Erinnerungen an das Jahr 1970: " In the summertime " und der Einbau einer neuen Heizung.
Vor einigen Tagen, so ab Ende Juni, werkelten mehrere Monteure im gegenüber liegenden Haus herum. Zunächst sah es so aus, als wolle ein daneben wohnender, immer noch berufstätige Nachbar, nur Altmetall aus den Kellerräumen entsorgen. Doch, nach näherem Hinsehen und nachdem ich die Nachbarin befragt hatte, stellte sich ein völlig anderes Szenario dar.
Die mehr als 34 Jahre alte Heizung wurde ausgewechselt. Die Deinstallation der alten Kesselanlage nahm der Nachbar vor; eine Fachfirma erledigte alsdann die Hauptarbeiten. So funktioniert es auch hier. Eine Hand wäscht die andere.
Beim genaueren Betrachten der täglichen Arbeiten im Haus gegenüber, erinnerte ich mich dann und wann an eigene Erlebnisse aus dem Bereich Heizungsanlagen.
Als ich vor exakt 50 Jahren von meinem ersten Norwegen - Ausflug, den mein Bruder und ich zusammen mit der Jugendschaft des Bad Eilser CVJM erleben konnten, zurück kehrte, herrschte im elterlichen Haus ungewohnte Unruhe, ja, aus heutiger Sichtweise war es sogar das reinste Chaos.
Die Eltern hatten Monteure einer aus einem Nachbarort ansässigen Heizungsbaufirma bestellt. Diese sollten eine neue Ölheizung installieren. Ein Projekt, dass mehrere Wochen umfasste. Denn: Weil die Eltern Geld sparen wollten, kauften sie die komplette Anlage über die Fachfirma B. aus Müsingen / Kreis Schaumburg, die dann auch die Garantie für den ordnungsgemäßen Einbau der Aggregate übernehmen musste; ließen diese aber abends in Schwarzarbeit durch dort beschäftigte Monteure einbauen. Das sparte mehrere Tausend Mark, hatte allerdings den erheblichen Nachteil, dass die Arbeiten sich über mehr als 2 Monate hinzogen.
Eigentlich eine Zumutung, denn wo immer die Monteure, die Schwarzarbeiter herum werkelten, produzierten sie Dreck. Es musste gehämmert, gemeisselt und gebohrt werden. Es musste der Heizkessel, das Druckausgleichsgefäß, der Brenner, die Heizkörper, die Zuleitungen, also die Eisen - und Wicurohre und schließlich auch die zwei Öltanks transportiert und angeschlossen werden. Deshalb lagen überall Verpackungen, Paletten, Pappe, Papier, Plastikfolien herum. Steine, Bauschutt und Mörtel häuften sich in allen Zimmern. Der Erdboden mussten mehr als 90 Zentimeter tief auf gegraben werden, damit die Ölzuleitung - frostfrei - dort hinein verlegt werden konnte.
Nach der Norwegen - Rückkehr erlebten wir Abend für Abend das identische Chaos. Die beiden Monteure erschienen kurz nach 17.00 Uhr mit ihrem Privatwagen, einem alten " Simca ", luden aus dem Kofferraum ihr Werkzeug aus und legten los. Gegen 21.00 Uhr verschwanden sie dann still und heimlich, so, wie sie zuvor gekommen waren, wieder.
Die beiden Monteure, hauptberuflich bei der Firma B. aus Müsingen arbeitend, waren überwiegend zuverlässig. Sie erschienen somit beinahe jeden Abend. Doch: Es gab auch Tage, an denen sie an einer weiteren Baustelle schwarz arbeiteten. Weil Handwerker in jener Zeit nicht so ohne weiteres, das heißt, ohne " Vitamin B. " zu bekommen waren, durften und konnten sie sich diesen Luxus leisten. Handwerke waren sehr gefragt und schwarz arbeitende Monteure deshalb noch mehr.
In jener Zeit ging es in vielen Haushalten finanziell betracht bergauf. Der breite Wohlstand nistete sich dort ein, weil die Wirtschaft in Westdeutschland auf vollen Touren lief. Allerdings kam wenige Jahre später der so genannte erste Öl - Schock.
Aber im Sommer 1970 waren wir davon noch weit entfernt. Deshalb erschien die Entscheidung der Eltern, die Ölheizung einbauen zu lassen nicht als völlig abwegig. Das Öl als fossiler Brennstoff war billig. Der durchschnittliche Marktpreis für einen Liter leichtes Heizöl lag damals bei 0, 14 DM.
( https://www.statistik.rlp.de/fileadmin/dokumente/monatshefte/2001/Maerz/03-2001-050.pdf )
In die beiden Tanks passten 4.000 Liter, womit sich der Abgabepreis ein wenig verringerte, weil es darauf den Mengenrabatt gab.
