" Auseinander, da! "
Als ich ab Ende der 1980er Jahre mich als zugelassener Rechtsanwalt mehr schlecht als recht mit der Juristerei über Wasser hielt, war ich gezwungenermaßen auch auf Klein - und Kleinstfälle angewiesen. Die machten zumeist viel Arbeit, erbrachten allerdings wenig Geld, denn die gesetzlichen Gebühren für geringe Streitwerte waren eben minimal.
In dieser Zeit übergab mir ein Bekannter aus Bremen einen Fall, der eher das Potenzial eines Romans, denn eines schnöden Zivilrechtsstreits hatte.
Jener Mandant übergab mir dazu eine Rechnung eines Autohändlers über mehr als 450 DM, die er für den Ersatz einer Frontscheibe seines Audio 80 Avant zu zahlen gehabt hatte und schilderte mir hierzu eine haarsträubende Geschichte.
Von 1988 bis 1990 war er Inhaber eines Blumengeschäfts in der Osterstraße in Bremen. Während der gut zwei Jahre, hatte er ein intimes Verhältnis zu einer in einem Nachbargebäude wohnenden, verheirateten Kundin. Deren Ehemann arbeitete einst auf der Pleite gegangenen Schiffswerft " AG Weser Bremen ( Use Akschen ) ". Er musste danach eine Umschulung durchführen, erhielt einige Gelegenheitsjobs, mit denen er sich so gerade über Wasser halten konnte. Er wurde Alkoholiker und verbrachte die meiste Zeit mit dem Glotzen von Video - Kassetten. Die beiden Kinder des Paars waren längst aus dem Haus, die Ehe kaputt und so dümpelten beide Partner ziel - und planlos durch das Restleben.
Während der Mann sich mit dem Glotzen geliehener Video - Filme vergnügte, bevorzugte dessen Frau eine andere Form von Zeitvertreib. Sie vergnügte sich eben im Kellerraum des Blumengeschäfts in der Osterstraße mit dem Mandanten. Die Liaison hielt knapp ein halbes Jahr, dann gab der Mandant das Geschäft auf. Er bezog stattdessen einen kleinen Blumenshop auf der Verkehrsinsel der St. - Jürgen - Straße in Bremen. Dort, wo sich drei Straßenbahnhaltestellen befinden, erhoffte er sich mehr Publikum und dementsprechenden Umsatz.
Als er an einem Nachmittag das Geschäft vorzeitig schloss, um zu seine Wohnung in den Buntentorsteinweg zu fahren, musste er auf dieser Strecke an der belebten Kreuzung Friedrich - Ebert - Straße / Neustadtcontrescarpe vor der Ampel halten. Was danach geschah, muss in die Kategorie " Die späte Rache des gehörnten Ehemanns " eingeordnet werden. Während der einstige Liebhaber seiner Frau nur knapp zwei Meter vor ihm in seinem Audi Avant hielt, trat der Ehemann einige Schritte auf das Auto zu, hob dann einen Plastebeutel mit Video - Kassetten hoch und schlug diesen mitten auf die Frontscheibe des stehenden PKW. Augenblicklich knirschte es hörbar, dann zog ein feiner Riss von der Einschlagstelle bis zum unteren Bereich der Autoscheibe entlang.
Der vollkommen perplexe Mandant fuhr augenblicklich sein Auto auf die Verkehrsinsel, schaltete die Warnblinkanlage an, stieg aus und lief hinter dem anderen Mann her. Der gab sofort das Hasenpanier und wollte sich in Richtung Weserbrücke davon machen. Nach einigen Metern holte ihn der Mandant jedoch ein. Als dieser ihn rücklings an dessen Jacke festhalten wollte, verlor er jedoch das Gleichgewicht. Beide gerieten ins Straucheln und fielen auf die Grünfläche entlang des Weserufers. Von dort aus rutschten sie die Böschung herunter und blieben dort kurz liegen. Vorbei fahrende Radler hatten das Geschehen beobachtet und riefen über eine Telefonzelle die Polizei. Während die beiden Streithähne noch miteinander rangelten, erschien ein Streifenwagen der Neustädter Wache.
Aus dem halten Wagen sprangen zwei Polizeibeamte heraus. Einer rief den unten Rangelnden zu: " Auseiandern, da! ", Er ging noch ein paar Schritte auf die am Boden liegenden Männer zu, zog dabei seinen Gummiknüppel aus dem Halter, ließ diesen einige Male in seine Handfläche klatschen und herrschte die Rangelnden dabei erneut an: " Auseinander, da! Los, auseinander da! ". Der inzwischen auf seinen körperlich weit unterlegenden Kontrahenten sitzende Mandant erhob sich ein wenig. " Der hat meine Ehe kaputt gemacht!", schrie der Untenliegende. " Die war schon kaputt! ", antwortete der Mandant daraufhin. " Das ist egal, los, auseinander, da! ", forderte der Polizist beide Männer erneut auf.
Als beide Kontrahenten wieder aufrecht standen, wollten die Beamten wissen, ob sie eine Strafanzeige aufnehmen sollen. Beide wurden dann getrennt voneinander zu dem Ablauf der Auseinandersetzung befragt. Die Verfahren aufgrund der wechselseitig gestellten Strafanträge stellte die Staatsanwaltschaft Bremen einige Monate später ein.
Was blieb, war der Riss in der Frontscheibe des PKW. Der Austausch dieser kostete ein wenig Geld und musste schnell erledigt werden, damit die Beschädigung nicht noch größer werden konnte. Geld hatte der Mandant nicht. Er lieh sich dieses von seiner damaligen Lebensgefährtin. Als die Beziehung auseinander ging, wollte sie dieses zurück haben. Der bekannte Blumenhändler kam so in die Bredouille. Er wandte sich Hilfe suchend an mich.
Ich ließ mir den Vorfall an der Neustadtcontrescarpe schildern, sah mir die Werkstattrechnung an, legte dem Bekannten eine handelsübliche Vertretungsvollmacht vor und fertigte einen Mahnbescheidsantrag an, der einige Wochen später von dem Amtsgericht Bremen an den Ehemann zugestellt wurde.
Einige Tage später erschien die Ex - Geliebte des Mandanten in dessen Blumengeschäft an der St - Jürgen - Straße und bezahlte heulend den Gesamtbetrag in bar an den Mandanten. Die Gebühren sowie die verauslagten Gerichtskosten legte dieser beiseite. Kurz danach zahlte er mir diese Summe ebenfalls in bar aus.
Erst dabei erfuhr ich von den Umständen, die zu der beschädigten Windschutzscheibe geführt hatten. Grinsend empfahl ich dem Bekannten, dass er zukünftig etwas vorsichtiger sein möge, zumal die bei der Auseinandersetzung mit dem Ehemann gerufene Polizeistreife zu der wegen ihres nicht gerade zimperlichen Einschreitens verrufene Dienstelle in der Bremer - Neustadt gehörte. Da hätte es durchaus einen oder mehrere schmerzende Blutergüsse geben können.
Das mehrfache " Auseinander, da! " war denn eher eine ungewöhnliche Vorgehensweise, zumeist wurde bei den damaligen Polizeibeamten dieser wache erst zugeschlagen, dann erst gewarnt.
THE SPACELORDS - Black Hole - Liquid Sun - 2016:
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