Flüchtlingsschuhe


Die Online - Verkaufsplattform und mehr, mit dem Namen " ebay ", die im fernen San Jose´im ausgedörrten US - Bundesstaat Kalifornien, ihren Hauptsitz hat, macht jährlich um die 8.600.000.000 US - Dollar Umsatz. Ein Gigant also, der datentechnisch als enteroctupus fungiert, jedoch über eine unbegrenzte Lebenserwartung verfügt und seine Opfer mit reichlich Lockstoffen in Form von Angeboten ködert, um sie dann mittels Prozentbeträgen, die sofort von dem Konto des " Ebayianers "  abgezogen wird, aussaugt. Das ist Kapitalismus in Reinkultur, allerdings unter einem nahezu folkloristischen Gewand.

Diese Verkaufsplattform hat jedoch eine soziale Komponente. Diese kann, je nach Lebensauffassung des " Ebayianers " sich in Frust, Wut, Hass und anderen kriminellen Aktivitäten entladen. Es gibt aber auch die - im Jargon der rechten Schwachköpfe ausgedrückt - die " Gutmenschen " unter den Mitgliedern jener großen Gemeinde.
Wie im realen Leben, verbergen sich in dem Kosmos des Kaufens, Verkaufens und Kommunizierens, irgendwo noch Reste eines menschlichen Antlitzes, die nur darauf warten von Fall zu Fall wach geküsst zu werden.

Meine bessere Hälfte ist seit beinahe 1, 5 Dekaden eingefleischte " Ebayianerin ". Sie kauft und verkauft hier einen Bruchteil dessen, was der zivilisierte Mitteleuropäer so im Verlaufe seines irdischen Daseins meint zu benötigen. Darunter zählt natürlich auch Bekleidung und als Segment dessen, auch Schuhe.

Kürzlich entschloss sie sich, zwei Paar Stiefeletten einer " Markenfirma " zu verkaufen. Die Damenschuhe waren zwar relativ oft getragen worden, doch dank der guten Qualität noch nicht abgenutzt. Gebraucht, eben. Die Schuhgröße ist jene die sich als Durchschnitt einordnen lässt. Keine " Elbkähne ", wie ich sie trage, sondern eine normale Damengröße.

Nachdem sie die beiden Paar Schuhe bei " ebay " eingestellt hatte, tat sich dort zunächst nicht sehr viel. Der Herbst bedeutet auch, dass zumeist auch Winterschuhe angeboten und nachgefragt werden. Aber, bei " ebay " ist das Angebot und die Nachfrage beinahe Saison übergreifend groß.
Deshalb vermerkte meine bessere Hälfte nach einigen Tagen bereits 16 Beobachter. Die " Bugatti " - Stiefelten schienen doch auf ein gewisses Interesse zu stoßen und dieses selbst im Herbst.

Da diese Markenschuhe einen Mindestpreis erzielen sollten, hielten sich die Interessenten noch ein wenig zurück. Vielleicht wäre es bei jenen 16 Beobachtern geblieben und die beiden Paar Damenstiefelretten hätten nicht ihren Besitzer gewechselt. Doch dann erwarb eine Dame zunächst das erste Paar für 15 Euro und später - nachdem sie mit meiner besseren Hälfte einige Mails ausgetauscht hatte - für ihre Tochter auch die anderen Stiefeletten. Dieses Mal für 12 Euro.

Als hätten wir es geahnt, beide Paar gingen nach Frankfurt am Main. Die Adresse dort las sich nicht so, als sei es ein Frankfurter Nobelviertel, an das ich die Schuhe versenden sollte. Und, richtig, es handelt sich vielmehr um eine Hochhaussiedlung, die in vielen Großstädten vorzufinden sind. Jene, eher tristen Plattenbauten, die sowohl im Osten als auch in dem westdeutschen Teil der Republik irgendwie gleich aussehen.

Auch der Name der Empfängerin schien das zu bestätigen, was wir hinter dem Kauf der beiden Paar Schuhe vermuteten, es handelt sich um eine ausländische Familie. Ich vermute aus dem arabischen Raum. Eventuell aus Syrien. Flüchtlinge? Jene Menschengruppen also, die unsere Bundeskanzlerin vor nicht allzu langer Zeit in das Land hat einreisen lassen. Sie wurde dafür von einem Teil der Bevölkerung gehasst, dann in übler Weise in den Sozialen Netzwerken beleidigt und vor einigen Wochen abgestraft.

Der Großteil der eingereisten Menschen ist noch hier. So auch jene Schuhkäuferin. Sie konnte, durch ein wenig Geschick, für ihre Tochter und für sich jeweils ein paar Schuhe erwerben, die zwar gebraucht sind, jedoch in den Frankfurter Geschäften so um die 100 Euro pro Paar kosten.
Das mag nicht sehr viel sein, doch für Menschen, die von Sozialtransfers leben, weil sie noch nicht arbeiten dürfen, ist das unerschwinglich.

Kürzlich hat ein Schwachkopf einen Leistungsbescheid einer vierköpfigen Flüchtlingsfamilie in das Netz gestellt. Daraus ergab sich, die diese in dem ersten Monat mehr als 2.000 Euro zum Bestreiten ihres Lebensunterhalts bekamen. Dann reduzierte sich der Betrag auf zirka 1.400 Euro. Nachdem die Originalbescheide in anonymisierter Form eingestellt waren, brach ein Shitstorm los. Die Hetzer, Pöbler und Hasser ließen ihren Frust ab.
Wer immer diese Leistungsbescheide im Netz veröffentlicht hat, es konnte nur ein Mitarbeiter einer damit befassten Behörde sein. Er vergaß dabei - wohlweislich - zu erklären, dass die erste, ausgezahlte Summe, den Erwerb von Haushaltsgeräten, einer Waschmaschine, einbezog und der Betrag sich danach sofort auf die gesetzlichen Regelsätze reduzierte. Aber, dass ist hierbei nicht erwähnt worden. Warum sollte es auch. Schließlich sind Halbwahrheiten schon immer die raffiniertesten Lügen gewesen.

Ich packte die zwei Paar " Bugatti " - Stiefeletten in einen Pappkarton ein. Zuvor hatte ich die Schuhe mittels eines Ledersprays und einer Bürste gepflegt. Beide Paare sahen jetzt beinahe wie neu aus. Aber auch nur beinahe, denn gebrauchte Schuhe sind es alle Male. Ich druckte das Versandetikett aus und trug dieses Paket zu einer Annahmestelle des Versandunternehmens.

Auf dem Weg dahin überlegte ich, dass " ebay " doch eine große soziale Komponente beinhaltet. Statt Konsumartikel in den Müll zu werfen, können sie hier zum kauf angeboten werden. Dieses hilft jenen Menschen, die bei uns eben nicht auf Rosen gebettet sind.
Da mache ich doch gerne einen Spaziergang in die Nähe der Kesselsdorfer Straße und versende die Schuhe von dort nach Frankfurt am Main.


" Samsara Blues Experiment " - " Eastern Sun & Western Moon " - 2017:










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