dazu.

In einem dieser Strandstühle sitzend, höre ich den Gesprächen der mit mir liegenden, sitzenden und schwimmenden Damen im gesetzteren Alter zu. Es geht darin - nicht nur  - um Küche, Kinder, Kirche, sondern auch um das Alltägliche drumherum.

Dabei wird auch öfters in der Vergangenheit herumgewühlt. So manches Erlebnis erzeugt dabei kräftige Lacher. Lachen soll laut einiger Vielzahl veröffentlichter Studien dem eigenen Seelenzustand dienlich sein und gilt deshalb als gesund. Okay, ich unterstellte jene überall verbreitete Behauptung hier mal als wahr und gebe dazu eine, mir gestern erzählte Geschichte, zum Zwecke der Steigerung des eigenen Gemütszustandes der Öffentlichkeit preis:

Es war einmal ein Münchner. Er wohnte eher bescheiden in einer Altbauwohnung. Diese befand sich zwar in Innenstadtnähe, war aber längst heruntergekommen. So trist wie das Ambiente um das Wohnhaus herum sich zeigte, so grau, öde und freudlos mäanderte das Leben des Mannes vor sich hin.

Er lebte in der alten Zweiraumwohnung allein, hatte einen sicher Job irgendwo in der Verwaltung eines Versicherungskonzerns und konnte mit dem Verdienst einen zweiwöchigen Urlaub auf den Balearen, den Kanaren oder an der spanischen Küste finanzieren. Mehr Luxus lag nicht drin, weil schon damals die Mieten auch in München durch die Decke schossen und er mehr als ein Drittel seines Einkommens hierfür ausgeben musste. 

Der graue Mann, der für den blauen Versicherungskonzern arbeitete, sah nicht nur deshalb in eine gleichfarbige Zukunft ohne großartige, dieses Leben verändernde Ereignisse. 

Doch eines Tages, es war zu Beginn der Nullerjahre flatterte ein Schreiben des Amtsgerichts München in seinen ramponierten Briefkasten.

Hierin lag eine Fotokopie eines Testaments, dass sein Onkel irgendwann in den 1970er Jahren hat aufsetzen lassen. Der Versicherungssachbearbeiter konnte daraus entnehmen, dass er zum Haupterben eingesetzt worden war. Er wurde dann gebeten, wegen dieser Erbschaftsangelegenheit zur Ausstellung eines Erbscheines vorzusprechen. Auf dem amtlichen Schreiben konnte er hierzu die Sprechzeiten einlesen. Einige Tage später saß er in einem Dienstzimmer des Rechtspflegers und beantragte dort einen Erbschein. Den legte er später bei den Banken und dem Grundstücksamt vor, um dort die Umschreibung diverser Grundstücke vornehmen zu lassen.

Die Monate vergingen. Dann bekam der Erbe Post von dem Grundstücksamt. Er war jetzt Eigentümer verschiedener Flächen, die irgendwo im weiteren Umkreis der Landeshauptstadt München lagen. In Orten, von denen er bislang kaum etwas gehört hatte. Er wusste zu diesem Zeitpunkt nicht einmal, was diese Grundstücke wert waren und konnte es kaum fassen, dass er quasi über Nacht zu einem wohlhabenden Mann geworden war.

Weitere Monate vergingen. Der Versicherungsangestellte hatte sich inzwischen einen Überblick zu dem Wert der geerbten Grundstücke verschafft sowie Kontakt zu einem Bauträger aufgenommen. Dieser bot ihm eine siebenstellige Summer für den Verkauf der Flächen an. Der Erbe willigte ein, unterschrieb danach einen notariellen Kaufvertrag und konnte sich sodann " Millionär " nennen.

Er gab seine Stelle als Versicherungssachbearbeiter auf, kaufte sich von dem erhaltenen Geld ein großen Anwesen in einem Münchner Villenstadtteil und erwarb alsdann eine schicken BMW Sportwagen, einen Z 4 Cabrio, einen E 85 Roadster mit Sonderausstattung. Mit einen über 340 PS konnte er bis zu 250 Km/h auf den Autobahnen brausen. Er gehörte jetzt zu den Auto - Schickimicki, die auf Gehsteigen und Radwegen parkten, in Geschwindigkeitszonen zu schnell fuhren und andere rechts überholten. Er wurde zum Kolonnenspringer, zu einem Lichthupen - Rambo, zu einem der Millionen rücksichtslosen Asphalt - Krawallos, die ihren PS - starken, fahrbaren Untersatz zu nutzten, um sich aus der zunehmenden Masse in der Masse der PKW - Junkies hervorheben zu wollen.

Der einstige Versicherungsangestellte hatte jetzt viel Geld. Er war jetzt wer, weil er Geld hatte und glaubte damit einen Sonderstatus einnehmen zu können. Er vertrat die irrige Auffassung, für ihn gelten andere Regeln, eigene Vorschriften und Sondergesetzte.

In diesem Glauben bevor der " Neureiche " an einem Sommertag einige Wirtschaftswege in der Nähe eines kleinen Dorfes bei Landshut in Oberbayern. Die Sonne lachte am Firmament, der beinahe azurblaue Himmel über Oberbayern und die bereits sehr warmen Temperaturen veranlassten ihn, das Verdeck des Kabrios zu öffnen. Er ließ auf dem CD - Player des schmucken, teuren, in blank geputzten, weißen Lack dahin driftenden BMW, Onkel Herbert´s " Mensch " losdröhnen. laut, so laut, dass er nicht bemerkte, wie ein schon älterer Traktor mit einem Güllefass auf dem Anhänger hinter dem " Menschen " aus dem Versicherungskonzern mit dem in blauer Farbe auf weißem Untergrund gehaltenen Logo, herfuhr.