Die Großeltern und Eltern hatten zuvor separate Ölöfen in den Wohnzimmern stehen, die jeden Tag mit einer 10 - Liter - Kanne betankt werden mussten. Dazu musste per Handpumpe, die sich auf einem im ehemalige Schweinestall stehenden Ölfass montiert war, die Kanne gefüllt werden. Dabei kam es vor, dass einige Tropfen Öl neben dem Transportgefäß liefen. Es stank danach fürchterlich nach Öl. Besonders unangenehm war es, wenn ein Tropfen auf die Kleidung ging oder im Haus aus der zu tragenden Ölkanne heraus lief. Dann gab es zumeist Anmecker von den Eltern. Anschließend mussten mein Bruder oder ich mit Toiletten - oder sehr oft mit Zeitungspapier das Malör fein säuberlich wegwischen und danach Raumspray auf die Stellen sprühe, damit der penetrante Geruch unterdrückt wird.
In den Küchen der beiden abgeschlossenen Wohnungen wurde bereits auf einem Gasherd gekocht. Das war eine große Arbeitserleichterung, denn es musste nun kein Anzündholz, keine Eierkohle oder keine Brikett mehr in die Räume geschleppt werden.
Viele Jahre vorher besaßen die Großeltern und unsere Eltern auch im Wohnzimmer und in den Schlafzimmern nur Kohleöfen. Wenn die Heizperiode ab Ende Oktober des Jahres anbrach, musste aus den Kellern Holz geholt werden. Das wurde mit einem Messer in kleine Stückchen zerteilt, die in dem Kohleofen auf Zeitungspapier gelegt, danach angezündet werden konnte. Oft gelang dieses nicht sofort. Das Holz war manchmal zu groß gestückelt, das Paier nicht selten feucht oder der Ofen zog nicht richtig, weil die Ofenklappe nicht weit genug geöffnet war. Es kam auch vor, dass bei starkem Wind, die Luft im Schornstein nach unten gedrückt wurde. In diesen Fällen ging das mit Streichhölzern entfachte kleine Feuer nach kurzer Zeit wieder aus. Es glimmte nur noch vor sich hin und es begann fürchterlich zu qualmen. Wenn wir nicht aufgepasst hatten, zog der Qualm aus dem unter Bereich des Ofens, in dem sich das Rost befand, in das Zimmer. Es stank danach im gesamten Raum nach Qualm.
Ging das Feuer an, wurde es im Ofen heiß genug, konnten ein paar Eierkohlen hinein gelegt werden. Dieses Aktion musste auch sehr behutsam durchgeführt werden, sonst ging das flackerte Feuer sofort wieder aus. Es begann auch dann zu qualmen. Gelang dieser Arbeitsgang aber, wurde die Kohle nach einiger Zeit glühend. Dann durften die größeren Brikett eingelegt werden. Dabei musste die unter Ofenklappe zugemacht werden und das Schiebeblech in die Mitte gestellt bleiben, damit der Ofenbrennraum noch mit ausreichend Luft versorgt blieb. War das der Fall, glühten die Brikett ebenfalls. Jetzt durfte die Luftzufuhr von unten abgeriegelt werden. Der Heizofen wurde langsam heiß; im Zimmer herrschten bald gemütlichere Temperaturen.
Mit dem Einbau der Ölheizung als Zentralheizung war die Plackerei dann endgültig passe´. Doch bis diese in Betrieb genommen werden konnte, dauerte es noch einige Wochen. Die beiden Schwarzarbeiter mit dem Nachnamen Diekmann bemühten sich. Doch ab und zu erschienen sie einfach nicht. Manchmal waren sie auf anderen Baustellen; einige Male hatten sie keine Lust oder es fehlte das bestellte Material. Der jüngere der beiden Monteure, er hatte den Vornamen Rolf war im Gegensatz zu seinem Bruder nicht verheiratet und eher ein nonkonformer Handwerker. Zudem frönte er einem Hobby, das da Musik hören hieß.
Als Rolf eines Abends die aus dem von meinem Bruder und mir gemeinsam bewohnten Zimmer die aus Norwegen mit gebrachten Platten hörte, wusste er, dass ich keine Schlager hörte. Am folgenden Tag erschien er mit einem größeren Stapel LPs unter dem Arm in unserem Zimmer, legte diese auf den Tisch und sagte mir, dass ich mir die Scheiben mal anhören solle.
Nachdem er seiner Arbeit wieder nachging, sah ich mir die Vinylscheiben etwas genauer an. Es befanden sich unter den LPs solche von Al Kooper und Mike Bloomfield, John Mayall, Humble Pie, Taste, Yes, Jimi Hendrix, Led Zeppelin usw. sowie auch verschiedene Sampler.
