Buchsbaumzünsler




Am Sonntag beginnen ja die drei Trauertage, nämlich der Volkstrauertag, der Buß - und Bettag und der Totensonntag. Da herrscht auch auf dem Neuen Annenfriedhof an der Kesselsdorfer Straße Hochbetrieb. Schließlich sollen die Gräber ein wenig zum Andenken an die Verblichenen hergerichtet werden.

So fuhr ich mit einer Tasche voll Tannengrün, das ich zuvor unserer inzwischen acht Meter hohen abgezwackt hatte, zum elterlichen Grab auf dem Neuen Annenfriedhof. Und - tatsgewiss - auf dem gesamten Gelände herrschte emsig Treiben. Bei angenehmen 10 Grad C und Sonnenschein, hatten etliche Dutzend anderer Menschen die gleiche Idee. Zudem werkelte ein Schwadron von Arbeiterinnen und Arbeitern an den Wegen, Bäumen und Sträuchern herum.

Überall lärmten die entsprechenden Maschinen, Sägen und Laubsauger. Das geschäftige Treiben hielt mich natürlich nicht davon ab, die Tannenzweige zunächst auf das Grab zu legen, das ich allerdings zuvor von vielen Blättern befreit hatte. Dann war zunächst Schluss mit der Grabpflege. Ich ging auf die Kesseldorfer Straße, um hier unter anderem auch noch ein Trauergesteck zu besorgen.

Bei der Rückkehr warf ich einen kurzen Blick in die Schautafel, in der sich diverse Aushänge befanden. Dabei entdeckte ich ein - zunächst - irritiertes DIN A5 - Schreiben. Es enthielt einen Hinweis, dass aufgrund des trockenen und heißen Sommers in diesem Jahr die Population des Buchsbaumzünsler explosionsartig zugenommen habe. Die  von dem kleinen Falter, der irgendwann in der ersten Hälfte der ersten Nullerjahre - Dekade von Ostasien aus, seinen Weg nach Europa gefunden hatte, abgelegten Larven aus denen dann Raupen werden, hätten einen Großteil des Buchsbaumbestandes auf der Friedhofsanlage vernichtet.

Jeder Pächter eines Grabstückes ei deshalb bis zum 31.12. 2018 verpflichtet, den befallenen Buchsbaum zu entfernen und auf die vorgesehenen Ablageplätze zu bringen, damit die Falterpopulation sich nicht weiter vergrößere.

Aha! Buchsbaumzünsler? Nie gehört; wohl aber schon gesehen. Nämlich im eigenen Garten.


https://de.wikipedia.org/wiki/Buchsbaumzünsler

Nun wurde mir auch klar, warum unsere beiden Bäumchen plötzlich braun wurden und massenhaft Blätter verloren haben. Diese, obwohl ich sie während der Trockenheit beinahe jeden Tag besprengt hatte. Na, ja, ich sach´ma´: Es gibt für 1,30 € bis zu 30,.-- € und fast 100,--  sowie auch darüber hinaus, neue, schöne, aber dann sehr kleine Bäumchen zu kaufen. Der Buchsbaum ist längst ein Allerweltsbäumchen im Garten der europäischen Eigentümers geworden.
Demnach jederzeit ersetzbar.

https://de.wikipedia.org/wiki/Gewöhnlicher_Buchsbaum

Deshalb hört sich die Invasion des Schädlings auf die heimischen Bestände dramatischer an, als sie in Wahrheit sein dürfte.
Beim Verlassen der Schautafel kamen mir aber ganz andere Gedanken:

Was wäre, wenn der explosionsartig aufgetretene, winzige Falter plötzlich zu einem Fleisch gewordenen Fremdling mutiert, der hier, also, in diesem, unserem, heiligen Vaterlande, nichts verloren hat? Ein Fremder, der schmarotzt und sich als Schädling ( vulgo: Volksschädling ) zeigt? Der das Sozialsystem aussagt und wie hier, die Blätter und damit den gesamten Baum  absterben lässt?

Ein Aufschrei würde durch das Land gehen. So, wie  es in der Zeit nach 2015 zum Teil durch die fremdenfeindlichen Agitationen der Fall war ?

Doch hier ist es nur ein kleiner Schmetterling, der für großen Ärger sorgt. Dessen Millionen gefräßiger Raupen auch einen Millionenschaden verursachen. Hierüber regt sich - mit Ausnahme einiger, weniger Fachleute - keiner auf.

Ich ging durch das Hauptportal des Friedhofs, an einer Trauergemeinde vorbei, in Richtung der Grabstätte. Überall herrschte hektische Betriebsamkeit. In drei Tagen ist der Volkstrauertag. Da sollen die Lebenden, den vielen Toten gedenken, die in den beiden Weltkriegen ermordet wurden. Leider schließt niemand die Zehntausende Toten, die seit dem Syrienkrieg oder anderen verbrecherischen Auseinandersetzungen umkamen mit ein; geschweige denn, jene Toten, die auf dem Mittelmeer und anderswo auf der Flucht umkamen.

Auf dem Weg vom Grab zum PKW erinnerte ich mich an die Schilderungen der Nachbarin. Sie erzählte mir, dass der Buchsbaum auf dem Grab ihres vor langem verstorbenen Mannes auch eingegangen sei und die Friedhofsverwaltung ihr angebotene habe, das tote Gehölz für 30 Euro zu entfernen. Heute kam ihr Sohn vorbei und hat die Arbeit erledigt.

Jetzt ist mir klar, dass es der Buchsbaumzünsler, besser: dessen gefräßige Raupen es waren, die das Gehölz zerstört haben.




Eric Burdon and War - " The Vision Of Rassan " - " Declares " War " - 197=:








Kommentare

Octapolis hat gesagt…
Laubsauger auf dem Friedhof? Barbaren! ;o)
Lobster53 hat gesagt…
Leider zutreffend! Die Technik, die Technik, eben. Ich arbeite ja wieder im Handbetrieb mit Besen, Schaufel, Karre. Ist doch viel praktischer!

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