Karl der Kicker ( Käfer )
Unsere Enkel durften sich zur heiligen Geschenkenacht über einen Kicker - Tisch freuen. Es war kein einfaches Spielzeug, dass nach viermaligen Gebrauch bereits Kolleteralschäden aufweist; auch nicht ein Spielgerät, dass für Kinder eher Fluch, denn Segen darstellt, weil die Höhe jenseits des eigenen Blickfeldes endet. Mit einem solchen Gerät habe ich mich vor mehr als 4 Jahrzehnten beinahe jeden Abend vergnügt.
Ab Mitte der 1970er Jahre trafen wir uns abends im " Minchen ", um unsere Kräfte an einem Holzkicker auszulassen. Eine kleine Gruppe von fast Gleichaltrigen aus Bückeburg und umzu, die dabei ein Bierchen trank, dummes Zeugs erzählte und dort die elend langen, öden und freudlosen Abende tot zu schlagen gedachte.
Irgendwann erschien ein Neuer in der Runde. Er hieß Karl. Den Nachnamen habe ich längst vergessen. Karl war einige Jahre älter als die anderen jungen Männer, die ich dort ständig traf. Karl kam aus einem Kaff bei Bückeburg. Karl saß einst wegen Drogendelikte auch im Knast. Karl war Fußballfan. Er war Fan von Eintracht - Eintracht Braunschweig. Karl war ein eingefleischter Eintracht - Fan. Karl trank deshalb zu seinem Bieren immer Jägermeister.
Karl war Jägermeister - Dauertrinker.
Ich möchte weder Eintracht Braunschweig, noch Jägermeister, wohl aber Karl. Ich fand ihn sehr sympathisch, weil Karl, wenn er zu viel Jägermeister und Bier getrunken hatte, den Ball im Kicker nicht traf. Er versuchte sich dann in wilden Verrenkungen. Er bekam den Ball dabei nie unter Kontrolle und schoss die harte Kugel links und rechts neben das Tor. Er traf die Öffnung in der Holzwand nicht. Und, wenn er sie traf, konnte sein Gegner, sein Kontrahent, die Kugel leicht und locker abwehren.
Deshalb verlor Karl und sein Mitstreiter regelmäßig hoch. Er verlor an jenen Abenden jedes Spiel. Auch dann, wenn er noch nicht so viele Jägermeister getrunken hatte. Karl hatte inzwischen einen festen Job. Er arbeitete irgendwo auf dem Bau. An den Wochenenden dazu auch noch schwarz. Karl bezahlte deshalb die meisten der Spiele. Er warf ständig eine 1 - DM - Münze in den Schlitz des Kicker - Automaten. Er tat es, in der Hoffnung, dass er endlich ein Spiel gewinnen würde. Doch Karl gewann nie. Jedenfalls nie gegen mich und meinen Namensvetter. Karl bekam ständig eine deftige Abfuhr. 1:10, 2:10, 3:10, so hieß es am Ende der jeweiligen Partie.
Karl spielte indes unbeirrt weiter. Karl fabulierte während des Spiels irgendetwas von Eintracht und den damals unter Vertrag stehenden Profis, wie Popivoda, den einstigen jugoslawischen Nationalstürmer, der ab 1975 für Braunschweig spielte. Braunschweig war in der Saison 1972 / 1973 abgestiegen, dann sofort wieder aufgestiegen und hielt sich dann sogar unter den besten fünf Teams in der Bundesliga. Dennoch interessierte mich die niedersächsische Mannschaft nicht; ich war glühender Fan von Mönchengladbach.
Karl, der Kicker, der Käfer, schwärmte aber für Braunschweig. Ich nahm ihn deshalb immer hoch. Er ärgerte sich deshalb ein wenig, wusste aber, dass er gegen mich nie gewinnen wird.
Das blieb auch so. Ich begann im September 1976 das BWL - Studium in Wilhelmshaven. Die Kicker - Truppe fiel danach auseinander. Ich sah Karl nie wieder. Schon allein deshalb konnte er gegen mich nie gewinnen.
" Electric Saucer " - " Beyond Time " - " Element 115 " - 2005:
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