Okay, nicht alle Scheiben fand ich einst so prickelnd, wie Rolf D., aber viele Stücke interessierten mich schon. Rolf D. kaufte sich - wie er mir später erzählte - beinahe jede Woche einige neue Schreibe. Da konnte ich natürlich nie und nimmer mithalten. Mit 90 DM, die mir von meiner Ausbildungsvergütung noch verblieben, wären es allenfalls 4 bis 5 Platten gewesen, die ich mir hätte leisten können.
Da ich meinem Bruder Klaus, der inzwischen ebenfalls eine Lehre bei dem damaligen Fachgeschäft für Herrenbekleidung Giesecke in Bückeburg begonnen hatte, in schöner Regelmäßigkeit Geld leihen durfte, denn er war spätestens ab dem Ende der zweiten Monatswoche pleite, kaufte ich mir denn weiterhin eher Single. Darunter auch den Sommerhit des Jahres 1970 " In the summertime " von " Mungo Jerry ". Einen Ohrwurm, der fast in jeder Musiksendung dudelte und auch in den von mir besuchten Diskotheken gespielt wurde.
Dem Heizungsmonteur Rolf D. gefiel das Stück überhaupt nicht. Einige Tage nach der Übergabe seiner LPs bat er mich, diese ihm zurückzugeben. Eigentlich schade, denn ich hätte sie sehr gerne behalten. Darunter auch einen Sampler, auf dem sich diese Stücke befinden:
A1 | –Johnny Winter | I Love EverybodyWritten-By – J. Winter* | 3:45 |
A2 | –Hardin & York | CandlelightWritten-By – Eddie Hardin | 4:27 |
A3 | –Steamhammer | Contemporary Chick Con SongWritten-By – K. White*, M. Pugh*, M. Bradley*, S. Davy*, S. Jollife* | 4:52 |
A4 | –Aum (2) | Little Brown HenWritten-By – W. Ceballos* | 2:46 |
A5 | –Janis Joplin | Kozmic BluesWritten-By – G. Mekler*, J. Joplin* | 4:17 |
B1 | –It's A Beautiful Day | Wasted Union BluesWritten-By – D. LaFlamme*, L. LaFlamme* | 4:02 |
B2 | –Al Kooper | One Room Country ShackWritten-By – M. D. Walton* | 3:33 |
B3 | –Santana | WaitingWritten-By – Santana Band* | 4:02 |
B4 | –Laura Nyro | Gibsom StreetWritten-By – L. Nyro* | 4:43 |
B5 | –Chicago (2) | It Better End Soon (3rd & 4th Movement)Written-By – T. Kath* | 4:03 |
http://schnickschnackmixmax.blogspot.com/2011/02/superhypermost-action-sampler.html
Das Stück von Hardin & York mit dem Titel " Candlelight " sowie Al Cooper´s " One Room Country Shack ", aber auch " Aum " mit " Little Brown Hen " gefiel mir hierauf ausgesprochen gut.
Doch kaufen wollte ich mir den CBS - Sampler, der als farbige, durchsichtige Vinylplatte angeboten wurde, dennoch nicht. Auf den späteren Feten im CVJM - Jugendheim hätte ich diese, aber auch andere Songs eh nicht spielen können, denn die Mehrzahl der dortigen Besucher stand eher auf Pop und tanzbaren Rock a la´" Mungo Jerry ".
Der Sommer 1970 hauchte so langsam sein leben aus. Die Tage wurden sichtbar kürzer; die Nächte spürbar kühler. Die Arbeiten im elterlichen Haus nahmen alsbald ihr Ende. Im September, noch rechtzeitig vor dem nahenden Preisanstieg von Heizöl, kam die Firma Harting aus der Nähe von Luhden und füllte die beiden Tanks mit voll. Da ließen die Mitarbeiter zusammen mit ihrem Chef, dem Heizungsbaumeister Bolte, den Brenner an. Es dauerte mehr als eine Stunde, dann strömte heißen Wasser aus den Leitungen und die Gussheizkörper wurden handwarm. Die Heizung lief; der Winter konnte kommen.
Der Sommer war vorbei, der Sommerhit von " Mungo Jerry " plärrte indes immer noch überall. Ich stand aber längst mehr auf jene Musik, die Rolf D. auf seinen vielen LPs hörte:
AUM - Resurrection - Bluesvibes Led - 1969:
PS.: Die Gasheizungsanlage in der Nachbarschaft bereitete den Handwerkern nicht unerhebliche Probleme. Sie lief nach dem Einbau erst nach einigen Tagen und nachdem ein Monteur ein bestelltes Ersatzteil eingebaut hatte. Das kam bei den Schwarzarbeiten von vor 50 Jahren nicht vor.
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