Die 1970er Jahre in der Provinz: Aufbruch zu neuen Ufern



Als am 31.12.1969 ab 0.00 Uhr ein neues Jahrzehnt anbrach, ging eine alte, teilweise wilde Dekade zu Ende. Nicht mit dermaßen viel Pomp, Geknalle und Riesen - Veranstaltungen, wie sei in den späteren Jahren durch exerziert werden, nein, die Jahrzehntwende verlief eher bescheiden, gemäßigt, in Westdeutschland vielleicht sogar zu gesittet.

Dabei hätte es für viele jüngere BRDler allen Grund zum Feiern gegeben. In der Bundeshauptstadt Bonn regierte die sozial - liberale Koalition aus SPD und FDP, der Bundeskanzler hieß zu jener Zeit Willy Brandt und so langsam erheilt das Nachkriegswestdeutschland durch eine Vielzahl von Reformen ein verändertes Gesicht. Das passte den schwarzen - braunen CDU/CSU - Bonzen natürlich nicht. Sie leifen gegen jede Neuerung Sturm, zeterten in ihren Reden herum, sprachen von der Umwandlung in eine kommunistische Gesellschaft und hetzten in den Springer - Medien gegen alle Brandt - Unterstützer.

In der niedersächsischen Provinz war davon noch nicht so sehr viel zu spüren. Hier ging es seinen gewohnten Gang. Lehrlinge wurden von den Lehrherren immer noch ausgebeutet, Kinder und Jugendliche blieben überwiegend rechtlos und die Erwachsenenwelt zeigte sich eher intolerant. Sie verpönte die Moden ihrer Kinder, die langen haare ihrer Töchter und Söhne; insbesondere deren Musik, die sich vom Beatzeitalter hin zu Erscheinungen wie der Flower - Power - Bewegung wandte.

Auch mein Musikgeschmack hatte sich geändert. Auf den Plattentellern meiner Anlage im Beatkeller fanden sich zunehmend nur noch LPs von Deep Purple, Black Sabbath, Steppenwolf, UFO, Titanic, Ten Years After, Spooky Tooth, Humble Pie, Rare Earth oder weiteren Vertretern der Progressiven Popmusik.

Ich änderte zusehends mein Outfit. Ließ meine Haare etwas länger wachsen, trug Jenas, Cordhosen und knall - bunte Batik - Hemden. Auch mein Freundeskreis wurde ein anderer. Waren es zuvor eher Mitschüler und Fußballspieler sowie Kinder und Jugendliche aus der Nachbarschaft, wurden es jetzt Bekannte aus Bückeburg und um zu.

Die 1970er Jahre haben mich geprägt. Nicht, weil ich krampfhaft versuchte meine eigene Persönlichkeit, mein Image zu entwickeln, es war vielmehr die Musik in jenen Jahren, jener Dekade, die mich stark beeinflusste. Ich bildete nach und nach meine eigene Meinung zu dem Leben der Erwachsenen, denen ich mit der begonnen Berufsausbildung zwar langsam angehören sollte; es jedoch erst mit dem beginnenden 21. Jahr tatsächlich war.

Zuvor bestimmten die Eltern meinen weiteren Lebensweg. Sie hatten den Ausbildungsvertrag durch ihre abgeleistete Unterschrift für mich abgeschlossen; sie eröffneten mein erstes Sparbuch bei der Sparkasse in Bad Eilsen und sie waren auch später meine gesetzlichen Vertreter. Dieses änderte sich in Westdeutschland erst mit der Gesetzesänderung zum 1. Januar 1975, die das Alter zum Eintritt in die rechtliche Eigenverantwortlichkeit auf 3 Jahre herabsetzte. Da hatte ich längst meine kaufmännische Ausbildung erfolgreich abgeschlossen und den Kriegsdienst bei der Bundeswehr absolviert. Dennoch empfand ich diese Gesetzesänderung als überfällig, auch wenn die Schwarzen aus den Reihen der CDU / CSU dagegen hetzten, im Bundestag gegen die Regierung Schmidt / Genscher hierbei herum pöbelten und nichts unversucht ließen, ihre traditionelles, von den Pfaffen, der Amtskirche und aus den Untiefen der nationalsozialistischen Indoktrination vorliegenden Gesellschaftsbild zur Stellung der Familie, weiterhin beizubehalten.

Das von ihnen hoch gehaltene Weltbild, die angeblich christlichen Werte, das Law and Order - Getue, es bröckelte langsam und damit entstand eine sich wandelnde, modernere Gesellschaft.

 Mit war´s zu jenem Zeitpunkt eh egal. Ich besuchte die BAS / FOS in Stadthagen, wollte das Fachabitur ablegen und später studieren. Deshalb wohnte und lebte ich wieder bei den Eltern, was jedoch eher Fluch, denn Segen war. Damit konnte sie im Arbeits - und Bedarfsfall auf mich zurückgreifen. Keine  glänzenden Aussichten also.

Mein Bruder war im Streit mit ihnen der weilen ausgezogen; meine Schwester würde es ein paar Jahre später auch tun. Ich hatte immer noch meine Musik, die mich sehr oft ablenkte. Wenn jetzt viele der in dieser Dekade erschienen Tonträger, vornehmlich als Vinylscheiben auf den Markt geworfen, in den kommenden Jahren ihr goldenes Jubiläum begehen können, dann erinnere ich mich wieder an jene Jahre, die ich zusammen mit Gleichgesinnten und mit diesen unzähligen Musiktiteln verbrachte.

Es waren ereignisreiche, oft widersprüchliche Jahre, in einer, nicht nur für mich, lebhaften Zeit. Viele Erinnerungen sind geblieben, noch mehr längst verblasst, eventuell gar nicht mehr abrufbar. Das menschliche Gedächtnis ist da eben sehr lückenhaft. Und dennoch leben jene Ereignisse wieder auf, die ich dann im Zusammenhang mit bestimmten Musikstücken, von mir erworbenen Alben oder auch ständig gehörten Radiosendungen bringen kann.

Das Leben ist häufig wie ein Fluss. Es zeigt sich tatsächlich fließend. Es wirft uns nicht selten dann an andere Ufer. Dort erwarten uns vielleicht andere Herausforderungen. Ob es unsere Aufgabe ist, sich diesen zu stellen, lässt dabei nicht immer oder sogleich mit " Ja " beantworten. Nicht nur das Unbekannte warten auf jenen Menschen, sondern mit diesem auch so manche Überraschung, die sich auf das Hier und Heute, und /oder auch auf die Zukunft auswirken kann.

Am 1. Januar 1970 war Roy Black als Nummer 1 unter den Singles in Deutschland platziert; bei den LPs war es James Last.  Beides, Schlager und auch Tanzmusik interessierte mich nicht.
Es war nicht nur damals der Geschmack der breiten Masse.

Die Charts in Amerika und England sahen einst schon etwas anders aus:



https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Nummer-eins-Hits_in_den_USA_(1970)


https://www.wikiwand.com/de/Liste_der_Nummer-eins-Hits_in_den_britischen_Charts_(1970)


Auf Platz Eins der britischen Charts landete damals ein Sänger mit dem Namen Rolf Harris. Sein Lied heißt " Two Little Boys ".

Nie gehört! Da muss ich schon zu jener Zeit wohl etwas verpasst haben:





Macht nix; dafür gibt´s ja heutzutage das Internet!





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