Eine Zugfahrt ist nicht lustig.



Draußen stürmt Friederike. Immer diese rasanten Frauen. Sie macht viel Wind, bringt dem Hohen Norden dazu noch Schnee und lässt das Verkehrschaos - nicht nur dort - perfekt werden. Der größte Personentransporteur, die Deutsche Bahn, hat ihren Fernzugverkehr zunächst komplett eingestellt. Au, ha! Da wird so mancher nicht mehr rechtzeitig oder eventuell gar nicht an dem gewünschten Ziel ankommen.

Wenn die Züge nicht mehr fahren, gibt es nur die Möglichkeit, so lange zu warten, bis sie wieder anrollen. Das kann jetzt dauern. Die stürmische Dame tobt sich nämlich erst aus. Ich hatte gestern ja vollmundig behauptet, dass das Orkantief uns im Freistaat nicht tangiert. Doch: Pustekuchen, heute ist es auch bei uns angelangt.

Ab Mittag begann die windige Dame ihre Arbeit. Und schon vermeldete der Verkehrsfunk Unfälle, Sperrungen und gab zudem halbstündige Warnungen heraus. Wenn es sich nicht vermeiden ließ, sollte der mobile Bürger eher in den eigenen Vier Wänden bleiben. Er möge unbedingt darauf achten, sich nicht in der unmittelbaren Nähe von Bäumen aufzuhalten. Die Anzahl der gemeldeten Straßensperrungen nahm nahezu stündlich zu.

Als wenn ich es geahnt hätte, bereitete ich mich ab 15.30 Uhr auf eine Fahrt in Richtung Chemnitz vor. Meine bessere Hälfte hatte sich bereits über ihr Handy gemeldet, um mir zusagen, dass die Züge auf der Strecke Chemnitz - Dresden Verspätung haben werden. Dann kam gegen 16.30 Uhr ein weiterer Anruf. Die Mitteldeutsche Regio - Bahn ( MRB ) hatte den Zugverkehr komplett eingestellt. Der letzte Zug stand nun in Freiberg auf dem Bahnhof.

Ich bediente unser Navi und fuhr los. Es wurde langsam dunkel. Hinter Kesselsdorf begann es richtig zu wehen. Auf der B 173 lag bereits allerlei Zeug herum. Kleine Äste, Plastikteile und noch jede Menge Blätter des vergangenen Herbstes wirbelten auf und über die Straße.
Beim Hetzdorf stockte dann der Verkehrsfluss. Eine Fichte lag quer über der Straße. Noch war ein Vorbeifahren über den Gehweg möglich. In Freiberg rollte der Freiabendverkehr ohne Probleme.

Ich fahre noch einige hundert Meter in Richtung Bahnhof. In Freiberg besteht der dortige, von der Deutsche Bahn unterhaltene Bahnhof aus einem Backsteingebäude und einem neu errichteten Stahl - und Plexiglas - Überbau der beiden Gleise. Während das Relikt aus vergangenen, besseren Zeiten, mit den Charme der DDR aus den 197oern langsam aber dafür sicher vergammelt, macht der Standard - Gleisüberbau noch einen einigermaßen passablen Eindruck. Doch die lieblose, Einheitsfassade des Bahnhofs täuscht. Es sind dort weder Toiletten, noch sonstige Zusatzeinrichtungen vorhanden.
Wer hier ein dringendes Bedürfnis verspürt, der erledigt es an  und auch in dem alten Bahnhofsgebäude.

Bahn 2018, eben!

Ich nehme meine bessere Hälfte, ihren Kollegen und eine Dresdnerin aus dem Stadtteil Plauen auf. Unterwegs erzählen sie mir, dass es ab Freiberg nicht mehr weiter ging. Der Zugführer stoppte dort und behauptete - wahrheitswidrig - ab 16.28 Uhr bestünde eine Busverbindung in Richtung Dresden. Danach orderte er die " Evakuierung " oder besser " Beräumung " des Silberlings an. Das war´s für alle Fahrgäste, Open end!

Der Bus fuhr natürlich nicht. Der Zug wurde aber abgeschlossen und die Hundert und mehr Kunden, die ja für diese Fahrt bezahlt hatten, dem Orkan " Friederike " übergeben. Der Drecksladen DB Regio hatte natürlich weder eine saubere Wartehalle im Bahnhofsgebäude parat, noch gab es hier gereinigte Sitzgelegenheiten. Wer sich auf die wenigen Bänke setzen wollte, watete in Urinlachen. Ein Saustall, der Freiberger Bahnhof. Genauso einer, wie er es in Klingenberg - Colmnitz, Niederwiesa oder Dresden - Plauen ist. Für die Regionalverbindungen gibt der Konzern aus Berlin kein Geld mehr aus. Es lohnt sich nicht, die dortigen " Bahnhöfe " instand zusetzen.

Wir fuhren die zirka 38 Kilometer bis Dresden in einem gemächlichen Tempo. Im Auto war es angenehm warm. Draußen heulte uns " Friederike " etwas vor. Der Baum auf der B 173 innerhalb der Ortsdurchfahrt Hetzdorf war mittlerweile von der Feuerwehr zerkleinert und zur Seite gelegt worden. So, wie es in ganz Deutschland einige Tausend Mal geschah; an jenem stürmischen Donnerstag, als der Orkan " Friederike " mit mehr als 200 Km/h über den Harzer Brocken jagte, irgendwo in Nordrhein - Westfalen Dächer abdeckte, PKW zerbeulte und - noch tragischer - 6 Menschenleben forderte.

Als wir uns in dem beheizten Wohnzimmer über den Sturmabend unterhielten, kamen wir zu der übereinstimmenden Überzeugung, dass der Saftladen Deutsche Bahn nicht unter privatwirtschaftlichen Bedingungen geführt werden darf. Wer nur nach Rendite schielt, der verliert den Blick für das Notwendige, das Wichtige. Funktionierende Bahnhöfe sind eine Grundvoraussetzung, um jenes Ziel überhaupt in Angriff nehmen zu können, dass sich jeder Bundesverkehrsminister in jeder Legislaturperiode in seine Agenda schreiben lässt: Mehr Verkehr auf die Schiene und weniger auf die Straße!

Bei solchen Sauställen, die sich auch noch vollmundig Bahnhof nennen dürfen, wird das nix. Da macht eine Bahnfahrt keine Spaß und sie ist auch nicht lustig. Ob nun mit oder ohne Orkan " Friederike "!

Gut´s Nächtle mit:


" Colt 38 " - Ardonai:











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