Wir vertreten hier die Öffentlichkeit


 

Meine Schwester ist nur 20 Monate jünger als ich, aber dennoch unterscheiden uns Welten. Zumindest, was den Lebensstil betrifft. Während sie eine gesicherte Tätigkeit als Bankkauffrau bevorzugte, deshalb nie aus dem Dunstkreis unseres Geburtsortes herauskam und ihre Ehe kinderlos blieb, bevorzugte ich denn doch eher das Risiko eines Studiums einzugehen, um nach Jahrzehnten damit krachend zu scheitern.

Nun, ja; That´s life!

Weil sie mich aber zunächst als ihren großen Bruder ansah, der versuchte seinen eigenen Weg, weg von dem Mief einer proletarisch - geprägten Erziehung zu beschreiten, triezte meine Schwester ihrem Mann, mit dem sie seit September 1979 verheiratet ist, aus seinem ausgeübten Beruf als Installateur mehr zu machen. Mein Schwager besuchte deshalb ab 1980 die so genannte Meisterschule in Stadthagen. Die Ausbildung war für Nicht gerade einfach, zumal es sich um eine Abendschule handelte. Er quälte sich die dreieinhalb Jahre durch den, jeweils an zwei Abenden pro Woche angebotenen Unterricht.

1984 hatte er die Prüfung erfolgreich bestanden und durfte sich danach Industriemeister nennen,

Ein Zusage, als Meister in dem damaligen Betrieb in der benachbarten Stadt im Landkreis Schaumburg hatte er auch schon in der Tasche, als er wegen des Einbaus einer elektronisch gesteuerten Großanlage nach Riad in den Wüstenstaat Saudi - Arabien auf Montage delegiert wurde. Der Einsatz sollte knapp zwei Wochen dauern. Doch der geplante Montageablauf konnte nicht eingehalten werden. Einige Teile der Anlagen konnten per Schiff nicht rechtzeitig geliefert werden. Der Transport verzögerte sich um beinahe zwei Wochen.

Zu lange für meinen Schwager. Der packte nach der zunächst erledigten Arbeit seinen Koffer und flog eigenständig und entgegen der Weisung des Firmenchefs zurück nach Hannover.

 Die Konsequenzen aus dem eigenmächtigen Handeln folgten einige Tage später. Der Zusatzvertrag zu dem laufenden Arbeitsvertrag, mit dem er als Industriemeister hätte weiter arbeiten können, wurde gekündigt. Mein Schwager erhob dagegen Klage vor dem Arbeitsgericht in Hameln.

Einige Wochen später setzte dieses einen Termin zur Güteverhandlung an. Und zu diesem Gerichtstermin erschien meine Schwester und ich. Nachdem wir auf den Zuhörerbänken Platz genommen hatten, schaute uns der damalige Vorsitzende der Arbeitsgerichtskammer und Direktor desselbigen in Personalunion etwas irritiert an und stellte sodann die Frage. " Wer sind Sie denn? "

Ich antwortete ihm: " Wir vertreten hier die Öffentlichkeit. "

Leicht schmunzelnd wiederholte er meine Antwort und legte dann in der Sache los.

Arbeitsgerichtstermine sind nicht das, was sich ein juristischer Laie als unbedingt spannend vorstellt. Es geht zumeist um Geld, irgendwelche Verfehlungen oder gar Kündigung des Arbeitsvertragsverhältnisses. Nichts, was den Zuhörern vom Hocker reißen würde.

Und so war es denn auch in der Streitsache meines Schwagers. Und doch war dieser Fall ein Novum, wie es der Richter in seinen Ausführungen erklärte. Es ging um die Rechtsfrage, ob eine späterer Zusatz zu einem langjährig geltenden Arbeitsvertrag separat kündbar sein kann. Diese Frage musste das Gericht nicht beantworten, denn die beiden Parteien einigten sich später auf einen Aufhebungsvertrag, in dem mein Schwager einen  erklecklichen Geldbetrag als Abfindung erhielt.

Das Arbeitsverhältnis als Industriemeister war damit bereits vor dessen eigentlichen Beginn beendet. 

Er erhielt eine neue Stelle bei einer Firma in Rinteln an der Weser und zwar als gut bezahlter Servicetechniker.  



ELARA SUNSTREAK BAND  -  On A Drink With Jim  -  Vostok  1  -  2021:






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