Ein graues Haar
Als der Nachbar vor einigen Tagen seinen 30. Geburtstag beging, der in einer - wie schon beschriebenen - Krawallorgie endete, erinnerte ich mich an meine eigene Feier, die ich einst, nämlich 1983 in trauten Kreise meiner vielen aus - und inländischen Kommilitonen feiern durfte. Ich hatte dazu den Gemeinschaftsraum unterhalb der Uni - Mensa gemietet, denn es kamen viele, sehr viele Freunde und Bekannte.
Nun, 35 Jahre danach, weiß ich nicht einmal, was aus all den jungen und jüngeren Gästen geworden ist. Wie sich das weitere Leben von ihnen entwickelt hat. Sie werden garantiert auch graue Haare bekommen haben. So, wie einst der iranische Bekannte, der an seiner Diplomarbeit im Studiengang Elektrotechnik bastelte, den ich einige Zeit nach meinem Geburtstag auf dem Campus traf und den ich damals beinahe nicht wieder erkannt hatte. Seine vormals dunkelbraunen Haare war auf einmal schlohweiß. Als habe er sie gefärbt.
Es war wohl der Monate lange Stress, dem er ausgesetzt war und der ihn hat plötzlich ergrauen lassen. Nachdem er seine Prüfung abgelegt hatte, traf ich ihn wieder. Seine Haare hatten die ursprüngliche Farbe wieder angenommen. Er arbeitete inzwischen in einem großen Bremer Betrieb als Diplom - Ingenieur.
Auch ein anderer ehemaliger Bekannter ergraute bereits mit Mitte 30. Er war bereits verheiratet und hatte einen Sohn. Er musste neben dem Studium Taxi fahren, damit er um die Runden kam. Das schlaucht natürlich, weil er seinen Dienst nur nachts versah. Bald hatte er statt schwarzer, graue Haare.
Sicherlich gibt es ethnologische Gründe dafür, dass bei Menschen mit dunkleren Haarwuchs, im Verlaufe der Jahre und / oder mit zunehmenden Alter die Haare ergrauen, aber es liegt häufig an den eigenen Lebensumständen. Deshalb verzichtete ich einst auf die legalen Suchtmittel, verbrachte eher wenige Stunden in den völlig verqualmten Studenten - und Szenekneipen und ließ mich auch sonst nicht stressen.
Vermeiden konnte ich das Ergrauen des Haares dennoch nicht. Irgendwann während einer dieser Studententreffs wies mich mein Studienkollege, mit dem ich dann später die erste eigene Anwaltskanzlei betrieb, auf ein kleineres, oberhalb der linke Schläfe herausragendes, graues Haar hin. Es wäre kaum zu sehen gewesen, hätte nicht der milde Abendwind an jenem Sommertag zu Beginn der 1980er Jahre, meinen Haarschopf ein wenig durcheinander gewirbelt.
Seine damalige Lebensgefährtin und er grinsten ein wenig. Sie waren einst nicht einmal Mitte Zwanzig; ich hingegen hatte den dritten runden Geburtstag längst hinter mir. Nun, ja, ich überspielte die für mich eher als peinlich empfundene Situation mit einer spitzfindigen Bemerkung, dass wir alle nicht jünger werden würden.
Wie wahr, wie wahr!
Mehr als 3 Dekaden später, schüttele ich regelmäßig den Kopf, auf dem sich vielleicht nur noch die Hälfte der bereits schlohweißen Haare befinden, wenn ich jene alten Trottel aus der Riege der großen, mächtigen und bekannten Männer dieser Welt sehe, die mit ihren Partnerinnen, die sich allenfalls im Alter der, zuvor möglicherweise gezeugten, eigenen Töchter aus irgendeiner Vorehe - oder Beziehung befinden, in der Öffentlichkeit herum gockeln. Ar.., allesamt!
Natürlich sind auch deren Haare, soweit es noch welche gibt, regelmäßig gefärbt. Natürlich trimmen sich diese Knilche auch weiterhin auf jung. Und natürlich lieben deren auserwählte Schickse nicht der alten Sack an ihrer Seite, sondern dessen Moneten.
Die Natur lässt sich auch hier nicht manipulieren. Das biologische Alter kann kaschiert, aber nie ignoriert werden. Deshalb lasse ich mir heute mein ständig ergrautes Haar von meiner besseren Hälfte leicht dunkler tönen. Das macht einen besseren Eindruck, denn nur die Jugend zählt und Mann muss eben jung bleiben.
" The Deviants " - Metarmorphosis Explosion " - 1969:
Kommentare