Endlich frei von allen Zwängen, von Geldnöten, von Zukunftsängsten und dazu noch gut versichert. was will der Mensch im BMW E 85 noch mehr? Das Glück war auf dieses Mal ein Esel, es traf auf und einen solchen, der sich auch als ein sturer Esel gebar. Der Versicherungsmensch im weißen BMW hatte geflissentlich das kreisrunde Verkehrsschild mit dem roten Rand, in dem sich auf jeder Hälfte ein abgebildetes Motorrad sowie ein PKW befindet und eine rechteckiges Schild mit dem Zusatzhinweis " Landwirtschaftlicher Verkehr frei " übersehen.

 Was interessieren ihn Verkehrszeichen, wenn sie nicht gerade seinen unbändigen Drang, das inzwischen gesteigerte Selbstbewusstsein, jedem, der es anhand des teuren BWM zeigen zu wollen, behindern? Wenig, bis gar nicht. 

Der Herr Neureich fuhr nun mit dröhnenden Lautsprechern über einen solchen Wirtschaftsweg und ließ dabei den sonnigen Vormittag mit der - einst nur für Jugendliche angedachten Freizeitgestaltung des " Cruising " seinen Lauf nehmen. Dieses prä - pubertierende Verhalten birgt indes immer ein gewisses Restrisiko. Der Mann wird übermütig, die Frau zumeist hochnäsig, wenn sie als aufgetakelte Begleiterin neben einem solchen PS - Potenzklotz sitzt.

Der BMW wurde langsamer, weil die zwar asphaltierte Wegoberfläche deutliche Unebenheiten und viele Schlaglöcher aufzeigte. Der hinter ihm fahrende Traktor mit Gülle - Anhänger fuhr auf dem Feld beinahe parallel zu dem BMW, als das nahezu Unglaubliche geschah. Der Treckerfahrer öffnete das Ventil des Jauchefasses, der darunter angebrachte Teller begann zu rotieren. Die Schweinegülle verteilte sich auf dem Feld, aber auch auf sämtliche Bereiche der PKW. Sie klatschte in den Innenraum des schicken Sportwagens, blieb dort auf den Sitzen, den Fußmatten, den Leder bezogenen Kopfstützen kleben. 

Ehe der BMW - Fahrer überhaupt registriert hatte, wie ihm geschah, war der Spuk vorüber. Der Trecker fuhr an dem PKW vorbei, mit nahezu akribisch anmutender Präzision verteilte das Gefährt dabei den stinkenden Inhalt weiter auf dem Acker. 

Der BMW - Fahrer stieg in mit Jauche belegter Bekleidung aus und begann zu schreien, zu drohen, wild zu gestikulieren. Der Traktorfahrer fuhr stoisch weiter. Er hielt erst an, als die von dem PKW - Fahrer per Handy gerufene Polizei eintraf.

Die beiden Beamten hörten sich, dabei durchaus gefasst, an, was der BWM - Fahrer zu Beklagen hatte.  Dann belehrten sie den immer noch außer sich auftretenden Mann darüber, dass er eine Verkehrsordnungswidrigkeit begangen habe und fragten alsdann, ob er mit einem Verwarnungsgeld von 20 Euro einverstanden sei. Der Sportwagenfahrer sah dieses nicht ein, sondern bestand darauf, dass die Beamten eine Strafanzeige gegen den Traktoristen aufnehmen mögen. 

Es wurden wechselseitig die Personalien aufgenommen. Die Polizisten verließen den Ort des Geschehens.

Einige Wochen später erhielt Herr Neureich einen Anhörungsbogen der zuständigen Bußgeldstelle. Er kontaktierte einen Rechtsanwalt. 

Die Bußgeldsache landete später vor dem Amtsgericht. Hier wurde der Herr Neureich mit den Tücken des Gesetzes konfrontiert. Der Richter klärte ihn darüber auf, dass nicht der Landwirt der Missetäter war, sondern er selbst, denn es sei nicht erlaubt mit einem PKW, auf einem Wirtschaftsweg, für das ein entsprechendes Verkehrszeichen aufgestellt wurde, in unbefugter Weise zu fahren.

Der Herr Neureich blieb dennoch uneinsichtig. Er reichte über den beauftragten Rechtsanwalt Schadenersatzklage bei dem Landgericht ein. Er verlangte einen neuen BMW, da der mit Gülle belegte Wagen nicht mehr gereinigt werden konnte. 

Das Gericht wies die Klage ab: eine Berufung vor dem Oberlandesgericht München bleib erfolglos.

Merke deshalb: Nicht überall wo BMW - Cabriolet fährt, befindet sich Hirn am Steuer und wo gejaucht wird, hat ein solches Fahrzeug im oben ohne Zustand nichts zu suchen, sonst wird sehr schnell aus dem schmucke Wagen  ein Jauche - Cabriolets.                   


KALEVALA  -  Where I ´m  From  -  People No Names  -  1972:


        



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