ne bis in idem



Das deutsche Strafrecht fußt in seiner Systematik auf mehreren ehernen Grundsätzen. Neben dem allseits bekannten " in dubio pro reo ", zählt auch das " nuella poena sine lege " sowie die Vorschrift " ne bis in idem " dazu. Letztere gibt vor, dass ein Angeklagter wegen einer bereits rechtskräftig abgeurteilten Tat nicht erneut angeklagt werden darf. Das Verbot der Doppelbestrafung ist - mit Blick auf die Verfassung des Landes - nur als allzu logisch anzusehen.

Doch auch hier gibt es Grenzen bei der Anwendung dieses, wie auch anderer Rechtskonstitute, die für einen Außenstehenden, einen Laien, einen Unbeteiligten nur sehr schwer nachvollziehbar sind, sofern derartige Auslegungsmöglichkeiten bis zu einer Schmerzgrenze ausgeschöpft werden.

Für den so genannten Normalo, dem Durchschnittsbürger, stellt sich nicht selten die Frage, ob ein rechtsstaatliches Verfahren, vielleicht doch nicht nach jenen, in der dafür vorgesehenen Strafprozessordnung ( StPO ) sowie dem Strafgesetzbuch ( StGB ) inne wohnenden Rechtsgrundsätze ablaufen soll, wenn dabei das Gerechtigkeitsempfinden einer Vielzahl, ja sogar der Mehrzahl, der Bürger verletzt wird. Das " gesunde " Gerechtigkeitsempfinden, welches eher bei spektakulären Strafverfahren dann und wann zum Tragen kommt, wird als Verfahrensgrundsatz in einem Strafprozess außen vorgelassen. Es darf keine Rolle spielen, denn die - nicht selten - vorverurteilende Meinung zu einer Täterschaft ist nachweislich geprägt von dem medialen Interesse an einem solchen Fall. Und dieses heute mehr denn je. Die Medienöffentlichkeit spielt überall in unserer Gesellschaft eine durchaus meinungsbildende Rolle.

Im Gegensatz zu der Zivilprozessordnung und dem BGB, in der es die urteilsbildende Vorschrift des § 138 Absatz 1 BGB gibt, wonach ein Rechtsgeschäft, dass gegen die guten Sitten verstößt, nichtig ist. Auch aus der Generalvorschrift des § 242 BGB ergibt sich ein solcher Ansatz.

Das Verwaltungsrecht kennt eine solche indes mit § 44 Absatz 2 Nr. 6 Verwaltungsverfahrensgesetz auch.

Das Strafrecht indes schließt das " gesunde Volksempfinden " jedoch - Ausnahme bildet nur § 228 StGB - aus.



https://de.wikipedia.org/wiki/Gute_Sitten


Dieser Grundsatz muss auch bei dem schwersten aller denkbaren Straftaten, dem Mord nach § 211 StGB gelten und in sämtlichen Fällen seine Anwendung finden.

Am 4. November 1981, also vor mehr als 38 Jahren, wird die damals 17 - jährige Frederike von M. in einem Wald in der Nähe des niedersächsischen Ortes Hambühren vergewaltigt und anschließend ermordet. Die knapp 10.500 Bürger zählende Gemeinde liegt 6 Kilometer westlich von Celle, in der Lüneburger Heide.

In Verdacht geriet damals der türkisch - stämmige, 22 - jährige Ismet H. Er wurde aufgrund von Ermittlungen wegen Mordes angeklagt und acht Monate später von der Schwurgerichtskammer des Lüneburger Landgerichts zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Auf die hiergegen einlegte Revision der Verteidigung hob der Bundesgerichtshof  ( BGH ) das Urteil auf und verwies das Verfahren an das dafür zuständige Landgericht Stade. Dieses sprach den Angeklagten Ismet H. in einem zweiten Prozess von dem Vorwurf mangels eindeutigen Beweises frei. In der Urteilsbegründung wurde damals ausgeführt, dass die erneut durchgeführte Beweisaufnahme nicht eindeutig ergeben habe, dass sich der Angeklagte zum Tatzeitpunkt an dem fest gestellten Tatort befunden habe.

Der BGH ist keine Tatsacheninstanz. Er prüft deshalb die formalen Voraussetzungen, innerhalb derer ein Urteil zustande gekommen ist. Nicht mehr und nicht weniger hat der dafür vormals zuständige 6. Strafsenat in Karlsruhe ( heute: Leipzig ) getan. Zu den Fragen des Strafmaßes nimmt er damit nur indirekt Stellung ( so, wie beispielsweise ein niedrigerer Strafrahmen wegen einer anderen Qualifizierung in Betracht kommt ).

Nachdem Ismet H. von dem Vorwurf des Mordes von dem Landgericht Stade frei gesprochen wurde, gründete er eine Familie. Er ist inzwischen sogar Großvater.

Im Jahr 2012 ergaben DNA - Abgleiche nach neusten wissenschaftlichen Methoden, dass H. sehr wohl zum Zeitpunkt des Verbrechens an Frederike von M. am Tatort gewesen sein musste.

Doch, für eine erneute Aufnahme des Strafprozesses, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer Verurteilung von H. wegen Mordes und Vergewaltigung geführt hätte, ist es zu spät.
Das Gesetz besagt hierzu nämlich:

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

( Artikel 103 Absatz 3 des Grundgesetzes )


https://de.wikipedia.org/wiki/Ne_bis_in_idem


Damit steht fest, dass der damals Freigesprochene nicht mehr wegen des Vorwurfes mit einem Strafverfahren überzogene werden darf ( Strafklageverbrauch / Verbot der Doppelbestrafung ).

34 Jahre nach der Tat und 32 Jahre nach dem erfolgten Freispruch, versuchten die Eltern der Ermordeten es auf dem Zivilrechtsweg. Die Klage scheiterte, da die geltend gemachten Schmerzensgeldsansprüche der Eltern der Frederike von M. verjährt waren. Das Landgericht Lüneburg wies diese Kalge ab. Ein betriebenes Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht in Celle blieb ebenfalls erfolglos.

Die Hinterbliebenen, die Eltern der Ermordeten müssen damit Leben. Sie müssen hinnehmen, dass der Mord an ihrer Tochter ungesühnt bleibt. Der mutmaßliche Täter H. indes muss bis zu seinem eigenen Tod mit dieser Last umgehen. Ob er dieses kann, dürfte offen sein. Moralisch bleiben Mörder immer Mörder, auch wenn sie deswegen nicht büßen mussten.

Doch Moral ist nicht Recht und Recht ist nicht immer moralisch auszulegen. So, wie auch Recht und Gesetz nicht mit der Gerechtigkeit identisch ist, denn gerecht ist nicht jenes, was die Allgemeinheit dafür hält. Und so trifft manches Mal die Aussage des Literaten Friedrich Dürrenmatt zu, der einst in seinem 1985 veröffentlichten Roman " Justiz " sagen ließ:

" Die Gerechtigkeit , junger Freund, wohnt in einem Raum, das der Justiz unzugänglich ist".




ANJO GABRIEL  -  Astralysmo  -  O Culto Secreto Do Anjo Gabriel  -  2011:




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